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Geburten
Kaiserschnitte: Darum gibt es so viele
In Deutschland entbindet jede dritte Frau per Kaiserschnitt. Warum diese Zahl so hoch ist – und wie sie sich senken lässt
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Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
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Die Anzahl der Kaiserschnitte in Deutschland ist überdurchschnittlich hoch
Während 1991 noch 15 Prozent der Frauen in Deutschland ihr Kind mit einer Sectio, so heißt der Kaiserschnitt in der medizinischen Fachsprache, zur Welt brachten, waren es 2011 mehr als doppelt so viele. Seitdem hat sich der Wert bei rund dreißig Prozent eingependelt. "Die Sectio-Rate ist in Deutschland unnötig hoch", sagt Dr. Patricia Van de Vondel, Chefärztin der Frauenklinik am Krankenhaus Porz am Rhein in Köln gegenüber dem Science Media Center (SMC).
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Große Unterschiede in den Bundesländern
Innerhalb Deutschlands gibt es allerdings relativ große Unterschiede bei der Kaiserschnitt-Quote. Während in Sachen 2022 "nur" rund 26 Prozent der Entbindungen ein Kaiserschnitt waren, sind es in Hamburg über 36 Prozent.
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Falsche Gründe für den Kaiserschnitt
Demnach ist die Kaiserschnittquote in Deutschland mindestens doppelt so hoch wie empfohlen. Doch warum führen Ärztinnen und Ärzte so viele Eingriffe durch? Das hat viele verschiedene Gründe.
Zum einen gibt es Frauen, die Angst vor einer natürlichen Geburt haben und sich deswegen eine Sectio wünschen. Zum anderen gibt es mehrere Probleme und Fehlanreize in Kliniken, die Mediziner:innen und Geburtshelfer:innen dazu bringen, vorschnell einen Kaiserschnitt einzuleiten. Das hat eine Analyse des SMC ergeben, für die die wissenschaftsjournalistische Einrichtung Studien und Expertenaussagen ausgewertet hat.
- Personalmangel: Eine natürliche Geburt kann sich stunden- oder sogar tagelang hinziehen. So lange müssen die werdenden Mütter betreut werden. Laut dem SMC mangelt es in Kliniken jedoch an Hebammen, die das leisten können. Ein Kaiserschnitt bindet hingegen weniger Personal.
- Organisatorische Gründe: Kliniken können Kaiserschnitte besser planen als natürliche Geburten. Die Eingriffe finden zu einem bestimmten Zeitpunkt statt und verlaufen schneller. Das Krankenhaus kann sich so um mehr Geburten in kürzerer Zeit kümmern.
- Finanzieller Fehlanreiz: Krankenkassen vergüten einen Kaiserschnitt höher als eine vaginale Geburt. Zwar sind Operationen grundsätzlich eher teuer für die Klinik, dafür kann sie das Personal bei dem Eingriff effizienter einsetzen. In der Summe ist eine Sectio daher profitabler für das Krankenhaus als eine natürliche Geburt.
- Mangelnde Erfahrung der Geburtshelfer:innen: "Ein Grund für die hohe Sectio-Rate in Deutschland ist meiner Meinung nach die mangelnde Ausbildung", sagt Chefärztin Van de Vondel. Laut SMC ist die Angst der Geburtshelfer:innen, Komplikationen falsch einzuschätzen und Fehler zu machen, einer der wichtigsten Gründe für einen Kaiserschnitt. Und: Je mehr Kaiserschnitte die Klinik durchführt, desto weniger natürliche Entbindungen erleben die Geburtshelfer:innen und desto weniger Erfahrung können sie sammeln.
- Angst vor juristischen Auseinandersetzungen: "Auch der juristische Druck ist eine Ursache für die hohe Rate", so Van de Vondel. Im Gegensatz zu anderen Medizinbereichen gibt es in der Geburtshilfe viele verschiedene Risiken – etwa, dass es dem Baby bei der Geburt an Sauerstoff mangelt und es bleibende Schäden davonträgt. Dann kommt es vor, dass die Eltern die Mediziner:innen und Geburtshelfer:innen verklagen. Ist der Prozess erfolgreich, kann der Fall für die Klinik sehr teuer werden und ihren Ruf schädigen. Ein Kaiserschnitt ist im Vergleich zu anderen Operationen ein relativ sicheres Verfahren. Direkte Schäden bei Mutter und Kind sind sehr selten.
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Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Kaiserschnitte haben Nachteile für Mutter und Kind
"Auch für das Kind hat der Kaiserschnitt Nachteile", sagt Prof. Ulrich Thome, Leiter der Abteilung Neugeborenen-Medizin (Neonatologie) am Universitätsklinikum Leipzig gegenüber dem SMC. "Die Anpassung an die Luftatmung ist häufig verzögert, sodass Kinder nach dem Kaiserschnitt häufiger als vaginal geborene Kinder wegen Atemstörungen in die Kinderklinik müssen."
Wertvolle Bakterien
Ein weiterer Punkt: Das Baby kommt bei dem Eingriff nicht mit den Bakterien im Geburtskanal der Mutter in Kontakt. "Das Mikrobiom per Kaiserschnitt geborener Kinder unterscheidet sich auch nach Jahren noch von dem vaginal geborener Kinder", sagt Thome. Das sei mit einem höheren Risiko für Übergewicht und Allergien verbunden.
"Nicht zuletzt haben Studien ergeben, dass der Aufbau einer guten Stillbeziehung und einer guten Mutter-Kind-Bindung nach vaginaler Geburt einfacher ist", so der Mediziner. Das Stillen gelinge nach einer natürlichen Geburt häufig besser als nach einem Kaiserschnitt.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Manche Frauen sind auf den Kaiserschnitt angewiesen
Das Problem: Nicht immer lässt sich eindeutig erkennen, ob der Kaiserschnitt wirklich notwendig ist. Ein typisches Beispiel ist die sogenannte Beckenendlage. Dabei zeigt vor der Geburt nicht der Kopf, sondern das Gesäß des Kindes nach unten. Bei dieser Geburtsposition gab es bisher keine genauen Vorgaben für Ärzte. Um möglichen Gefahren zu entgehen, ziehen viele Mediziner:innen in solchen Fällen den Kaiserschnitt vor.
Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Neue Leitlinie gibt Ärztinnen und Ärzten Empfehlungen zum Kaiserschnitt
Liegt das Kind beispielsweise in Beckenendlage, rät die Leitlinie davon ab, sofort einen Kaiserschnitt zu veranlassen. Wenn das Baby gleichzeitig den Nacken beugt, die Plazenta gesund ist und es genügend Fruchtwasser gibt, kann die Frau natürlich entbinden. Die Schwangere sollte sich dafür an eine Klinik wenden, die Erfahrungen mit natürlichen Geburten in dieser Position hat.
Notwendige Kaiserschnitte
Zeigen Mutter oder Kind Anzeichen für eine Entzündung oder schlägt das Herz des Babys nicht im richtigen Rhythmus, ist hingegen ein Kaiserschnitt angebracht. Das Gleiche gilt für Schwangere, deren Plazenta zu tief sitzt. Die Leitlinie empfiehlt außerdem, dass Ärztinnen und Ärzte jene Frauen besser beraten, die Angst vor der natürlichen Geburt haben und sich einen Kaiserschnitt wünschen. Die Mediziner:innen sollten verständlich erklären, wie der Eingriff abläuft und welche kurz- und langfristigen Risiken dabei entstehen.
Die Verfasser:innen schlagen zudem vor, bei Kaiserschnitten den sogenannten Robson-Score zu verwenden. Dabei teilen Mediziner:innen die Frauen in zehn Gruppen ein – je nachdem, ob sie beispielsweise bereits einen Kaiserschnitt hatten, Mehrlinge erwarten und in welcher Geburtsposition sich das Kind befindet. Bei einigen Gruppen ist eine Sectio medizinisch notwendig, bei anderen eher nicht. So lassen sich die Eingriffe in den Kliniken einfacher vergleichen und überwachen.
Leitlinie hat noch Lücken
Einige Fachleute kritisieren jedoch einzelne Punkte der neuen Leitlinie. "An manchen Stellen ist davon die Rede, dass sich die Frau in einer 'geeigneten‘ Geburtsklinik vorstellen sollte. An anderen Stellen spricht die Leitlinie von 'entsprechender technischen Ausstattung‘ und 'Fachpersonal‘", sagt Neugeborenen-Mediziner Thome. "Leider wird nicht genauer erklärt, was damit gemeint ist." Auch Chefärztin Van de Vondel sieht noch Lücken: "Ich vermisse die Forderung nach besserer Ausbildung und besserer Organisation der geburtshilflichen Abteilungen".
Trotzdem gibt die neue Leitlinie Ärztinnen und Ärzten eine bessere Orientierung – und könnte so dabei helfen, die Kaiserschnittrate langfristig zu senken.
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die Kaufmännische Krankenkasse ist die KKH und nicht die KHH
Sachen ist Sachsen mit einer Kaiserschnittrate von 26%
Ich finde es wirklich beschämend, dass als erster Grund für eine hohe Kaiserschnittrate die Angst der Frauen vor einer natürlichen Geburt genannt wird. Weltweit beträgt der geschätzte Anteil an elektiven Kaiserschnitten nur 3,6 Prozent – mehrere Studien zeigen, dass die Zahl in Deutschland nur 2-3 % der Kaiserschnitte beträgt. Ich… Weiterlesen »
Unsere Wunschtochter KS mit anschliessender Tubensteri.Wollt ihr den Frauen die Geburtsart auch noch vorschreiben?Hatte schon Probleme meine Steri mit KS zu bekommen.
Wir möchten überhaupt nichts vorschreiben. Wir klären hier über die – wie im Artikel erwähnt – auch laut Expert:innen sehr hohe Rate an Kaiserschnitten in Deutschland auf, die unter anderem auch auf Grund des Schnittes als kleine OP Nachteile für Mutter und Kind haben. Wir finden, das ist eine wichtige… Weiterlesen »
Weniger Kaiserschnitte dafür mehr Entbindungen mit Zange und Glocke – das ist kein Fortschritt, sondern Mittelalter. Auf die Frau und ihren Körper wird dabei keinerlei Rücksicht genommen, wenn sie anschliessend inkontinent ist: Pech gehabt. Ich hatte zwei Wunschkaiserschnitte, vor über 30 Jahren, Traumgeburten. Das war möglich dank meines emphatischen Arztes.… Weiterlesen »