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Verhütung
Darum gibt es noch (!) keine Pille für den Mann
Geht es um Verhütung liegt die Verantwortung bislang überwiegend in Frauenhand. Doch das könnte sich bald ändern.
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Darum geht’s:
Die schwierige und langwierige Suche nach der Pille für den Mann
Die Mehrheit der Männer ist offen für neue Methoden
Sicherlich sehen das einige Männer so. Aber in einer internationalen Umfrage des Berliner Zentrum für Epidemiologie und Gesundheitsforschung unter 9000 Männern, veröffentlicht im Jahr 2005, befürwortete die Mehrheit eine Pille für den Mann. Die Sache scheint also komplexer zu sein. Tatsächlich geistert das Thema immer wieder durch die Medien. Mal kommt sie. Dann wieder nicht. Warum also ist bei Männern so schwierig, was für Frauen seit Jahrzehnten selbstverständlich ist?
Es liegt zum einen an der unterschiedlichen Biologie. Prof. Michael Zitzmann, Androloge an der Uniklinik Münster sagt dazu: „Bei der Frau haben wir einen Zyklus und einmal im Monat muss der Eisprung unterbunden werden, wenn man die Pille für die Frau nimmt. Aber beim Mann muss die Spermienbildung kontinuierlich unterdrückt werden. Das muss die ganze Zeit über passieren.“
Zu viele Nebenwirkungen
Bis zu 100 Millionen Spermien produzieren Männer – pro Tag. Dass Verhütung für Männer trotzdem möglich ist, zeigt eine internationale Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die 2008 startete.
Auch Michael Zitzmann und sein Team waren beteiligt. „Als die WHO-Studie weltweit angefangen hat und wir hier eines der größten Zentren waren, war ich ziemlich sicher, dass das jetzt kurz vor der Markteinführung sein würde, dass dies die letzte Studie sein würde“, erinnert sich Zitzmann.
Die Forscher testeten ein Hormonpräparat, das nach einem ähnlichen Prinzip wirkt wie die Pille für die Frau. Es verhindert, dass sich Spermien in den Hoden bilden. 320 Paare in 8 Ländern nahmen an der Studie teil. Allerdings nahmen die Männer keine Pille im wörtlichen Sinne. Einmal im Monat bekamen sie das Verhütungsmittel per Spritze verabreicht. Tatsächlich sank die Spermienzahl bei allen Probanden. Die Wirkung war ähnlich zuverlässig wie die Pille für die Frau. Und knapp 90 Prozent der Männer vertrugen das Präparat gut. Trotzdem brach die WHO 2011 die Studie ab. Zitzmann: „Das Problem ist, dass ungefähr zehn Prozent Nebenwirkungen haben wie Stimmungsschwankungen, Libido-Verlust oder Niedergeschlagenheit bis hin zur Depressivität.“
Nebenwirkungen, die viele Frauen auch von der Pille kennen. Sind Männer empfindlicher? „Bei der Entwicklung von Medikamenten und insbesondere von Verhütungsmitteln haben sich die Regeln einfach geändert gegenüber den 60er Jahren und sind strenger geworden“, erklärt Zitzmann und ergänzt: „Es ist die Frage, ob unter den heutigen Bedingungen die Pille für die Frau, wie sie damals entwickelt wurde, zugelassen worden wäre. Das glaube ich nicht.“ Dass die Entwicklung der Pille für den Mann so lange dauert, liegt also nicht zuletzt auch an den strengeren Zulassungsregeln.
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Weltweit ist etwa die Hälfte aller Schwangerschaften ungeplant
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Drei (von sehr vielen) Ideen auf dem Weg zur Pille für den Mann.
Methode 1: Verhütung per Heilpflanze
In Indonesien kennen Einheimische schon lange die empfängnisverhütende Wirkung der Heilpflanze Justicia gendarussa. Laut indonesischer Wissenschaftler können Inhaltsstoffe der Pflanze verhindern, dass Spermien in die Eizelle eindringen. Studien liefen bislang ausschließlich in Indonesien. Dort soll das Verhütungsmittel auf Pflanzenbasis auch bald auf den Markt kommen.
Methode 2: Ein Gel in den Samenleiter
Eine ganz andere Idee kommt aus Indien. Bereits in den 1970er Jahren entwickelten Forscher dort die so genannte Risug-Methode. Sie injizieren ein Gel in die Samenleiter des Mannes. Dort härtet es an den Wänden des Samenleiters aus. Passieren Spermien auf ihrem Weg nach draußen das Gel, werden sie beschädigt – und können die Eizellen dann nicht mehr befruchten. In Indien wurde RISUG bereits erfolgreich in klinischen Studien an Männern getestet. Wann es auf den Markt kommt, ist allerdings unklar. Eine abgewandelte Form der Risug-Methode ist das so genannte Vasalgel, das derzeit in den USA getestet wird.
Methode 3: Die Spermienbildung hemmen
Die meisten Forscher setzen aber nach wie vor auf die hormonelle Methode. Vielversprechend ist ein Verhütungs-Gel, das ähnlich wie die Hormonspritze wirkt, die in der WHO-Studie eingesetzt wurde. Auch das Gel enthält Hormone, die verhindern, dass sich Spermien in den Hoden bilden. In einer ersten Studie haben sich Männer das Gel täglich auf Brust und Schultern gerieben. Nach etwa drei bis vier Monaten war die Zahl der Spermien so weit gesunken, dass sie praktisch unfruchtbar waren. Dr. Stephanie Page von der Universität von Washington in Seattle betont im Hinblick auf die Schwierigkeiten der früheren WHO-Studie: „Wir haben das Gel für sechs Monate an Männern getestet und bemerkenswert wenige Nebenwirkungen beobachtet.“
Die Pharmaindustrie muss noch überzeugt werden
In diesem Jahr startete eine internationale Studie mit dem Gel. 420 Paare in sieben Ländern sollen teilnehmen. Nach einer Eingewöhnungsphase, in der regelmäßig die Spermienproduktion kontrolliert wird, werden die Paare das Gel als einziges Verhütungsmittel für etwa zwölf Monate einsetzen.
Michael Sworen aus Seattle ist einer der ersten Teilnehmer. Seine Frau und er haben eine gemeinsame Tochter, sie soll vorerst kein Geschwisterchen bekommen. Bislang war seine Frau für die Verhütung zuständig. Sworen möchte das ändern: „Wir haben darüber gesprochen und dachten, dass es toll wäre, wenn Männer mehr Optionen hätten und ich ihr diese Last abnehmen könnte. Als wir von der Studie hörten, haben wir uns sofort gemeldet – und bislang läuft es super für uns.“ Die tägliche Anwendung ist für Sworen kein Problem. Das Gel einzureiben dauere nicht länger als Zähne putzen, erzählt er.
Verläuft die Studie erfolgreich, folgt eine weitere Studie, mit noch mehr Teilnehmern. Erst danach entscheidet sich, ob das Verhütungsgel zugelassen wird. Außerdem ist noch unklar, wie groß das Interesse der Pharmaindustrie ist, eine Pille für den Mann zu produzieren. Die Wissenschaftler sind zuversichtlich. Wenn sie mit ihren Studien erstmal bewiesen hätten, dass die Methode zuverlässig ist, wird sich schon ein Unternehmen finden, dass das Gel auf den Markt bringt, glauben sie.
Ob die Pille für den Mann kommt, ist also weiter unklar. Aber zumindest kommt sie näher.
Autor: Dirk Gilson
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Also ich bin absolut dafür, dass man auch Verhütungsmethoden für den Mann erweitert werden. Allerdings schützen diese nicht gegen Geschlechtskrankheiten und somit ist ein Kondom noch immer sinnvoll. Natürlich ist das in Beziehungen wohl eher kein Problem und eine Pille für den Mann durchaus sinnvoll. Dass die Pille damals trotz… Weiterlesen »
Der Argumentation, die Pille für den Mann hätte zu viele Nebenwirkungen, kann ich nicht teilen, ebenso wie das Argument, es würde nicht weiter geforscht, weil es schon so viele Methoden gibt. Leider hat die Pille auch für Frauen sehr viele Nebenwirkungen, die den Frauen zugemutet werden und die diese leider… Weiterlesen »
Das mag ja alles stimmen, aber wie wahrscheinlich wäre es, dass „Frau“ sich tatsächlich auf die „Pille“ oder Ähnliches für den Mann verlässt? Ich für meinen Teil, habe das lieber selber in der Hand (beim Kondom aber auch). Wenn ich die Pille nehme, habe ich selber die Kontrolle, dass dies… Weiterlesen »