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Schlafwandeln bei Kindern
Darum schlafen Kinder anders
Schlafwandeln und Nachtschreck – das kommt bei Kindern häufiger vor als bei Erwachsenen. Der Grund: Ihr Gehirn entwickelt sich noch.
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Das Kindergehirn schläft anders
Wir schlafen nicht die ganze Nacht tief und fest
Menschen durchlaufen während des nächtlichen Schlafs zwei unterschiedliche Schlafperioden: die REM- und die NREM-Phasen. REM steht für "Rapid Eye Movement" und bezeichnet das Phänomen, dass sich bei schlafenden Menschen hinter den geschlossenen Lidern die Augäpfel schnell hin- und herbewegen. Das ist die Phase des Traumschlafes. Dagegen ist in der NREM- oder Non-REM-Phase der gesamte Körper ruhig und befindet sich im Tiefschlaf.
Nach dem Einschlafen gleitet ein Mensch zügig in eine solche Tiefschlafphase und taucht erst nach etwa 1,5 Stunden wieder auf. In dieser Zeit des leichten Schlafes lassen wir uns besonders einfach wecken. Dann beginnt eine kurze Traumperiode in der REM-Phase, bis sich die nächste NREM-Phase anschließt. So wechseln in der Nacht Tiefschlaf- und Traumphasen ab, wobei mit fortschreitender Nacht die Tiefe und Dauer der NREM-Phasen abnimmt und die Länge der REM-Phasen zunimmt: Der Mensch schläft also gegen Morgen nicht mehr so fest.
Kinder schlafen anders
Bei Säuglingen und Kindern muss sich ein normaler Schlafzyklus erst entwickeln. Säuglinge schlafen auch tagsüber nach Bedarf, kleine Kinder halten Mittagsschlaf. Erst mit etwa drei bis fünf Jahren schlafen Kinder ausschließlich nachts. Aber selbst dann sind die typischen Schlafphasen noch nicht so stabil wie bei Erwachsenen. Besonders Kleinkinder wachen außerdem in der ersten Nachthälfte zwischen den REM- und NREM-Phasen immer wieder kurz auf.
Schlafstörungen (Parasomnien)
Als Parasomnie bezeichnet man Schlafphänomene, die während des Schlafes auftreten und die Schlafqualität beeinträchtigen. Zähneknirschen, nächtliches Einnässen oder auch Sprechen im Schlaf gehören dazu. Weitere Phänomene können einer der beiden Schlafphasen zugeordnet werden. Albträume etwa treten in der REM-Phase, also während des Träumens, auf. Unter Aufwachstörungen (Arousalstörungen) fasst man die sogenannten NREM-Schlaf-Parasomnien zusammen: Schlaftrunkenheit, Schlafwandeln und Nachtschreck. Besonders anfällig für solche Störungen sind Menschen bei den Übergangsphasen von einem ins nächste Schlafstadium.
Schlaftrunkenheit
In einem solchen Zustand befindet sich ein Mensch kurz nach dem Wecken oder spontanen Erwachen, wenn er nur unvollständig erwacht. Er weiß oft nicht, wo er sich befindet, und hat kein Zeitgefühl. Obwohl er wie wach aussieht, reagiert er nur langsam und zeitweise irrational auf äußere Reize. Nach etwa 15 Minuten ist der Spuk vorbei.
Schlafwandeln (Somnambulismus)
Beim Schlafwandeln schläft der Mensch tief. Das ist schwer zu begreifen, denn die Person führt komplexe Handlungen aus, geht zum Beispiel zum Kühlschrank, um etwas zu essen, oder setzt sich aufs Sofa und schaltet den Fernseher ein. Oft tritt Schlafwandeln im ersten Drittel der Nacht auf. Am nächsten Tag erinnert sich der Schlafwandler nicht an seinen nächtlichen Ausflug.
Etwa zehn bis 15 Prozent der Kinder im Alter von zehn Jahren schlafwandeln. Werden schlafwandelnde Menschen geweckt, sind sie orientierungslos und können sogar abwehrend bis aggressiv reagieren. Schlafwandeln tritt familiär gehäuft auf.
Nachtschreck (Pavor Nocturnus)
Bei dieser Schlafstörung schrecken Betroffene auf, weinen, wirken angsterfüllt, schreien und wehren sich gegen Festhalten oder Umarmungen. All dies geschieht, während der Mensch schläft. So fehlt ihm auch an dieses Phänomen am nächsten Tag jegliche Erinnerung.
Besonders häufig tritt der Nachtschreck bei Kleinkindern auf, und – wie beim Schlafwandeln – beobachten Forschende eine familiäre Häufung. Beim Nachtschreck handelt sich um eine NREM-Schlaf-Parasomnie. Das bedeutet, Betroffene träumen nicht und haben deshalb auch keine Albträume.
Im Alter von anderthalb Jahren zeigt etwa ein Drittel der Kinder hin und wieder einen Nachtschreck.
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Eltern sind verunsichert, wenn ihre Kinder schlafwandeln
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Es ist alles eine Frage der Reifung
Dafür entkoppelt das Gehirn etliche tagsüber interagierende Hirnzentren und schickt sie quasi in den Tiefschlaf. Eines dieser entkoppelten Zentren ist der Frontallappen, der über den Motorcortex kontrollierte Bewegungen ermöglicht. "Bei Kindern bilden sich viele Synapsen und es stabilisieren sich Verknüpfungen im Gehirn. Da wackelt diese Bremse manchmal etwas“, so Schneider. Die neuronalen Kontrollmechanismen, die für eine saubere Entkopplung sorgen, sind einfach noch nicht ausgereift genug. Die Folge ist, dass die motorischen Zentren in der Großhirnrinde (Neocortex) fälschlicherweise Befehle erhalten, während das Bewusstsein weiter abgekoppelt ist. Ein Teil des Gehirns schläft also tief und fest, ein anderer sorgt dafür, dass der Mensch aufsteht und scheinbar kontrolliert durch die Gegend läuft.
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So bringen Eltern ihr Kind gut durch die Nacht
Ruhe bewahren
Es ist eine aufregende und stressige Situation, sein Kind schreiend und scheinbar angsterfüllt vorzufinden. Ebenso ist es nervenaufreibend, wenn das Kind erneut in den Flur gepinkelt hat, weil der schlafende Körper davon ausging, auf dem Klo zu sein. Eltern sollten sich in einer solchen Situation daran erinnern, dass der kleine Mensch schläft und nichts von alldem mitbekommt. Das solle auch so bleiben, sagt die Schlafmedizinerin Barbara Schneider: "Wenn die Eltern das Kind wecken, wecken sie auch das Bewusstsein." Das Kind ist dann verwirrt und orientierungslos, denn seine letzte Erinnerung ist, dass es im Bett lag. Das bedeutet unnötigen Stress. Besser ist es, Ruhe zu bewahren, leise mit dem Kind zu reden und es ins Bett zurückzubringen. Meistens können die Eltern das Kind sogar umziehen, ohne es dabei aufzuwecken.
In der Regel fällt das Kind dann schnell wieder in einen ruhigen Schlaf. Zur Sicherheit können besorgte Eltern eine Zeit lang beim Kind bleiben und es beobachten.
Nicht drüber reden
Viele Eltern neigen dazu, die nächtlichen Eskapaden am nächsten Morgen zu thematisieren. Davon rät Barbara Schneider ab: "Viele Kinder machen sich Sorgen, wenn sie hören, was sie nachts getan haben." Denn sie können sich ja nicht daran erinnern und konnten es auch zu keinem Zeitpunkt selbst steuern. Das verunsichert die Kinder unter Umständen.
Andere fühlen sich wegen der Aufregung sogar schuldig. "Einige Kinder entwickeln dann Angst vor dem Schlafen. Unwissentlich produzieren Eltern so also das nächste Schlafproblem", sagt Schneider. Besser ist es, einfach nicht darüber zu reden, selbst wenn für die Eltern eine solche Nacht sicherlich anstrengend und nervenaufreibend war.
Fragen die Kinder aktiv nach, reicht es, kurz und ruhig zu erklären, dass alles in Ordnung war und ist.
Schlafhygiene
Schlafforschende fassen unter einer guten Schlafhygiene Dinge zusammen, die dazu beitragen, den Schlaf stabil und ruhig zu gestalten. Dazu gehört Banales wie regelmäßige Bettzeiten, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Abendliche Rituale erleichtern es kleinen Kindern, sich auf den bevorstehenden Schlaf einzustellen: nach dem Abendessen noch ein ruhiges Spiel, Umziehen, Zähneputzen und dann im Bett noch eine Geschichte. So helfen Eltern ihren Kindern, abends zur Ruhe zu kommen.
Aufregende Fernsehsendungen oder ausgiebige körperliche Bewegung kurz vor der Schlafenszeit sind wenig hilfreich. Besser: "Zu einer guten Schlafhygiene gehört auch, dass die Kinder sich tagsüber draußen ausreichend bewegen", betont Schlafmedizinerin Schneider. Dann falle es dem Körper leichter, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden. "Licht ist unser größter Rhythmusgeber", so Schneider. Werden Licht und körperliche Aktivität weniger, stellt sich auch der Körper auf das nahende Ende des Tages ein.
Einige Kinder erzählen abends vom Tag. Dabei fallen ihnen manchmal Dinge ein, die sie aufregen oder beschäftigen, wenn es etwa im Kindergarten Streit mit der besten Freundin gab oder in der Schule der Lehrer geschimpft hat. "Solche klassischen Sorgen nehmen Kinder häufig mit in die Träume und in den Schlaf – und das triggert Parasomnien“, sagt Barabara Schneider. Ihr Tipp: "Packen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind diese Sorgen in eine kleine Schachtel, verschließen Sie sie und packen zur Sicherheit noch ein dickes Buch darauf." Ihre ausgeprägte Fantasie erlaube es den Kindern oft, die Erlebnisse auf diese Art für die Nacht zu verbannen.
Umgebung sicher gestalten
Auch wenn die meisten Situationen ungefährlich sind, lauern bei den nächtlichen Ausflügen hier und da Gefahren. "Die schlafwandlerische Sicherheit, von der immer gesprochen wird, gibt es leider nicht“, sagt Barbara Schneider. Da die Kinder teils hochkomplexe Bewegungen ausführen, sind auch Türklinken und Fenstergriffe kein Hindernis. Gleichzeitig sind diese Bewegungen jedoch unbewusst, sodass Schlafwandelnde eine Gefahr nicht einschätzen können. Deshalb ist es wichtig, die Umgebung entsprechend zu sichern, etwa durch Treppengitter. Fenster lassen sich für die Nacht so verriegeln, dass sie nicht komplett geöffnet werden können. Dann können auch Eltern beruhigt schlafen.
Bei Unsicherheit: Kinderärzt:innen befragen
Treten die Phänomene wie kindliches Schlafwandeln oder Nachtschreck in einer ungewöhnlichen Häufung auf, sind Eltern oftmals verunsichert. Dann sollten sie sich unbedingt medizinischen Rat und Hilfe holen. So können dann andere krankhafte Ursachen für die Schlafstörungen ausgeschlossen werden.
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