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Corona
Führt Luftverschmutzung zu mehr Todesfällen beim Coronavirus?
Das Coronavirus trifft manche Regionen besonders hart – darunter Wuhan, den Norden Italiens und einige Städte der USA. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Luftverschmutzung mit Todesfällen zusammenhängt.
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Artikel Abschnitt: Darum geht's:
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Orte mit dreckiger Luft sind besonders betroffen
Italien meldet im Zusammenhang mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 besonders viele Todesfälle. Der aktuelle Anteil der Verstorbenen an allen gemeldeten und bestätigten Infektionen ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern (und selbst zu China) mehr als doppelt so hoch.
Die großen, regionalen Unterschiede schon in China machten hellhörig, schließlich verzeichnete die Region Hubei eine sechsmal höhere Sterblichkeitsrate als die übrigen chinesischen Provinzen. Ähnliches gilt auch für den Norden Italiens, wo mehr als die Hälfte aller Covid-19-Fälle gemeldet wurde.
Mehrere Wissenschaftler haben unabhängig voneinander Daten zusammengetragen, die auf einen Zusammenhang mit der Luftverschmutzung hindeuten. Was ist dran an der These?
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Angeblich soll Feinstaub das Virus transportieren
Für die nördliche Region Italiens liegen die Werte für PM10-Feinstaub mit oft mehr als 75 Mikrogramm pro Kubikmeter deutlich über den europäischen Grenzwerten und denen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese Grenzwerte sollen gesundheitliche Schäden eigentlich ausschließen. Auch Feinstaub mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer (PM2.5) ist dort in der Luft besonders hoch konzentriert.
Was Feinstaub ist und wie er der Gesundheit schadet. Mehr dazu …
Ein sogenanntes Positionspapier dreier italienischer Institute hat die Luftverschmutzungsdaten eines bestimmten Zeitraums mit der Ausbreitung des Virus verglichen (dafür wurde die Inkubationszeit von 14 Tagen eingerechnet).
Auch Wissenschaftler aus Deutschland und den USA zeigen in ihren Arbeiten ähnliche Zusammenhänge auf. Sie sehen ebenfalls einen Zusammenhang mit Feinstaub oder Stickstoffdioxid, das unter anderem bei Autoabgasen entsteht und hierzulande ein Faktor für die Diesel-Fahrverbote ist.
Die Wissenschaftler sehen für mehrere europäische Länder oder die USA, dass die Luftqualität entscheidend sein könnte. Schon kleine Anstiege an den untersuchten Abgasen könnte einen Einfluss auf den Verlauf der Lungenerkrankung COVID-19 haben.
Was wir über Langzeitschäden wissen. Mehr dazu …
Italienische Forscher halten Feinstaub für Transportvehikel der Viren
Zwischen dem 10. und 29. Februar wurden die Grenzwerte von 50 Mikrogramm Feinstaub (PM2.5 und PM10) mehrfach überschritten und den Forschern zufolge zeigte sich bis zu 14 Tage darauf ein deutlicher Anstieg in der Ausbreitung. Die Hypothese der Forscher lautet: Der Feinstaub trägt zur Verbreitung der Viren bei. Sie sprechen von einer Art “Autobahn für Viren“. Warum dieses Muster in anderen Ländern mit ebenso hoher Luftverschmutzung nicht zu sehen ist, erklären die Wissenschaftler jedoch nicht.
Die von ihnen genannte theoretische Verbreitungsmöglichkeit ist allerdings vermutlich kein Hirngespinst. Ähnliches veröffentlichten Wissenschaftler zuvor bereits im renommierten Fachjournal Nature. Unklar ist allerdings, ob die Viren auf den Feinstaubpartikeln infektiös sind und ob sie es auch über einen längeren Zeitraum bleiben.
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Feinstaub ist nur einer vor vielen Faktoren
Wissenschaftliche Arbeiten, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Feinstaubbelastung und Covid-19 herstellen, gibt es noch nicht. Womöglich könnte eine andere Erklärung als die der italienischer Forscher zutreffender sein:
Bisherige Studien zeigen, welchen Effekt Feinstaub und andere Arten der Luftverschmutzung auf die Häufigkeit von Krankenhausbehandlungen und Todesfällen hat – und dabei spielen klinische Symptome von Covid-19 eine wichtige Rolle.
Weniger Feinstaub bedeutet weniger Todesfälle
Die Mehrzahl der Studien sieht einen Zusammenhang zwischen Feinstaub und Lungenentzündungen. Sowohl kurz- als auch langfristige Anstiege der Feinstaubbelastung führen demnach zu mehr Fällen, die im Krankenhaus behandelt werden.
Genauso kann eine höhere Konzentration an Feinstaub beeinflussen, wie schwer die Krankheit verläuft und ob sie letztlich tödlich endet. Egal ob in Kanada oder den USA, in Italien oder China – solch übereinstimmende Ergebnisse gibt es aus allen Ländern.
Luftverschmutzung könnte eher zu schweren Verläufen führen
Besonders konkret wird es bei einer Studie, die vor Jahren zum Virus SARS-CoV durchgeführt wurde, welches sich Anfang der 2000er-Jahre in Asien verbreitet hat. Im Vergleich zu Regionen mit geringer Luftverschmutzung lag das Sterblichkeitsrisiko in Regionen mit moderater Luftverschmutzung um 86 Prozent höher, bei hoher Luftverschmutzung war das Risiko doppelt so hoch.
Das Level der Luftverschmutzung wurde dabei am sogenannten Air Quality Index gemessen, bei dem selbst ein moderates Level die Grenzwerte schon teilweise um das Doppelte übersteigt.
Feinstaub und Viren sind eine schlechte Kombination
Experimentelle Studien an Mäusen deuten darauf hin, dass virale Infektionen im Zusammenhang mit höheren Feinstaubwerten anfangs das Immunsystem unterdrücken und nach circa einer Woche deutlich erhöhte Entzündungswerte auftreten. Das Immunsystem wird durch diese Kombination durcheinandergebracht.
Es ist also denkbar, dass die langfristige Luftverschmutzung beispielsweise in der Lombardei Grundvoraussetzungen dafür schafft, dass Herz und Lunge der (älteren) Bevölkerung bereits vorbelastet sind und neue Virusinfektionen den Krankheitsverlauf verschlechtern.
Erkranken wegen Feinstaub auch Gesunde an COVID-19?
Ähnlich sehen es auch die aktuellen Studien aus Deutschland und den USA. Die Wissenschaftler meinen, dass eine schlechtere Luftqualität als Indikator dienen könnte, wie häufig es zu schweren Verläufen kommt. Möglicherweise könnte das auch erklären, warum es bei ansonsten jungen, gesunden Leuten zu schweren Verläufen kommt.
Lokale Daten können hier bessere Ergebnisse erzeugen, denn über das ganze Land gerechnet ist die Luftverschmutzung in Deutschland höher als in Italien, Lungenentzündungen treten im Schnitt ebenfalls häufiger auf. Die Luftverschmutzung scheint daher nicht allein schuld zu sein.
Andere Faktoren spielen auch eine Rolle
Die meisten bisherigen Studien zeigen allerdings auch, dass Lungenentzündungen und Atemwegsprobleme bei Kindern durch Feinstaub zunehmen. Bei Covid-19 sind Kinder allerdings besonders selten betroffen bzw. sie zeigen besonders selten Erkrankungssymptome.
Einige Studien sehen auch keinen Zusammenhang zwischen Feinstaub und Erkrankung. Das ist nicht verwunderlich, sondern Teil der wissenschaftlichen Arbeit und hängt beispielsweise mit dem Studiendesign zusammen. Interessant ist, dass oftmals nicht gesondert beachtet wurde, ob es sich bei den Patienten um Raucher handelte. Rauchen gilt als wichtiger Risikofaktor für Atemwegsbeschwerden, wie sie auch bei Covid-19 vorkommen. Raucher erleiden weit häufiger eine Lungenentzündung als Nichtraucher. Ebenso haben Raucher ein höheres Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu leiden, – die wieder als wichtige und gefährliche Vorerkrankung für Covid-19 gelten. Die überwältigende Mehrheit der Todesfälle mit SARS-CoV-2 in Italien hat laut Gesundheitsministerium eine bis drei Komorbiditäten gehabt.
Für die Verbreitung und Versorgung sind andere Gründe wichtiger
Ohne wirklich wissenschaftliche Untersuchungen bleiben derzeit zu viele Faktoren unberücksichtigt. Gerade das Zusammenspiel könnte ausschlaggebend sein: In Norditalien ist die Bevölkerung besonders alt, ein großer Teil gesundheitlich vorbelastet, der soziale Umgang ist ein anderer, möglicherweise hat selbst die Begrüßung einen Effekt darauf, wie schnell sich die Krankheit verbreitet hat. Außerdem leben viel mehr ältere Menschen noch im Familienverbund – und zuletzt feierten noch Tausende Fußballanhänger gemeinsam den Fußballsieg der norditalienischen Stadt Bergamo.
Ebenso wichtig werden sowohl die Kapazität als auch das Management der Intensivbetten gewesen sein. Die Ausstattung der Krankenhäuser in Italien ist im Schnitt schlechter als in anderen europäischen Ländern, möglicherweise auch die Basishygiene. Auch vergangene Grippewellen haben die Kliniken extrem belastet. Analysen der ersten Epidemiewochen in Italien zeigen, dass schon zuvor mehr als 80 Prozent der Intensivbetten belegt waren. Sehr schnell haben die zusätzlichen Fälle die Kapazität überschritten.
All diese Faktoren sind wichtig – aber kein einziger wird ganz allein den Unterschied machen. Das zeigt sich anhand der anderen Länder: Beispielsweise ist auch die Bevölkerung in Japan sehr alt, in China und Wuhan ist die Luftqualität schlecht, in Frankreich ist die Zahl der Intensivbetten pro 100.000 Einwohner ähnlich niedrig. Zusammengenommen werden alle Risikofaktoren aber zu einem Problem. Wie groß der Anteil jedes einzelnen Faktors ist, lässt sich äußerst schwer berechnen.
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Und jetzt?
Forscher brauchen mehr Daten
Bisher gibt es viele Theorien, Hypothesen und vorläufige Ergebnisse, mit denen sich Wissenschaftler den Risikofaktoren und Eigenschaften des neuen Coronavirus annähern. Je mehr sie über das Virus erfahren, desto bessere Maßnahmen zur Behandlung und Prävention lassen sich während der pandemischen Situation und auch in Zukunft bei ähnlichen Viruserkrankungen treffen.
Menschen profitieren trotzdem von sauberer Luft
Die Feinstaub- oder Stickstoffdioxidbelastung zu reduzieren, da ist sich die Wissenschaft einig, wird die Gesundheit der Menschen in jedem Fall verbessern – es kommt zu weniger Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zu den größten Gesundheitslasten weltweit zählen.
Vorläufige Berechnungen deuten etwa für das chinesische Wuhan an, dass die bedeutend bessere Luftqualität während der Quarantäne möglicherweise bis zu 70.000 Todesfälle verhindert haben könnte. Ob das zutrifft und wie andere Faktoren während der Isolation die Gesundheit positiv oder negativ beeinflusst haben, das wird sich erst in einigen Monaten zeigen.
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„dafür wurde die Inkubationszeit von 14 Tagen eingerechnet“ Sie meinen sicher die Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen! Oder? Denn diese liegt zw. 2-14 Tagen, mit einer asymmetrischen Verteilung und damit im Mittel bei 5-6 Tagen. „Genauso kann eine höhere Konzentration an Feinstaub beeinflussen, wie schwer die Krankheit verläuft und… Weiterlesen »
Vielen Dank für diesen Beitrag! Hoffentlich wird dieser Aspekt von der Politik hier in Deutschland endlich zur Kenntnis genommen,. Korrelation zwischen Feinstaub und Ausbreitung von Covid 19 ist nicht nur aus Italien bekannt wie Sie schreiben. siehe folgende Studie aus China im preprint https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.04.09.20049924v1.full.pdf man beachte hier insbesondere die beeindruckend… Weiterlesen »
Danke für den phantastischen Artikel! Es stimmt, dass die meisten Covid-19-Fälle in Gegenden zu verzeichnen sind, die eine starke Feinstaubbelastung haben, z.B. NRW mit den allermeisten Stein- und Kohlekraftwerken sowie Schwerölkraftwerken – im Vergleich zu Mecklenburg-Vorpommern, wo es nur ein modernes Kohlekraftwerk gibt. Dort waren allerdings die Zahlen für Grippetote… Weiterlesen »
Andrea Meixner Bist a gescheites Mäderl, schau dir bitte den Link an. https://www.youtube.com/watch?v=08HkP8fIhTU
Intermittierender Filter 1min.
Bitte auch die Erklärung zum Film lesen! 3min.
Sehr guter Artikel mit vielen Fakten mit Quellenangaben und ohne Schuldzuweisungen.
Ich kann mich den Meinungen hier anschließen, dass der Artikel gut recherchiert und lesenswert ist! Es sind allerdings einige Rechtschreibfehler im Text zu finden. Vielleicht kann man da ja nochmal prüfen und nachträglich korrigieren 😉 Hier ein Beispiel: „Außerdem leben viel mehr ältere Menschen noch im Familienverbun – und zuletzt… Weiterlesen »
Danke für den Hinweis, wir schauen nochmal drauf.