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Medizinische Innovation
Phagen: Eine neue Waffe gegen Infektionen?
Gezielte Therapien mit Viren, die Bakterien angreifen, könnten bei Infektionen helfen. Aber kommen sie für die breite Anwendung infrage?
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Phagen könnten helfen, wenn andere Therapien fehlschlagen
In letzter Zeit steigt das Interesse an Bakteriophagen in der Wissenschaft und Medizin. Aber was sind Phagen? Einfach gesagt sind sie Viren, die Bakterien angreifen und zerstören können. Das macht sie zu Kandidaten für Therapien bei verschiedensten Bakterieninfektionen, von entzündeten Wunden bis zur Blasenentzündung.
Sie bieten eine ganze Menge hilfreiche Eigenschaften: Sie sind oft stark auf bestimmte Bakterien spezialisiert und töten nicht auch noch die „guten“ Bakterien ab. In den Bakterien, die sie befallen, können sie sich vermehren und so im Körper ausbreiten – aber eben nur, solange noch genau diese Sorte Bakterien vorhanden ist.
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Deswegen ist die Hoffnung in der Wissenschaft auch groß, dass Bakteriophagen vor allem dann helfen können, wenn Antibiotika nicht funktionieren. Das World Economic Forum kürte künstlich hergestellte „Designer Phages“ sogar zu einer der Top 10 der aufsteigenden Technologien 2023 und unterstrich damit das Potenzial der Phagen in der Medizin.
Alte Idee wird neu erforscht
So ganz neu ist diese Idee gar nicht. Schon vor 100 Jahren gab es Forschung zu Phagentherapien – die allerdings in Deutschland und anderen westlichen Ländern relativ schnell wieder verschwand. Vermutlich war daran unter anderem die Einführung der Antibiotika in den 1940er Jahren schuld. Außerdem konnte man mit den damaligen Mitteln gar nicht so genau herausfinden, was Bakteriophagen überhaupt sind, und sie schwieriger herstellen.
In Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde aber weiter geforscht und die Phagen klinisch genutzt. In Deutschland ist die Behandlung mit Phagen zurzeit nicht zulässig, mit ein paar Ausnahmen. Im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin und wenigen anderen Standorten werden Phagentherapien gegen Atemwegsinfektionen oder infizierte Wunden eingesetzt. Das sind dann allerdings Einzelfälle, bei denen keine anderen Therapien helfen, sogenannte „individuelle Behandlungsversuche“.
Artikel Abschnitt: Darum sollten wir drüber sprechen:
Darum sollten wir drüber sprechen:
Antibiotika sind immer öfter wirkungslos
Sind sie gegen mehrere Antibiotika abgehärtet, spricht man von multiresistenten Erregern. Mit solchen Bakterien infizieren sich Schätzungen zufolge jährlich fast 55.000 Menschen in Deutschland. Europaweit gehen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) von über 670.000 Infektionen pro Jahr aus, etwa 33.000 Menschen sterben in direkter Folge.
Ein großes Problem bei der Sache ist: Es lohnt sich für Pharmaunternehmen kaum, in Antibiotika-Forschung zu investieren und neue Produkte auf den Markt zu bringen, die zumindest zeitweise wirksam gegen ansonsten resistente Bakterien sein könnten. Hier könnten Bakteriophagen ansetzen.
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Auch Phagen haben Nachteile
Sollen die Phagen auch systemisch, also allgemein zur Behandlung von Infektionen, genutzt werden, stellt sich einer ihrer größten Vorteile gleichzeitig als Nachteil heraus: die Spezifität. Da die Bakteriophagen nur ganz bestimmte Bakterienstämme befallen, muss vor der Behandlung klar sein, welche Erreger die Infektion hervorrufen. Das lässt sich aber teils gar nicht so genau oder so schnell herausfinden.
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Infektionen mit Antibiotika und Phagen behandeln
Anders als bei den Antibiotika sollten Resistenzen aber keine so große Hürde sein, obwohl die Bakterien auch gegen die Viren recht schnell immun werden. Denn es gibt eine so große Vielfalt an Phagen, dass man wohl immer neue gegen jeden Bakterienstamm finden kann. Zudem konnten Forschende bereits Phagen genetisch so verändern, dass sie die Resistenz der Bakterien unterdrücken.
Denkbar wäre es, in der Behandlung gleich beide Methoden zu nutzen: Antibiotika und Phagen. Denn Bakterien haben offenbar Schwierigkeiten, sich gleichzeitig an Antibiotika und Phagen anzupassen, sagt Julia Frunzke: „Wenn man Bakterien einem hohen Phagendruck aussetzt, entwickeln sich auch hier Resistenzen gegenüber Phageninfektionen – dies aber häufig auf Kosten von Virulenzfaktoren oder Oberflächenveränderungen, die dann wieder eine Antibiotikatherapie möglich machen.“
Dafür wären allerdings noch einige Studien nötig, denn Julia Frunzke und ihre Kolleg*innen fanden heraus, dass bestimmte Antibiotika die Wirkung der Phagen auf die Bakterien hemmen und damit die gemeinsame Arbeit sozusagen zunichtemachen können. Mit mehr Forschung könnte man Antibiotika und Bakteriophagen sinnvoll kombinieren, um den bestmöglichen Effekt zu erzielen.
Vorläufig gibt es keine solide Studienlage zu den Phagen. In einer Übersichtsarbeit, die in diesem Jahr veröffentlicht wurde, beschreiben amerikanische Fachleute die Ergebnisse als entweder widersprüchlich oder nicht eindeutig. Und auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung (TAB) beim Deutschen Bundestag bemängelt, die wissenschaftliche Evidenz basiere bisher vor allem auf erfolgreichen Fallberichten, nicht auf gut angelegten Studien.
Das sei in Deutschland und der EU vor allem den derzeitigen Richtlinien und Verordnungen geschuldet. In seinem Bericht fordert das TAB deshalb „eine Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen hin zu größerer Passgenauigkeit und Flexibilität, eine umfassendere Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie ggf. die Schaffung wirtschaftlicher Anreizstrukturen“.
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Und jetzt?
Vorerst für gezielte Anwendungen testen
So könnten die behandelnden Ärzt:innen notwendige Erfahrungen sammeln. Zusätzlich unterstreichen sie die Wichtigkeit einer gezielten Vernetzung und Finanzierung sowie der translationalen Forschung (über verschiedene Wissenschaftsbereiche hinweg).
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„Bei diesen Patienten ist die Lunge häufig mit Erregern besiedelt, die zu einer weiteren Schädigung der Lunge führen.“ Da diese Patienten häufig Antibiotika erhielten, bildeten sich bei ihnen resistente Bakterien, die mit herkömmlichen Mitteln nur ganz schwer zu behandeln seien.
Unklare Ergebnisse bremsen Phagenforschung
Allerdings kann die Auswahl der Erkrankungen, an denen Phagentherapien getestet werden, ausschlaggebend für ihren Erfolg sein. Alexander Harms, Assistenzprofessor für Molekulare Phagenbiologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hält einen Fokus auf besonders schwerwiegende Krankheitsbilder für riskant und nicht ratsam.
Der Grund: Unklare oder umstrittene Ergebnisse der Behandlungen seien ein Hauptgrund dafür, dass Phagentherapien im Westen spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts wieder aufgegeben wurden. Seiner Meinung nach eignen sich eher Patient:innen mit Infektionen an für die Behandlung gut zugänglichen Stellen, die relativ häufig sind und bei denen keine akute Lebensgefahr besteht. „Ich denke hierbei zum Beispiel an Infektionen des Gehörgangs oder der Blase, die auch in der Vergangenheit gelegentlich in Studien zur Phagentherapie als Modell gewählt worden sind.“
Genetisch veränderte Phagen spannend für Forschung
So auch in einer Schweizer Studie aus 2023: Hier nutzten Forschende verschiedene Phagen, um Bakterieninfektionen der Harnwege im Urin nachzuweisen. Sie koppelten dazu ein leuchtendes „Reportergen“ an die Phagen.
Die Viren können auf diese Weise nicht nur zur eigentlichen Therapie genutzt werden, sondern auch für eine Vorhersage, wie gut bestimmte Phagenarten gegen bestimmte Bakterienstämme funktionieren: Leuchtet der Urin, können sich die eingesetzten Phagen in den Bakterien vermehren und sie letztendlich bekämpfen. So wissen die behandelnden Ärzt*innen, welche Phagen sie den Patienten verabreichen müssen.
Entscheidend werden genetisch veränderte Phagen auch in der Therapie selbst sein, sagt Alexander Harms. „So können zum Beispiel attraktive Eigenschaften mehrerer Phagen wie ein breites Wirtsspektrum und gute Haltbarkeit miteinander kombiniert werden.“ Von den medizinischen Eigenschaften abgesehen seien die genetisch veränderten Viren auch für kommerzielle Anwendung interessanter, weil sie patentierbar sind. Noch seien genetisch veränderte Phagen jedoch durch die rechtliche Situation benachteiligt.
Belgien als Vorbild für Phagentherapie
Nun muss also diskutiert werden, wie neue oder veränderte Gesetze die Forschung an Phagen und ihre Anwendung vereinfachen könnten. Das TAB schlägt dazu mehr Ausnahmeregelungen für besondere Bedarfsfälle vor. Dabei könnte Belgien als Vorbild dienen: Dort dürfen Apotheken individuelle Phagentherapien mischen, wenn ein Arzt oder eine Ärztin das verordnet.
Alexander Harms und andere Fachleute sehen in einer Anpassung an die belgischen Regeln allerdings bestenfalls als Übergangslösung, bis ein EU- oder europaweiter Weg gefunden sei. „Langfristig würde ein Flickenteppich aus diversen rechtlichen Rahmenbedingungen in Europa die klinische Erprobung und Anwendung sowie die Kommerzialisierung von Phagenzubereitungen auf jeden Fall behindern.“
Das Fazit: Phagentherapien sind eine vielversprechende Behandlungsmethode. Bis zur Anwendung in der klinischen Praxis müssen aber noch rechtliche und methodische Hürden genommen werden. Und selbst dann werden sie wohl eher bei gezielten Infektionen mit Antibiotika-resistenten Bakterien eingesetzt werden anstatt als Standard-Therapie für die Bevölkerung.
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Quellenangaben zum Artikel:
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Die Aussage, dass die Phagentherapie in Deutschland nicht zugelasssen ist, ist irreführend. Richtig ist, dass Therapien, auch mit noch unerprobtem Arzneimitteln, in Deutschland gar nicht zulassungspflichtig sind. Jeder Aporhtker darf auch in Deutschland – genau wie in Belgien – Arzneimittel auf Rezept selbst herstellen, ohne dafür eine Genehmigung zu benötigen.… Weiterlesen »
Eine detailliertere Darstellung des Sachverhaltes rund um Phagen: https://www.phagen.info
Können Sie sagen, aus welchen Quellen ChatGPT die Informationen bezieht?
Guter Artikel, nur diese Schreibweise mit dem „*innen“ nervt. Bitte unsere offizielle Rechtschreibung beachten.
Wozu gibt es KI?
Ich bin enttäuscht.