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Quarks Daily Spezial
Ich oder wir –
Wie altruistisch ist der Mensch?
Wie altruistisch ist der Mensch?
Klimawandel, Pandemie, Menschen auf der Flucht. Es gibt genug Anlässe, um über persönlichen Verzicht und Hilfe für andere nachzudenken. Aber sind wir überhaupt altruistisch genug oder ist sich am Ende jeder selbst der Nächste?
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Alte Frage ...
Ob der Mensch gut oder schlecht ist, interessiert uns schon seit sehr langer Zeit. Die Weltreligionen widmen sich dieser Frage. Philosophen wie Thomas Hobbes, Jean-Jacques Rousseau und Adam Smith haben mit ihren Arbeiten zu dem Thema die Staatskunde und Ökonomie mitbegründet. Manche von ihnen hielten den Menschen für altruistisch, andere für egoistisch. Alle haben ihre Meinungen auf persönlichen Beobachtungen und politischen Ereignissen ihrer Zeit begründet. In den Kopf gucken konnte man den Leuten schließlich noch nicht.
… neue Ansätze
Heute beschäftigen sich nicht nur die Ökonomie und die Sozialwissenschaften mit dem Thema Altruismus, sondern unter anderem auch die Psychologie, die Kognitionswissenschaft, die Verhaltensbiologie und die Neurowissenschaften. Dank Genanalysen und Magnetresonanztomografie wissen wir inzwischen, dass nicht nur die "Moral" unser Handeln beeinflusst. Hormone und Neurotransmitter wie Dopamin und Oxytocin haben Einfluss darauf, wie offen und hilfsbereit wir anderen Menschen gegenübertreten. Sie beeinflussen auch unseren Altruismus.
Dankbare Menschen sind hilfsbereiter
Studien der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass hilfsbereite Menschen teilweise eine bis zu viermal höhere Dopaminproduktion besitzen. Das Hormon Dopamin sorgt unter anderem für warme Gefühle wie Zuversicht und Dankbarkeit. Menschen mit höherer Dopaminproduktion sind demnach altruistischer, weil die Hilfe für andere bei ihnen diese warmen Gefühle auslöst. Sie werden sozusagen belohnt durch positive Emotionen.
Altruismus oder Solidarität?
Aber gibt es überhaupt selbstlosen Altruismus, wenn wir vor allem helfen, weil wir uns dann selbst gut fühlen? Ist das nicht auch schon wieder egoistisch? Vielleicht sollten wir eher nach der Solidarität fragen, also der Zusammenarbeit von Menschen auf ein gemeinsames Ziel hin. Die Sozialwissenschaften machen das, während die Kognitionswissenschaft wiederum von prosozialem Verhalten spricht. Das ist definiert als Kooperation und Verzicht zugunsten von anderen. Beide Begriffe bestehen nicht auf komplette Selbstlosigkeit unserer Handlungen und gestehen uns ein bisschen Egoismus zu.
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Egoistisch sind immer die anderen
In einer Katastrophensituation, zum Beispiel bei einem Brand oder einer Überschwemmung, würden die meisten Menschen nach eigener Aussage übrigens helfen, statt nur zuzuschauen. Und auch Rettungskräfte bestätigen, dass die meisten Menschen hilfsbereit sind und nicht panisch oder egoistisch. Das hat eine Umfrage der Freien Universität Berlin im Jahr 2017 ergeben. Interessanterweise glaubten die meisten Befragten gleichzeitig, dass andere Menschen nicht so handeln würden. Selbst die Rettungskräfte, die andere Erfahrungen gemacht hatten, glaubten nicht an die Hilfsbereitschaft der Menschen im Katastrophenfall.
Wir helfen uns – unter einer Bedingung
In der Realität kommen plündernde und panische Menschenmassen in Katastrophenfällen selten vor. Unter einer Bedingung: Die Menschen müssen in den Staat und seine Sicherungssysteme vertrauen. Fehlt dieses Vertrauen, zum Beispiel weil die Kluft zwischen Arm und Reich sehr groß ist, dann leidet auch die Solidarität darunter. Ein Beispiel dafür ist Chile 2010: Damals wurde das Land von einem schweren Erdbeben erschüttert, in dessen Folge es auch noch zu einem Tsunami kam. In einigen Orten, die durch die Katastrophe von der Außenwelt abgeschnitten waren, wurden in den folgenden Tagen Apotheken und Tankstellen geplündert. In einem Land, in dem einem Prozent der Bevölkerung ein Viertel des Gesamtvermögens gehört, war sich dann doch jeder selbst der Nächste.
Altruismus pflegen und trainieren
Eine Gesellschaft muss also die richtigen politischen Weichen stellen, um Menschen die Mittel für gegenseitige Hilfe und Verzicht zu geben. Aber wir können auch etwas für unseren persönlichen Altruismus tun: Mithilfe sogenannter Loving-Kindness-Meditationen. Eine Studie des Max-Planck- Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und der Uni Würzburg hat ergeben, dass solche Meditationen jene Teile unseres Hirns aktivieren, die für die Oxytocin-Rezeptoren verantwortlich sind. Und Oxytocin, ähnlich wie Dopamin, ist ein Neurotransmitter, der unter anderem die zwischenmenschliche Bindung steigert. Es macht uns anderen Menschen gegenüber offener und hilfsbereiter.
Die Macher:innen
Felix Schledde ist Reporter und beschäftigt sich vor allem mit Themen der Psychologie und Digitalisierung. Als Einzelkind ist er gar nicht mal so egoistisch.
Sebastian Sonntag ist leidenschaftlicher Radiomoderator und Quarks-Daily-Host
Quellenangaben zum Artikel:
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Hallo Daily Quarks-Team, vielen Dank für euren Podcast. Höre ihn sehr gern. 🙂 Heute ist mir jedoch in eurer Episode etwas aufgefallen, dass meiner Meinung nach einer Einordnung bedarf. Es geht um eure Aussage: „[…], aber das Geld ist sehr sehr ungleich verteilt in Chile. Ein Prozent der Bevölkerung besitzt ein… Weiterlesen »