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Ausrasten - kann mir das auch passieren?
Auf einmal die Kontrolle verlieren, jemanden anschreien oder sogar zuschlagen. Was führt dazu, dass Menschen plötzlich aggressiv werden?
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Aufgestaute Frustration
Wer plötzlich angeschrien wird, kann sich das nur selten erklären. Aus gutem Grund, denn in vielen Fällen haben Ausraster sehr wenig mit der betroffenen Person zu tun. Zwar können auch einzelne Ereignisse der Auslöser sein – meistens sind es aber viele kleine Ärgernisse, die sich in jemandem aufgestaut haben. Kommt dann ein weiterer kleiner Anlass dazu, explodiert die aufgestaute Frustration. Und das häufig gegenüber einer Person, die mit den vorherigen Situationen gar nichts zu tun hatte.
In der Aggressionsforschung werden solche Ereignisse mit der Frustrations-Aggressions-Hypothese bestätigt. Sie besagt: Je mehr Frustration jemand erlebt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für eine aggressive Reaktion. Trotzdem rasten nicht alle Menschen gleich schnell aus. Verschiedene Faktoren können dazu beitragen, wie schnell wir in frustrierenden Momenten die Kontrolle verlieren.
Genetische Voraussetzungen
Wie wir mit unseren Gefühlen umgehen, hängt von vielen Faktoren ab. Das Gen Monoamon-Oxidase A, kurz MAO-A, wird in der Forschung mit aggressivem Verhalten in Verbindung gebracht. Es wird vermutet, dass Menschen, die eine schwächere Ausprägung von diesem Gen haben, eher zu aggressivem Verhalten neigen.
Aber: Wie leicht jemand ausrastet, kann auf keinen Fall allein über die Genetik beantwortet werden. Die Fähigkeit, mit Frustrationen umzugehen, wird in den meisten Fällen in der Kindheit erlernt. Dabei spielt es eine große Rolle, dass Eltern ihren Kindern hilfreiche Strategien zur Gefühlsregulation vermitteln: Zum Beispiel indem sie nach frustrierenden Situationen zuerst einmal Abstand nehmen und dann später in einem ruhigen Moment über ihren Ärger sprechen.
Und auch unsere Umgebung spielt eine große Rolle. Wird Alkohol getrunken, ist aggressives Verhalten wahrscheinlicher. Wenn Menschen sehr häufig ausrasten, kann auch eine psychische Erkrankung wie beispielsweise eine bipolare Störung oder eine Depression der Auslöser sein.
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Hormone und gesellschaftliche Erwartungen
Häufig steht Testosteron im Verdacht, vor allem Männer aggressiver zu machen – dieser Zusammenhang ist aber inzwischen widerlegt. Eine größere Rolle spielen die gesellschaftlichen Erwartungen an Menschen verschiedener Geschlechter. So wird von Frauen häufiger erwartet, dass sie auf Frustrationen zurückhaltender reagieren, Wut wird eher als “typisch männliche” Emotion akzeptiert.
Eine Studie zu diesem Thema zeigte, dass computergenerierte Gesichter mit wütendem Gesichtsausdruck eher als männlich eingestuft wurden, während bei ängstlichen und glücklichen Gesichtern eher eine Frau vermutet wurde.
Anders mit Gefühlen umgehen
Menschen, die tendenziell schneller ausrasten, haben statistisch gesehen mehr Unfälle im Straßenverkehr. Aber auch zwischenmenschliche Beziehungen leiden unter dem Kontrollverlust. Regelmäßig angeschrien oder sogar geschlagen zu werden, kann sehr belastend oder sogar traumatisierend sein. Die gute Nachricht ist – einen besseren Umgang mit Frustration kann man lernen, auch im Erwachsenenalter. Laut Aggressionsforscherin Barbara Krahé kann es dabei helfen, bis zehn zu zählen, um so schnell wie möglich gedanklich Abstand vom Ärger zu nehmen.
Es kann aber auch helfen, gegensätzliche Gefühle zu aktivieren, indem zum Beispiel bewusst an eine schöne Erinnerung gedacht wird. Wichtig ist auch, die Gründe für das eigene aggressive Verhalten in einem ruhigen Moment zu hinterfragen. Rumschreien, auf einen Boxsack einschlagen und den Frust “einfach rauslassen”, hilft hingegen auf längere Sicht nicht. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass der Ausraster als Ventil für unsere Emotionen sich kurz gut anfühlen mag – uns aber auf längere Sicht sogar noch aggressiver macht.
DIE MACHER:INNEN
Sebastian Sonntag ist leidenschaftlicher Radiomoderator und Quarks-Daily-Host.
Theresa Gunkel arbeitet als freie Journalistin und beschäftigt sich bei Quarks intensiv mit den Themen Alltagsbewältigung und Psychologie.
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