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Quarks Daily Spezial
Alle sind krank –
Kann unser Immunsystem nichts mehr?
Kann unser Immunsystem nichts mehr?
Zum Jahreswechsel war mehr als jede und jeder Zehnte in Deutschland krank. Kinderkliniken kommen an ihre Grenzen, die Wartezimmer sind voll, Geschäfte geschlossen, weil keiner arbeiten kann. Ist unsere Immunabwehr aus dem Training gekommen?
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Krank wie nie zuvor?
Aktuell kennt jeder jemanden, der sich krankmeldet. Jetzt, nachdem die meisten Pandemiemaßnahmen beendet wurden, haben Erreger wieder leichtes Spiel. Gerade typische Erkältungsviren wie das Rhinovirus sind wieder auf dem Vormarsch. Es ist also nicht allzu überraschend, dass es diesen Winter viele Menschen erwischt. Aber so heftig und so viele? Tatsächlich klagen viele darüber, sich noch nie so krank gefühlt zu haben.
Der Einfluss der Pandemiemaßnahmen
Jede und jeder Zehnte in Deutschland hat sich in den letzten Wochen wegen einer Atemwegserkrankung krankgemeldet. Das ist deutlich häufiger als in den Pandemiejahren. So weit nichts Neues. Doch die Meldungen sind sogar über das Niveau von vor der Pandemie hinausgeschossen. Und jetzt fragen sich viele, warum das so ist. Eine häufig genannte Erklärung: Wegen Maskentragen und Kontaktbeschränkungen haben sich Menschen nicht angesteckt. Und jetzt kann das Immunsystem nichts mehr, denn ohne Infektionen wird es immer schwächer. Gerade bei Kindern. Stimmt das?
Die Pandemie: leben in der sterilen Blase?
Tatsächlich sind wir Menschen auch während der Corona-Pandemie regelmäßig mit unterschiedlichsten Erregern, Schädlingen und Fremdstoffen in Kontakt gekommen. Bakterien, Pilze und auch viele Viren haben unser Immunsystem andauernd beschäftigt. Wir haben es nur nicht gemerkt.
Genauso stimmt aber auch, dass ein Teil des Immunsystems mit der Zeit weniger effektiv gegen einzelne Erreger wird, wenn es länger keinen Kontakt zu diesen hat. Der Grund: Die Erreger entwickeln sich immer weiter, um dem Immunsystem zu entkommen. Das kann etwa durch zufällige Mutationen passieren, die sich mit der Zeit häufen und durch die das Virus seine Oberfläche und damit sein Aussehen verändert. Ohne Kontakt zu diesen Erregern ist das Immunsystem nicht auf dem neuesten Stand.
Lange gesund und plötzlich krank
Wer mehrere Jahre nicht krank war, den erwischt es jetzt eben mit einer höheren Wahrscheinlichkeit. Das Immunsystem muss hier nicht wieder in Fahrt kommen, wie viele glauben, sondern es muss mit den mittlerweile weiterentwickelten Erregern klarkommen. Es kursiert auch die Vorstellung, man hätte jetzt viele Infektionen "verpasst" und müsste die nun allesamt "nachholen". Tatsächlich ist das aber irreführend. Dem Immunsystem genügt es völlig, sich das aktuelle Erscheinungsbild eines Erregers einzuprägen, sich so quasi ein Update zu holen, damit es wieder für einige Zeit hält. Das geht aber mitunter mit Schnupfen, Husten oder Fieber einher.
Die gute Nachricht: Längere Pausen ohne diese speziellen Erreger schwächen das Immunsystem nicht. Es bleibt grundsätzlich genauso leistungsfähig wie vorher, auch wenn es die spezielle Immunabwehr etwas auffrischen muss.
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Die Spuren der Corona-Infektionen
Beim Streitthema Corona kursiert parallel eine Art Gegenthese: Nicht die Pandemiemaßnahmen hätten das Immunsystem geschwächt, sondern die Infektionen mit dem Coronavirus. Viele glauben, dass es deshalb häufiger zu schweren Erkrankungen kommt. Zum Beispiel eine Infektion mit dem RS-Virus, das vor allem bei Kleinkindern zu Atemwegsproblemen und zur stationären Behandlung im Krankenhaus führen kann. Was stimmt: Es gibt aktuell viele Kinder, die sich mit RSV anstecken, und viele von ihnen haben auch schwere Verläufe. Aber liegt das an Corona?
Ursache ist vermutlich vor allem aber die große Zahl an Kindern, die sich jetzt zum ersten oder zweiten Mal mit dem RS-Virus angesteckt haben. Gerade die ersten Kontakte mit dem Virus verlaufen tendenziell schwerer. Und viele Kinder hatten in den Pandemiejahren gar keinen Kontakt mit diesem Virus. Viele infizieren sich jetzt zum ersten Mal, deshalb gibt es gehäuft mehr schwere Fälle, einfach weil mehr Kinder gleichzeitig betroffen sind. Auf eine Immunschwächung nach einer Infektion mit Corona, wie sie zum Beispiel nach einer Maserninfektion oder gar HIV auftreten kann, deutet es derzeit nicht hin.
Wie Viren dem Körper schaden
Trotzdem: Infektionen mit Viren und auch den typischen Atemwegserkrankungen können Folgen haben – seien es schwere Verläufe oder dass aus bisher ungewissen Gründen Folgeerkrankungen wie Long Covid auftreten. Auch von anderen Viren ist bekannt, dass sie Gewebeschäden hinterlassen können oder aufs Herz schlagen – wenn auch zum Glück eher selten.
Gerade bei älteren oder immungeschwächten Menschen braucht das Immunsystem länger, um sich zu regenerieren. Die Folge: Nach einer Virusinfektion haben es andere Erreger, häufig Bakterien, leichter und es kann schneller zu Doppelinfektionen kommen mit teils gefährlichem Ausgang. Auch bei Kindern können nach einer ersten Corona-Infektion durchaus leichter Folgeinfektionen mit Bakterien wie Streptokokken auftreten.
Der Virenkalender verschiebt sich
Ein weiterer Grund für die vielen Krankheitsfälle derzeit ist, dass sich viele verschiedene Erkrankungen überlagern. Normalerweise haben Viren in bestimmten Monaten ihre Hochphasen. Doch seit der Pandemie haben sich die Zeiträume verschoben und überschneiden sich.
In den kommenden Jahren könnte sich die Situation aber wieder entspannen, wenn sich die Hochphasen der einzelnen Erkrankungen wieder etwas auseinanderbewegen. Mit der Einschränkung, dass mit dem neuen Coronavirus auch ein neuer Erreger hinzukommt, der die altbekannten Muster etwas verändert und um einen neuen Stammplatz im Virenkalender konkurriert.
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Ein Zusammenhang zwischen Covid und RSV wurde meines Wissens u.a. hier bestätigt: https://fmch.bmj.com/content/11/4/e002456.long
Ich lese Quarks gerne, weil ich dadurch besser informiert werde.
Auch wir lesen Quarks gerne, weil wir uns darüber köstlich amüsieren können. Eigentlich wäre Quark die bessere Bezeichnung.