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Notorische Lügner und Betrüger
Wenn Lügen zur Krankheit wird
Notorische Lügner geben sich als Adelige aus oder erfinden schwere Schicksalsschläge. Ein Psychotherapeut aus Berlin therapiert Betroffene und erklärt im Interview, wie das gelingen kann.
Artikel Abschnitt: Der Zwang zu lügen
Der Zwang zu lügen
Menschen, die über ein normales Maß heraus lügen, werden in der Psychologie als "Pseudologen" bezeichnet. Prof. Dr. Hans Stoffels ist Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Berlin und hat bereits viele dieser Menschen behandelt.
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WDR: Es gibt Menschen, die aus krankhaften Gründen über ein normales Maß hinaus lügen. Wie lässt sich das erkennen?
Hans Stoffels: Es ist nicht einfach, krankhaftes Lügen zu erkennen und die Diagnose korrekt zu stellen. Menschen, die aus nicht-krankhaften Gründen lügen, verstecken sich manchmal hinter der Diagnose und behaupten: Ich kann nichts dafür, ich bin krank! So muss der Psychotherapeut genau hinschauen und eine tiefgehende Exploration vornehmen, um das Krankheitsbild zu erkennen und eine Therapie einzuleiten. Nicht selten tritt krankhaftes Lügen auch im Rahmen einer Persönlichkeitsstörung auf, sei es eine Borderline-Persönlichkeit-Störung mit großer Impulsivität, eine narzisstische oder auch eine antisoziale Persönlichkeitsstörung. Gerade beim Versuch einer psychotherapeutischen Behandlung sind diese Aspekte zu berücksichtigen.
WDR: Was macht einen notorischen Lügner aus?
Stoffels: Man muss davon ausgehen, dass der Betroffene kreativ ist und eine große Begabung für Fantasien und das Erfinden von Geschichten hat. Das ist erst mal eine positive Fähigkeit, die auch ein Künstler oder Schriftsteller haben muss. Aber ein Pseudologe ist häufig in Umständen aufgewachsen, die von großer Entbehrung, beispielsweise der elterlichen Zuwendung, gekennzeichnet sind. Seine große Fantasie ist dann das Mittel, mit dem er diese Realität verändert und die traumatischen Umstände "bewältigt".
WDR: Pseudologen flüchten also bewusst aus der Realität?
Stoffels: Genau. Diese Flucht in die Fantasie kann sogar für die komplette Lebensbewältigung herhalten. Das Selbstwertgefühl hat häufig stark gelitten. Mit dem Ausleben der Fantasie wollen Pseudologen auch das verminderte Selbstwertgefühl retten.
WDR: Wie können Sie diesen Menschen konkret helfen?
Stoffels: Das geht in der Regel über mehrere Stufen. Wichtig ist, dass Therapeuten den Patienten nicht als Lügner abtun, sondern seine Not erkennen. Zuallererst muss das Selbstwertgefühl wieder stabilisiert werden. Dann werden Situationen durchgesprochen, in denen die Versuchung zur Lüge auftritt. Dabei muss stets darauf geachtet werden, dass der Pseudologe nicht nur andere Personen anlügt, sondern die Lügengeschichte selbst glaubt und sich auch selbst täuscht.
WDR: Welche Lügengeschichten denken sich Pseudologen denn gerne aus?
Stoffels: Das hat sich gewandelt. Früher haben sich Pseudologen gerne als Adelige oder Weltreisende ausgegeben, um Anerkennung zu erlangen. Heute nehmen sie gerne die Opferrolle ein, zum Beispiel die Rolle des Opfers einer schweren Krebserkrankung oder einer Vergewaltigung. Kürzlich wurde ich mit dem Fall befasst, in dem ein Mann behauptet hatte, sein Sohn sei an einem Unfalltod verstorben, was - wie sich später herausstellte - gar nicht stimmte. Aber zunächst hatte er viel Zuwendung und Mitleid erfahren.
WDR: Besonders stark leiden ja auch die Belogenen, also Partner oder Freunde ...
Stoffels: Darum empfehle ich, wenn eine Psychotherapie begonnen wird, die Angehörigen in die Therapie mit einzubeziehen. Das trägt zum Gelingen der Therapie bei. Darüber wird mit dem Patienten gesprochen, denn er muss zustimmen und es für sinnvoll erachten.
WDR: Lässt sich Pseudologie denn komplett heilen?
Stoffels: Ich bin durchaus optimistisch. Wenn es gelingt, die kreative Begabung der Betroffenen in eine andere Richtung zu lenken, kann sich dies positiv auswirken. Aber die psychotherapeutischen Ziele sollten bescheiden sein, und es ist durchaus ein Erfolg, wenn sich der Pseudologe besser kontrollieren kann, sich mit seinen Lügengeschichten zurückhält und mit seinen Angehörigen über seine fatalen Neigungen offen spricht.
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Wir haben die erste Frage des Interviews in Absprache mit Prof. Stoffels korrigiert. Die Frage lautete zuvor: "Zwanghafter Lügner zu sein ist ja ein psychologisch anerkanntes Krankheitsbild. Wie lässt sich diese Krankheit denn erkennen?" Stand jetzt ist pathologisches Lügen allerdings kein eigenständiges Krankheitsbild im internationalen Klassifikationssystem psychischer Störungen. Es tritt oft als Symptom oder Begleiterscheinung anderer Erkrankungen wie etwa Persönlichkeitsstörungen auf.
Mehr zu dieser Frage und wieso einige Fachleute fordern, pathologisches Lügen als eigenständige Erkrankung anzuerkennen, lest ihr in diesem Text.
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Ich (m/16) Lüge schon seit 11 Jahren und von dem meisten weiß ich dass das eine Lüge ist. Doch vieles kann ich nicht unterscheiden ob das eine Lüge ist oder nicht, ganz besonders wenn es um meinen Körperlichen Zustand geht ich weiß das es damit anfing das ich log das… Weiterlesen »
Wir würden dir dringend raten, darüber mit einer Ärztin oder einem Therapeuten zu sprechen. Alles Gute und gute Besserung für dich!
Ihr Beitrag ist eine fantastische Kombination aus gründlicher Recherche und ansprechendem Schreiben. Gut gemacht!
Vielen Dank für das nette Feedback!
Ist die Aussage im Interview, der Pseudologe glaube seine Geschichte selbst, wirklich richtig? Ich habe das(vor zugegeben sehr langer Zeit) mal anders gelernt. Nämlich so, dass er sich der Lüge bewusst ist, aber die Gewinne aus seinem Verhalten (mehr Aufmerksamkeit/Zuwendung sowie das überlegene Gefühl, anderen ‚einen Bären aufbinden zu können‘)… Weiterlesen »
Schade, dass zu deiner Frage noch keine Expertenmeinung kam. Ich hatte vor zwanzig Jahren zehn Monate lang eine Beziehung mit einer jungen Frau (23 Jahre, ich damals 28 Jahre), mit der ich auch ein paar Monate zusammenlebte. Ich hatte damals Philosophie und etwas Psychologie studiert und hielt mich für kritisch… Weiterlesen »
Ich finde es sehr interessant, wie viele Menschen ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Vielen Dank an alle, die sich mitgeteilt haben. In meinem Leben ist es ein Angehöriger, der Lügen erzählt, um sich besser darzustellen. Ich verstehe, dass es aus einem mangelndem Selbstwert kommt und viel Leidensdruck verursacht. Wie kann man… Weiterlesen »
ich weis nicbg ab wann es zur krankheit gehört aber ich lüge auch die ganze zeit ohne es zu wollen ich war 2 monate „clean“ aber es hat wieder angefangen und das macht mich fertig. ich streite deswegen an dauernd mit meinen eltern und unser verhältnis verschlechtert sich immer mehr.… Weiterlesen »
Das tut uns leid, magst du es mal hier versuchen? https://www.nummergegenkummer.de/ Alles Gute für dich!
Versuche mit deinen Eltern zu reden. Sei ehrlich zu ihnen und sag, wie sehr es dich selbst belastet und das du Hilfe von ihnen brauchst, damit ihr als Familie nicht mehr darunter leiden müsst. Ich wäre so froh, wenn meine Tochter sich das eingestehen und zu uns kommen würde, damit… Weiterlesen »
Ich finde es total klasse, dass Du Dir dieses Problem selber eingestehst. Ich meine das ernsthaft, und bewundere Dich sehr dafür. Ich habe eine Schwester die solche Probleme hat, ich würde mir wünschen, wenn sie es sich eingesteht und Hilfe annehmen würde. Ich denke, dass deine Familie das ähnlich sieht.… Weiterlesen »