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Umstrittener Weißmacher
Darum gehört Titandioxid nicht in Lebensmittel
Frankreich verbietet Titandioxid in Lebensmitteln. Der Weißmacher hat vor allem die Aufgabe, Lebensmittel hübsch zu machen. Studien zeigen: Titandioxid-Nanopartikel können Darmentzündungen verstärken.
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Frankreich verbietet Titandioxid
Es werde oft da eingesetzt, ʺwo Lebensmittel glänzender und frischer aussehen sollenʺ, sagt Heidrun Schubert, Ernährungsberaterin bei der Verbraucherzentrale Bayern. In Lebensmitteln wird der Zusatzstoff als E171 angegeben, in Kosmetika lautet die Bezeichnung für das weiße Pigment CI 77891.
In Frankreich darf Titandioxid ab 2020 nicht mehr in Lebensmitteln verwendet werden. Grundlage dafür ist eine Stellungnahme der französischen Agentur für Lebensmittelsicherheit ANSES, die zu dem Schluss kam, es mangele an wissenschaftlichen Daten für die Unbedenklichkeit von Titandioxid.
Deutschland stützt sich hingegen auf das Urteil der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA (European Food Safety Authority) und auf die Aussagen des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR).
Die Kernbotschaft lautet: Der Verzehr von E171 ist nicht gesundheitsschädlich. Beim BfR heißt es, dass allerdings weiterhin Forschungsbedarf bestehe und aktuell Studien laufen.
Auch in den Niederlanden wird ein Verbot diskutiert. Dass es innerhalb der EU verschiedene Bewertungen gibt, verunsichert Verbraucher.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Studien lassen Zweifel an Unbedenklichkeit aufkommen
Im Lebensmittelbereich dürfe Titandioxid bis zu 50 Prozent Nanopartikel aufweisen, während es für den Pharmabereich einen Spielraum von ein bis drei Prozent Nanopartikeln gibt. ʺDie Menge an potentieller Aufnahme von Nanopartikeln über die Nahrung ist offensichtlich wesentlich größerʺ, erklärt Rogler.
Titandioxid kann über den Verdauungstrakt, die Haut und die Atemwege aufgenommen werden. Die Auswirkungen der Nanomaterialien auf Mensch und Umwelt sind vielfach noch völlig unklar. ʺEs besteht deshalb nach wie vor dringender Forschungsbedarfʺ, sagt Ernährungsexpertin Heidrun Schubert.
Darmpatienten sind besonders gefährdet
Am Universitätsspital Zürich erforscht Gastroenterologe Rogler, welche Wirkung Nanopartikel aus Titandioxid auf unseren Darm haben. Die Ergebnisse der Forschung aus der Schweiz deuten auf ein Risiko für Patienten, die anfällig für Darmentzündungen sind, hin. ʺZwei Prozent der Bevölkerung haben das Risiko, eine Darmentzündung zu entwickelnʺ, sagt Rogler und ergänzt: ʺDa muss man dann politisch entscheiden, ob die Zahl hoch genug ist, damit man etwas unternimmt. Das Risiko an Masern zu erkranken, ist auch nicht hoch – dennoch diskutiert man aus guten Gründen eine Impfpflicht.ʺ
Zur Studie: Titandioxid-Nanopartikel können Darmentzündungen verstärken.
Roglers Forschung aus dem Jahr 2017 zeigt: Prallen Titandioxid-Nanopartikel direkt auf die Zellmembran, dann funktionieren sie wie kleine Geschosse, die die Membran durchdringen und Entzündungsvorgänge auslösen können. Diese Form von Reizung kann letztlich zur Entstehung von Tumoren führen. In einem weiteren Schritt verabreichten die Schweizer Wissenschaftler auch Mäusen Titandioxid-Nanopartikel. Auch bei den Mäusen konnten die Partikel ins Zellinnere vordringen, was zu einer Darmentzündung und zu einer größeren Schädigung der Darmschleimhaut führte. Zudem reicherten sich Titandioxid-Kristalle in der Milz der Tiere an.
Ratten-Studie: Nanopartikel gelangten ins Blut
Im Jahr 2017 hatten französische Forscher bei Ratten nachgewiesen, dass eine Einnahme von E171 Darmentzündungen hervorrufen kann und dem Immunsystem schadet. In den Versuchen wurde gezeigt, dass Titandioxid-Nanopartikel ins Blut gelangen könnten. Allerdings sei eine Übertragung der Ratten-Studie auf Menschen nicht ohne weiteres möglich. Es handele sich zuvorderst um eine Studie zur Gewinnung von wissenschaftlichen Daten, nicht um eine Risikoanalyse, so die französischen Forscher.
Zur Studie: Food additive E171: first findings of oral exposure to titanium dioxide nanoparticles.
Nicht nur die Aufnahme durch Lebensmittel gilt als problematisch: Wird Titandioxid eingeatmet, kann der Weißmacher gesundheitschädlich sein, etwa wenn durch Lacke Abrieb in die Luft gelangt. In solchen Fällen wird Titandioxid von der europäischen Chemikalienbehörde ECHA als ʺvermutlich krebserregendʺ eingestuft.
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Titandioxid kann auch Vorteile haben
Titandioxid-Mikropartikel stecken auch in einer besonderen Art von Sonnencreme, die oft als Sonnencreme für Kinder verkauft wird. In dieser befinden sich kleine, weiße Titandioxid-Partikelchen, die nicht in die Haut einziehen und die Sonne reflektieren. Deshalb schimmert die Haut bei der Verwendung solcher Cremes oft noch weiß. Die kleinen Teilchen auf der Haut wirken wie ein Sonnenschirm.
In Sonnenmilch für Erwachsene sind hingegen chemische Filter enthalten, die in die obere Hautschicht eindringen und die ultraviolette Strahlung der Sonne in Wärme umwandeln. Bei Sonnencremes greift die Pharmaregelung, wonach es nur einen Spielraum von ein bis drei Prozent an Nanopartikeln im verkauften Produkt geben darf. Titandioxid wirkt in einer Sonnencreme als physikalischer Filter – und hat so einen Vorteil gegenüber den chemischen UV-Filtern, die im Verdacht stehen, hormonell zu wirken.
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Und jetzt?
Datenlücken schließen, einheitliche Lösung für ganz Europa
Wer Probleme mit dem Darm hat und unter einer Darmentzündung leidet, der sollte ganz genau auf die Zutatenliste schauen und nach E171 Ausschau halten. Für diese Patienten gilt: am besten keine Titandioxid-Nanopartikel aus der Ernährung aufnehmen, so Gastroenterologe Gerhard Rogler.
Die französische Regierung hat sich entschieden, eine Minderheit der Bevölkerung vor einer potentiellen Gefahr zu schützen. Jetzt braucht es auch eine europaweite Regelung.
Autor: Andreas Sträter
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