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Mahlzeiten
Darum sollten wir häufiger gemeinsam essen
Fast Food, Essen "to go“, Stress – immer seltener bleibt Zeit, um miteinander zu essen. Dabei haben gemeinsame Mahlzeiten viele Vorteile.
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Wir essen immer mehr unter Zeitdruck und nebenbei
Lebensmittel zu teilen, zeigt an, wer zu derselben sozialen Gruppe gehört. Zusammen zu essen kann verbinden und den Austausch fördern. Es kann aber auch Rangfolgen festlegen: Wer bekommt die größte Portion, wer darf sich zuerst bedienen?
In den letzten Jahrzehnten hat sich unser Essverhalten stark gewandelt. Zeit ist für viele Menschen ein knappes Gut geworden, und das Angebot an Fast Food und Essen “to go” wird immer größer. Wir essen häufig unter Zeitdruck und nebenbei, am Schreibtisch oder in der Bahn. Entgeht uns dabei etwas? Wie wichtig ist es für uns noch, gemeinsam zu essen?
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Darum müssen wir drüber sprechen:
Gemeinsames Essen tut uns gut
Gemeinsame Mahlzeiten unterstützen auch die Sprache und die psychologische Entwicklung. Wichtig dabei ist aber nicht nur das Essen an sich: Die Familienmitglieder erleben die gemeinsam verbrachte Essenszeit besonders positiv, wenn sie gute und aufmerksame Gespräche dabei führen. In Familien, in denen die gemeinsamen Mahlzeiten wichtig, positiv und strukturiert sind, treten weniger Essstörungen auf.
Sitzt man nur gemeinsam vor dem Fernseher, steigt hingegen sogar das Risiko für Übergewicht. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass vor dem Fernseher “nebenbei” gegessen wird: Wer nicht bewusst isst, isst oft zu viel.
Gemeinsam Essen ist nicht das Allheilmittel
In Familien, die oft gemeinsam essen, beobachten Forscher also eine Reihe positiver Effekte. Aber die gemeinsamen Mahlzeiten müssen nicht zwangsläufig der einzige Grund dafür sein: Korrelation ist nicht Kausalität.
Die amerikanischen Wissenschaftlerinnen Kelly Musick und Ann Meier haben festgestellt, dass eine gute Eltern-Kind-Beziehung, gemeinsame Familienaktivitäten und der sozioökonomische Status – also Bildung, Beruf, Besitz und kulturelle Aktivitäten – einen genauso großen Einfluss auf Faktoren wie Übergewicht, Depressionen oder Essstörungen haben. Forscher sehen daher inzwischen die Familienmahlzeiten ein Stück weit als Symptom für ein allgemein funktionierendes Familienleben und gute Lebensumstände. Aber was ist dabei das Huhn und was das Ei?
Gemeinsame Mahlzeiten in freundlicher Atmosphäre können sicherlich die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander verbessern. Wahrscheinlich haben Familien, die viel zusammen essen, ohnehin ein recht gutes Verhältnis und gemeinsame Familienrituale und nehmen sich Zeit füreinander.
Also: Wenn sonst nichts stimmt, kann gemeinsames Essen allein die Situation wohl auch nicht retten. Aber generell sind gemeinsame Mahlzeiten ein schönes und positives Ritual, das viel zu einem guten Miteinander beitragen kann.
So essen wir richtig zusammen
Experten empfehlen, auf einige Faktoren zu achten, um ein gemeinsames Essen zu einem gelungenen zu machen:
- Man sollte sich genügend Zeit für die Mahlzeit lassen und eine positive und angenehme Atmosphäre am Tisch schaffen.
- Eltern sollten gesundes Essen vorleben und gesunde hochwertige Nahrungsmittel bereitstellen.
- Der Fernseher bleibt am besten aus.
- Und das Essen wird gemeinsam vorbereitet. Dieses gemeinsame Kochen oder Vorbereiten hilft Kindern, Lebensmittel und den Aufwand des Kochens besser wahrzunehmen und wertzuschätzen. Und es verstärkt positiv - ein gekochtes Essen ist eine gemeinsam bewältigte Aufgabe. Nicht umsonst gibt es eine große Nachfrage nach Kochschulen und Kochkursen, sei es mit der Familie oder mit den Arbeitskollegen.
Essen mit Kollegen macht sozialer
Auch außerhalb von Familien kann es positive Effekte haben, gemeinsam zu essen. Speisen Arbeitskollegen gemeinsam, verhalten sie sich weniger dominant oder unterwürfig zueinander. Sie nehmen Hierarchien weniger stark wahr und fühlen sich nach gemeinsamen Essenspausen entspannter und glücklicher.
Studien haben aber auch gezeigt, dass nach einer gemeinsamen Mahlzeit die kognitive Kontrolle leidet – wir sind weniger konzentriert. Gleichzeitig bemerken wir Fehler schlechter und beurteilen sie weniger hart. Zusätzlich bemerken wir schneller schlechte Stimmung bei anderen.
Was für eine Aufgabe, bei der man sehr konzentriert und genau arbeiten muss, ein Nachteil ist, ist für soziale Situationen vorteilhaft: Das gemeinsam verbrachte Essen macht uns für eine Weile toleranter und empathischer. Am besten nimmt man sich also direkt nach einer gemeinsamen Pause nichts extrem Komplexes vor, sondern eher etwas, bei dem Interaktion und Empathie gefragt sind.
Generell gilt: Wer zusammen isst, kommt sich näher. Diesen Effekt kann man durchaus positiv nutzen, zum Beispiel bei Geschäftsessen oder Staatsbanketten. Und natürlich auch bei Dates.
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In guter Gesellschaft essen wir mehr
Die Freunde treffen ein, füllen ihre Teller und fangen an zu essen. Die Stimmung ist gut, manche haben sich länger nicht gesehen und man hat sich viel zu erzählen. Während einer spricht, hören die anderen zu und werfen hin und wieder etwas ein. Einer sagt: ”Mann, bin ich vollgegessen!” Daraufhin ein anderer: ”Ist doch Susannes Geburtstag, da macht es doch nix, uns allen geht es doch so.” Alle lachen, und dann bringt Susanne auch noch Nachtisch. Erst greift einer zu, dann alle. “Na, wenn du noch was nimmst …” Am Ende haben alle deutlich mehr verspeist, als wenn sie allein zu Hause gegessen hätten.
Je länger wir zusammensitzen, desto mehr essen wir
Jeder von uns kennt diese Situation. Auch wissenschaftlich ist sie belegt: Studien haben gezeigt, dass die Menge an Essen, die man zu sich nimmt, mit der Größe der Gruppe wächst, vor allem aber mit der Zeitdauer, die man am Tisch verbringt. Woran liegt das?
Je größer die Gruppe, desto mehr Speisen werden serviert oder bestellt. Die Menge ist dabei nicht proportional zur Personenzahl, sondern steigt stärker an. In unserem Beispiel möchte Susanne eine gute Gastgeberin sein, kann die Menge aber schlechter kalkulieren und kocht deshalb mehr als reichlich. Bei einem großen Angebot nimmt man sich instinktiv mehr auf den Teller. In der Regel essen wir unsere Teller dann auch leer, aus Höflichkeit, Erziehung oder weil unser evolutionäres Ich vorschlägt, für die möglicherweise kommende Hungerzeit vorzusorgen, solange Gelegenheit ist.
In größeren Gruppen, die nicht wild durcheinanderreden, hat man üblicherweise auch viel Zeit, den anderen zuzuhören und dabei immer weiterzuessen. Ein Treffen einer großen Gruppe ist außerdem etwas Besonderes: Es kommt die Stimmung eines Festgelages auf, und oft ist es ja auch ein festlicher Anlass. In diesem Zusammenhang wird das “über den Hunger essen” dann nicht nur gesellschaftlich akzeptiert, sondern sogar gegenseitig verstärkt: Wenn es alle machen, kann es ja nicht völlig falsch sein, und man möchte ja auch den Anlass oder den Koch gebührend würdigen. Wir nutzen eine solche Situation unbewusst als Entschuldigung, um viel zu essen, wie es uns biologisch eigentlich entspricht.
Wichtig: der Wohlfühlfaktor
Diese Effekte sind wiederholt gezeigt worden. Wichtig ist aber dabei: So läuft es nur in Gruppen, in denen wir uns wohlfühlen. Wollen wir die Gruppe beeindrucken, essen wir nicht mehr, wir wollen schließlich nicht verfressen wirken.
Gemeinsames Essen mit lieben Menschen verführt uns also dazu, viel zu essen. Andererseits sind Susanne und ihre Freunde nach dem gemeinsamen Abend zwar vollgegessen, aber sicher auch glücklich und sozial noch enger verbunden.
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Bewussteres und gemeinsames Essen kann nur gut sein
Ja, viele von uns haben Stress und können sich nicht so oft die Zeit zum Essen nehmen, wie sie möchten. Einige haben auch lieber ihre Ruhe beim Essen. All das ist verständlich und okay. Aber all dem zum Trotz entdecken immer mehr Menschen das bewusste Essen neu. Das geht bei der Auswahl der Lebensmittel los und endet mit der Nahrungsaufnahme an sich, sei es allein oder in Gesellschaft.
Und ist “Food Porn” – das Zeigen seiner Mahlzeit in sozialen Medien – nicht auch irgendwie eine Form von gemeinsamem Essen? Gemeinsames Essen verführt zwar unter Umständen dazu, mehr zu essen. Wenn man sich dessen aber bewusst ist und verantwortungsvoll isst, macht die Zeit, die man mit Menschen verbringt, die einem etwas bedeuten, dieses Risiko allemal wett.
In diesem Sinne: guten Appetit!
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Ich finde den Artikel sehr ausgewogen und gut recherchiert. Menschen brauchen Aufmerksamkeit und Nähe, das gilt gerade für Kinder. Das gemeinsam zubereitete Abendbrot kann, wenn die Eltern dabei eine entspannte und zugewandte Atmosphäre schaffen, Kinder wohl helfen, sich gut zu entwickeln. Zu der Corona-Situation: Bei dem Vermeiden von sozialen Kontakten… Weiterlesen »
Gerade jetzt im Sommer wenn die Sonne früher aufsteht, das gemeinsame Frühstück bei Sonnenschein. Man wird früher wach, hat morgens mehr Zeit, und kann anschließend ganz in Ruhe zur Schule bzw. Arbeit, wenn da nicht die Zeitumstellung ist, jene uns morgens jeden Tag eine Stunde nimmt und das schöne Ritual… Weiterlesen »
Ich habe eben einen Kommentar gesendet ohne Name
Genau das ist doch was vielen Familien fehlt.Die Lebensmittel zu besorgrn ist zur Zeit schon etwas anders aber ich gehe noch immer zum Hofladen meines Vertrauens und dann sollen unbedingt alle Familienangehörige mir beim Zubereiten und dabei schon besprechen was machen wir für den nächsten Tag ,So bin ich das… Weiterlesen »
Das ist die beste Empfehlung in dieser Zeit! Sind alle Ratschläge und Warnungen des RKI und aller Experten an der Redaktion vorbeigegangen? Ganz ehrlich: Der Redakteur gehört doch eigentlich entlassen. Er oder sie haben von ihrer Arbeit und der Welt anscheinend keine Ahnung oder wollen einfach nur provozieren! Die Aussage:… Weiterlesen »
Warum sollte die Pandemie relevant sein? Sie ändert nichts an der Richtigkeit der Aussagen.
Da bin ich ganz ihrer Meinung.Warum sind den in Italien und Spanien so viele infiziert?Weil alle schön am Abendbrotstisch sitzen und sich gegenseitig anhusten.Echt Bombe der Beitrag.Dümmer geht nicht mehr.
Und dann liest man dies zwei Jahre später und denkt sich: Was ein schöner Artikel! Schade, dass andere hieran nur ihren Frust abgebaut haben.
Vielen Dank! ?