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Coronavirus
Welche Werte zu Corona wichtig sind – und was sie aussagen
Fast schon Routine: Die Fallzahlen des Tages checken. Doch für ein komplettes Bild der Corona-Lage brauchst du weitere Werte – diese hier.
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Artikel Abschnitt: Was sagen die absoluten Fallzahlen aus?
Was sagen die absoluten Fallzahlen aus?
Die absoluten Zahlen geben eine Orientierung, wo wir gerade in der Pandemie stehen. Aber sie haben auch ihre Tücken.
Die Zahlen schwanken im Wochenverlauf, was auch daran liegt, dass viele Fälle nachgemeldet werden. Das Robert-Koch-Institut (RKI) mahnt zum Beispiel, dass es vor allem seit Herbst zu sehr unterschiedlichen Meldeintervallen kommt. Im Mittel ist die Zeit, die zwischen dem Erkrankungsbeginn und der Meldung beim RKI verstreicht, von fünf auf sechs bis sechseinhalb Tage gestiegen. Kommt es zu Verzögerungen, wodurch an einem Tag besonders wenige Fälle gemeldet werden, folgt oft am Tag danach eine deutlich höhere Zahl an neu gemeldeten Fällen. Die enthält aber besonders viele Nachmeldungen. Auch der Vermerk, dass am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter ans RKI melden, hilft bei der Einordnung nur wenig. Der Vergleich der absoluten Zahlen mit den Meldungen des Vortages ist also nur bedingt aussagekräftig.
Außerdem hängt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen von der Zahl der Getesteten ab. Zum Beginn der Pandemie im Frühjahr wurde nur wenig getestet und es wurden weniger Fälle erfasst. Ein Beispiel: Bis Mitte März waren es weniger als 130.000 Tests pro Woche, bis Ende Oktober ist die Zahl der wöchentlichen Tests auf mehr als 1,5 Millionen gestiegen. Die Zahlen aus dem Herbst lassen sich also nicht mit denen im Frühjahr vergleichen.
Politische Entscheidungen haben Einfluss auf die Zahlen
Aber nicht nur die Zahl der Tests beeinflusst die Anzahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen. Auch politische Entscheidungen spielen eine Rolle. Zum Beispiel wenn sie Veränderungen an der Teststrategie nach sich ziehen. So wurde im Spätsommer beschlossen, vermehrt Reiserückkehrer zu testen. Dadurch wurden viele Menschen ohne Symptome getestet. Das half zwar, auch mal die zu erfassen, die asymptomatisch erkrankt waren und sonst nicht aufgefallen wären. Führte aber auch dazu, dass der Anteil der positiven Tests an der Gesamtzahl der Testungen sank.
Seit dem 5. November 2020 gibt es wieder eine neue Teststrategie. Der Grund: Die Labore kommen mit dem Testen nicht hinterher, die Kapazitäten werden knapp. Nach Angaben des RKI sei es nicht möglich, über den Herbst und den Winter alle Personen mit Symptomen wie nur Schnupfen oder Halsschmerzen auf Corona zu testen. Galt für einige Monate die Devise: Testen, Testen, Testen, um möglichst viele Infektionen aufzudecken und Infektionsketten zu unterbrechen, heißt es nun, dass das Testen nicht mehr der Erfassung aller Covid-19-Fälle in Deutschland diene. Nun gebe es diese Ziele:
- Fälle mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf rechtzeitig erkennen und therapieren
- Erkrankungen bei Kontaktpersonen zu Risikopersonen und -gruppen früh identifizieren und eine Ansteckung verhindern
- Ausbrüche verhindern oder zumindest früh erkennen und eindämmen
- Erkrankte, die sich viel in sogenannten Clustern bewegen, also regelmäßig mit größeren Personengruppen Kontakt haben, früh erkennen und einer weiteren Verbreitung durch sie vorbeugen
Sollten die Fallzahlen in den kommenden Wochen zurückgehen, könnte ein Grund dafür auch die veränderte Teststrategie sein.
Der Epidemiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig sagt, dass die Fallzahlen zwar einen Anhaltspunkt zum Infektionsgeschehen bieten. Er bemängelt aber, dass "die Zahl der Infizierten allein nicht genug darüber aussagt, wie viele Menschen wie schwer erkranken, also wie stark wir wirklich betroffen sind."
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Artikel Abschnitt: Was besagt der Inzidenzwert?
Was besagt der Inzidenzwert?
Wie aussagekräftig ist der Inzidenzwert?
Auch der Inzidenzwert orientiert sich an den absoluten Zahlen. Um zu erfassen, wie viele Menschen schwer erkrankt sind oder schwer erkranken werden, ist er nicht geeignet.
Das Leibniz-Zentrum für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI) behandelte im Oktober 2020 diesen Wert in der "Unstatistik des Monats". Eine hohe Sieben-Tage-Inzidenz zeige zwar, wie viele Menschen sich infiziert haben. Daraus würden dann Rückschlüsse auf das Gesundheitssystem gezogen. Aber die Inzidenz, kritisieren die Wissenschaftler "ermöglicht […] keinen Blick auf das Gesamtgeschehen".
Mehr zum Inzidenzwert und seiner Obergrenze erfährst du hier.
Artikel Abschnitt: Was bedeutet die Positivrate?
Was bedeutet die Positivrate?
Artikel Abschnitt: Wie sinnvoll ist der Blick auf die Todesfälle?
Wie sinnvoll ist der Blick auf die Todesfälle?
In der "Unstatistik des Monats" verweisen die RWI-Wissenschaftler darauf, dass auch der Anteil der Verstorbenen an den zuvor positiv Getesteten eine Rolle spiele. Infektionssterblichkeit nennt sich dieser Parameter. Zwar steigen die Neuinfektionen stark an, der Anteil der Verstorbenen sei aber niedriger als im Frühjahr – in allen Altersgruppen. Zurückzuführen sei das möglicherweise darauf, das sich Mediziner inzwischen etwas besser mit der Behandlung auskennen. Sie hätten beispielsweise gelernt, dass "die vorschnelle Beatmung von Corona-Patienten in zahlreichen Fällen wohl zum Tod geführt haben dürfte."
Verschiedene Erklärungen, wie unterschiedliche Todesraten zustande kommen, findest du hier.
Artikel Abschnitt: Was besagt der R-Wert?
Was besagt der R-Wert?
Stabiler ist es laut SMC, das prozentuale Wachstum zur Vorwoche abzubilden. Als einigermaßen stabil wird das prozentuale Wachstum über sieben Tage angesehen.
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Nicht verwechseln: R ist nicht R0
Die Basisreproduktionszahl ist keine festgelegte Zahl: Verschiedene Institute und Behörden nennen unterschiedliche Werte oder Spannbreiten:
- Robert-Koch-Institut: 2 – 3,3
- Weltgesundheitsorganisation: 1,4 – 2,5
- Centers for Disease Control and Prevention: 2,79
Sobald Maßnahmen greifen, verändert sich der Wert und heißt ab dann effektive Reproduktionszahl (R-Wert). Die effektive Reproduktionszahl variiert je nach Maßnahmen und je nachdem, wie viel Kontakt zwischen den Leuten besteht.
Artikel Abschnitt: Was besagt die Zahl der belegten Intensivbetten?
Was besagt die Zahl der belegten Intensivbetten?
Zwar ist die Zahl der Betten nicht das größte Problem. Dass es zu wenig medizinisches Personal gibt, ist viel problematischer. Dennoch lassen sich aus der Belegung der Betten Schlüsse ziehen: Sind viele Betten belegt, brauchen wir genug Personal – und da wird es aktuell eng.
Es reicht nicht, nur auf die aktuelle Auslastung zu schauen
Im Fall der Auslastung der Intensivstationen, egal ob wir uns die Zahl der Betten oder die Personalkapazitäten anschauen, reicht es nicht, die aktuelle Situation zu betrachten. Selbst wenn wir den absoluten Anstieg der Infektionen sofort stoppen würden, würde die Auslastung der Intensivstationen wohl noch weiter steigen. Der Grund: Von der Ansteckung bis zu einem Verlauf, der intensivmedizinische Betreuung erfordert, vergeht einige Zeit – teilweise sind das mehrere Wochen.
In seinem Corona-Report von Anfang November schreibt das SMC, dass es sinnvoll sei, das Wachstum der gemeldeten Fälle in den Risikogruppen zu betrachten. Anhand dieses Anstiegs könne man berechnen, ob die Bettenkapazitäten in den kommenden Wochen ausreichend seien. Das prozentuale Wachstum der vergangenen Tage und Wochen könnte ein Anhaltspunkt sein, um die Situation schon abschätzen zu können. "Wir dürfen nicht warten, bis viele Patienten auf den Intensivstationen sind", meint auch Epidemiologe Gérard Krause.
Artikel Abschnitt: Wie wichtig ist die Altersverteilung?
Wie wichtig ist die Altersverteilung?
Artikel Abschnitt: Was besagt die Verdopplungszahl?
Was besagt die Verdopplungszahl?
Die Verdopplungszeit kann sich von Quelle zu Quelle unterscheiden – bedingt durch Schwankungen, die etwa durch Meldeverzögerungen entstehen. Die Zahl ist ein Marker, anhand dessen Maßnahmen eingeführt oder gelockert werden. Denn die Verdopplungszeit gibt Hinweise darauf, wann wie viele Menschen noch krank werden und möglicherweise ins Krankenhaus müssen. Verdoppelt sich die Zahl der Infizierten zu schnell, ist das ein Warnsignal für eine möglicherweise drohende Überlastung des Gesundheitssystems.
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Mir ist folgender Absatz nicht ganz klar: „Denn R kann auch unter 1 liegen, also: Ein Infizierter steckt im Schnitt weniger als eine Person an – und trotzdem kann die Zahl der Neuinfektionen steigen. Denn: Sind viele Menschen infiziert, geben trotzdem noch viele das Virus weiter.“ Könnt ihr das bitte… Weiterlesen »
Was genau ist dir nicht klar?
Bei einem R-Wert kleiner als 1 sinkt doch per Definition die Anzahl der Neuinfektionen. Wie soll sich das ändern in dem Fall, dass anfangs „viele Menschen infiziert“ sind?
Habt ihr hier noch eine Erklärung, wie die Neuinfektionen laut eurem Artikel trotz R<1 noch steigen können?
Wenn R < 1, dann steigen die Infektionen weiter an, aber die Zahl der NEUinfektionen sinkt. Gestern 10, heute 9, morgen 8. Die Zahl der Infizierten steigt weiter (10, 19, 27 …), aber irgendwann ist die Dynamik gebrochen und die Zahl der Genesenen ist höher als die Zahl der Neuinfektionen.… Weiterlesen »
Eine mgl Erklärung ist, dass die ermittelten Fallzahlen, aus denen dann auch der R-Wert berechnet wird, die tatsächliche Verbreitung des Virus‘ nicht repräsentativ widerspiegeln. Dann ist auch der R-Wert, der als Verhältnis aus zeitlich versetzten Zeitmittelwerten von Fallzahlen berechnet wird, nicht besonders aussagekräftig. Und dann ist auch die Interpretation, dass… Weiterlesen »
Eine super Übersicht! Den Abschnitt über die Aussagekraft des Inzidenzwerts fand ich besonders gut. Schade, dass unsere Politiker das wenig zu interessieren scheint. Ich höre jedenfalls immer nur: „Wir müssen unter 50! Vorher geht gar nix!“ Kann aber auch d’ran liegen, dass ich in Bayern wohne und es da noch… Weiterlesen »
Beim Abschnitt über den Inzidenzwert fehlen leider die wichtigsten Argumente. Die Zahl ist maßgeblich von der Zahl der Tests abhängig. Wenn gar nicht getestet wird, ist der Inzidenzwert logischerweise bei 0. Wird ausnahmslos jeder Bürger regelmäßig getestet, ist der Inzidenzwert ein Abbild der tatsächlichen Infektionen. Testen wir aber „irgendwas dazwischen“,… Weiterlesen »
Yip, so isses leider.
„Das Bundesverfassungsgericht wird es einkassieren, aber bis dahin müssen wir mit diesem InfSchG wohl leben.“ Das ist nahezu ausgeschlossen. Es wird sicher Präzisierungen fordern und die Richtung festlegen oder eine Auslegung bestimmen die unmittelbar anwendbares Recht ist, das war es aber auch. Die Richtung bleibt – und das ist auch… Weiterlesen »