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Quarks Daily Spezial
Risiko - darum sollten wir es mehr lieben
Tagtäglich müssen wir viele Entscheidungen fällen. Kleine, aber auch große: Soll ich heiraten? Kinder kriegen? Den Tannenbaum mit echten Kerzen schmücken? Oder besser mit einer Lichterkette? Und hinter jeder Entscheidung steht ein echtes – oder gefühltes – Risiko.
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Was ist ein Risiko überhaupt?
Ein Risiko ist das Gegenteil von Sicherheit. Wenn man es mathematisch ausdrückt, dann ist ein Risiko schlicht das Produkt aus der Größe des Schadens und der Wahrscheinlichkeit seines Eintretens. Multipliziert man diese beiden Werte – also Schadenshöhe mit der Eintrittswahrscheinlichkeit – dann hat man das Risiko.
Wir urteilen oft nach Gefühl
Bei komplexeren Entscheidungen ist aber kaum jemand in der Lage, das korrekte Ausmaß und die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Handlung tatsächlich zu berechnen. Es fehlen Informationen zu einer Entscheidung und oft auch die Erfahrung, sodass man Chancen und Gefahren tatsächlich nicht richtig gegeneinander abwägen kann. Das Risiko einer Handlung bleibt daher für die meisten von uns oft unkalkulierbar und wir urteilen eher nach Gefühl.
Wider besseres Wissen
Manchmal passiert das sogar wider besseres Wissen: So sind nach den Anschlägen vom 11. September viele US-Bürger:innen zunächst nicht mehr geflogen und stattdessen mit dem Auto gefahren, weil sie sich subjektiv sicherer damit gefühlt haben. Die Folge war: In den zwölf Monaten nach den Anschlägen gab es in den USA rund 1600 Verkehrstote mehr als in den Jahren zuvor.
Das zeigt einen sehr wichtigen Faktor, wie wir mit Risiken umgehen: Es kommt nämlich sehr auf die subjektive Wahrnehmung des Risikos an, Menschen schätzen ein und dieselbe Situation ganz unterschiedlich ein.
Je vertrauter die Situation, desto weniger "gefühltes" Risiko
So schätzen auch Extremsportler:innen das, was sie tun, als geringeres Risiko ein als jemand, der von "außen" zuschaut. Der Grund: Sie haben ihre Handlung hundertfach trainiert. Dinge und Abläufe, die uns vertraut sind, empfinden wir generell als geringeres Risiko – auch wenn es vielleicht gar nicht so ist. Das hat auch ein Experiment gezeigt, bei dem Testpersonen eher eine Aktie gekauft haben, deren Namen sie kannten, als die einer unbekannten Firma – obwohl die Zahlen dieselben waren.
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Auch der Charakter entscheidet
Auch bestimmte Charaktermerkmale prägen, wie sehr wir bereit sind, ins Risiko zu gehen: So gehen Optimist:innen eher ein Risiko ein als Pessimist:innen. Sie glauben eher an den Gewinn und sind überzeugt davon, dass sie ihren Erfolg selbst in der Hand haben.
Außerdem gibt es Menschen, die immer auf der Suche nach Stimulation sind, nach dem "Kick". Psycholog:innen nennen solche Menschen, die sich teils extremen Gefahren aussetzen, um den Nervenkitzel zu fühlen, "Sensation Seekers". Diese Menschen brauchen Abwechslung und Aufregung in ihrem Leben. Dabei haben sie durchaus auch Angst, aber genau die Überwindung dieser Angst gibt ihnen den "Thrill".
Mut ist nicht gleich Mut
Nur weil jemand in einem Lebensbereich extrem risikofreudig ist, heißt das noch lange nicht, dass das in allen Lebensbereichen so ist. Ein Basejumper oder Freeclimber kann zum Beispiel sein Geld höchst konservativ in einem Bausparvertrag anlegen.
Die andere Seite des Spektrums sind besonders sensible Menschen. Sie brauchen nur ganz schwache Reize, um emotional stark zu reagieren, zum Beispiel mit Angst.
Die Angst um andere
Generell scheinen wir aber das Risiko für andere höher einzuschätzen als für uns selbst, wie ein Experiment aus den USA zeigt: Dort wurden rund 1000 übergewichtige Frauen und Männer für eine Studie angeworben, deren Partner:innen ebenfalls übergewichtig waren. Männer und Frauen bekamen je einen Artikel zu lesen, der über den Zusammenhang von Übergewicht und Krebs aufklärte. Bei dem einen Text ging es um Prostatakrebs – also etwas, das nur Männer betreffen kann. Bei dem anderen Text ging es um Brustkrebs, der nur Frauen betreffen kann.
Das Ergebnis: Die Frauen haben eher auf den Text über Prostatakrebs reagiert, Männer eher auf den über Brustkrebs. Beide wollten danach jeweils mehr über Gesundheitstests oder besseres Verhalten wissen. Beide – Männer und Frauen – haben die Risiken des Übergewichts viel weniger unterschätzt, haben sich mehr gesorgt und waren auch eher bereit zu handeln.
Darin, so das Fazit der Studie, liegt eine Chance: Dass man mit einer Botschaft für gesünderes Verhalten nicht direkt die Zielperson ansprechen sollte, sondern die Angehörigen.
Die Macher:innen:
Julia Trahms ist Journalistin und beschäftigt sich am liebsten mit der menschlichen Psyche, Sport- und Ernährungsthemen.
Sebastian Sonntag ist leidenschaftlicher Radiomoderator und Quarks-Daily-Host.
Quellenangaben zum Artikel:
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Artikel Überschrift:
„Bei dem anderen Text ging es um Brustkrebs, der nur Frauen betreffen kann.“
Das ist ein Irrtum, zwar selten, aber es kann auch Männer betreffen.