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Quarks Daily Spezial
Angst – wie sie uns steuert und wie wir sie nutzen können
Jeder von uns hat Angst. Der eine vorm Fliegen, der andere vor Spinnen, der Dritte vor der Matheprüfung. Angst ist ein Urgefühl, das fest in unserem Gehirn verankert ist. Angst soll uns schützen, manchmal lieben wir sie sogar, übermäßige Angst kann aber auch zum Problem werden.
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Wann uns Angst nützt und wir sie sogar mögen
Die normale Angstreaktion ist erst mal nicht schlimm. Sie kann sogar hilfreich sein, weil wir Gefahren erkennen und ihnen dann aus dem Weg gehen. Ohne Angst hätten wir Menschen nicht überleben können.
Unter normalen Umständen kann es sogar passieren, dass wir Angst toll finden. Nämlich dann, wenn Angst in kontrollierbarem Rahmen stattfindet: In der Achterbahn darf man endlich mit den Konventionen brechen und schreit vor Angst, so laut es geht.
Und im Kino ist es ja besonders verrückt: Da haben die Zuschauer:innen Angst, obwohl sie selbst gar nicht betroffen sind. Das Gehirn weiß dann: Es droht keine "echte" Gefahr. Und falls es einem doch zu bunt wird, kann man auch jederzeit rausgehen. Angst ist in diesem Fall also kontrollierbar und triggert sogar das Lustgefühl. Auch so ein Urgefühl.
Angststörungen sind häufig
Problematisch wird die Angst nur, wenn sie krankhaft wird. Angststörungen sind tatsächlich eine der häufigsten psychischen Erkrankungen: Man schätzt, dass ungefähr 15 Prozent der Deutschen an einer Angststörung leiden. Das sind gut zwölf Millionen Menschen. Die Zahl der Betroffenen ist zwar in den letzten Jahren überwiegend konstant geblieben, eine Erhebung der Krankenkasse DAK vom März 2022 zeigt aber: Die Tage, die Angestellte wegen einer Angststörung zu Hause geblieben sind, sind in den letzten zehn Jahren um 77 Prozent gestiegen. Und: Laut Robert-Koch-Institut sucht sich nur jede/r zweite Betroffene Hilfe.
Angst ist unangenehm
Angst fühlt sich unangenehm an, denn unser Körper reagiert oft heftig: Stresshormone werden ausgeschüttet, das Herz fängt an zu klopfen, wir fangen an zu schwitzen oder zu zittern, wir atmen schneller. Der ganze Organismus wird in Alarmbereitschaft versetzt.
Körper in Alarmbereitschaft
Über unser Sinnesorgan (Ohr, Nase, Auge etc.) gelangt eine Information an unser Gehirn, wir hören zum Beispiel ein Geräusch in der Wohnung. Diese Information wird über den Thalamus im Gehirn weitergeleitet – auf zwei unterschiedlichen Wegen.
Der eine Weg verläuft unbewusst und sehr schnell: Er führt direkt zur Amygdala – auf Deutsch der Mandelkern – tief unten im Gehirn: Der Mandelkern ist – evolutionär gesehen – uralt und regelt unsere Urgefühle. Er ist dazu da, Köperreaktionen auszulösen, die überlebenswichtig sein könnten, wie zum Beispiel die Angst- und Stressreaktion.
Der zweite Weg der Informationsverarbeitung ist langsamer. Er führt vom Thalamus in die Großhirnrinde. Hier findet das rationale Denken statt. Die Großhirnrinde bewertet die Information, wägt ab „was wissen wir denn eigentlich über die Gefahr?“ – und schätzt so die Lage ein. Bei diesem Weg verarbeiten wir die Informationen bewusst, und erst nach dieser bewussten Bewertung wird eine entsprechende Reaktion im Körper ausgelöst.
Wenn die Großhirnrinde feststellt: Das war ja nur die Katze, die das Geräusch gemacht hat, keine Einbrecher:innen, dann wird die Angstreaktion im Körper wieder gestoppt.
So oder so: Sobald die Gefahr vorbei ist, beruhigt sich der Körper wieder und die Angst geht wieder weg.
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Die Angststörung
Wenn Angst allerdings krankhaft ist, geht sie nicht mehr von alleine weg. Allen Angststörungen gemein ist: Der/Die Betroffene hat übermäßig Angst vor etwas, was rational betrachtet gar nicht so schlimm ist. Die Angst ist nur schwer oder gar nicht zu kontrollieren. Darum meidet er/sie das, was Angst macht. Wie genau krankhafte Angst entsteht, ist nicht final geklärt.
Wer aber einen Großteil des Tages über seine Ängste nachdenkt, wer durch die Ängste in seiner Lebensqualität, in seinem Beruf oder Privatleben eingeschränkt ist, wer seine Bewegungsfreiheit aufgibt, die Ängste mit Alkohol, Beruhigungstabletten oder Drogen bekämpft, der sollte einen Arzt/eine Ärztin aufsuchen.
Unterscheidung in Angst und Furcht
Heute unterscheidet man Angststörungen und Phobien (Furcht). Bei den Phobien gibt es immer einen äußeren Anlass, der die Furcht auslöst. Angst dagegen ist diffus, die Betroffenen können nicht klar benennen, wovor sie eigentlich Angst haben. Die Angst entwickelt eine Art Eigendynamik und kann dann plötzlich wie aus dem Nichts kommen – ganz ohne konkreten Anlass.
Die spezifischen Phobien
Phobien unterteilt man in: spezifische Phobie, Agoraphobie und soziale Phobie.
Die bekannteste ist die spezifische Phobie. Hier gibt es immer einen äußeren Anlass. Die Betroffenen haben eine übermäßige Furcht vor einem Tier, Objekt oder einer bestimmten Situation und vermeiden nach Möglichkeit eine Konfrontation: Spinnen, Vögel, Enge, das Fliegen. Sobald der Anlass weg ist, verschwindet auch die Furcht wieder.
Die spezifische Phobie lässt sich gut mit einer Konfrontationstherapie behandeln.
Die soziale Phobie
Bei einer sozialen Phobie haben die Betroffenen Furcht davor, im Mittelpunkt zu stehen. Sie haben Angst, beurteilt oder kritisiert zu werden, peinlich aufzufallen. Viele befürchten außerdem, dass man ihnen ihre Angst ansieht, dass sie rote Backen kriegen, hektische Flecken, Schweißausbrüche. Die soziale Phobie kann sich entweder nur in Einzelsituationen äußern (zum Beispiel Bühnenangst, Prüfungsangst). Aber auch generalisiert, also in allen sozialen Situationen. Die Betroffenen reagieren dann meistens mit sozialem Rückzug.
Die Agoraphobie
Bei der Agoraphobie geht es um das Vermeiden von Orten oder Situationen, in denen Flucht nur schwer möglich ist – oder einem peinlich wäre. Typische Angstauslöser bei Agoraphobie können Menschenmengen, Reisen im Zug, im Bus oder Fahrstühle sein.
Die Agoraphobie beginnt meist im Alter zwischen 20 und 30, und Frauen sind statistisch gesehen häufiger betroffen als Männer. Die Agoraphobie tritt oft zusammen mit einer Panikstörung auf (im allgemeinen Sprachgebrauch auch oft Panikattacke genannt).
Die Panikstörung
Bei einer Panikstörung überfällt einen die Angst wie aus dem Nichts mit starken körperlichen Angstreaktionen: Herzrasen, Atemnot, Erstickungsgefühlen, Schwindel. Das kann sich bis zur Todesangst steigern. Panikattacken dauern meist wenige Minuten, in seltenen Fällen aber auch über mehrere Stunden.
Wer so etwas erlebt hat, entwickelt oft eine tiefsitzende Angst vor einer neuen Attacke. Er oder sie meidet dann Situationen, die der ähneln, in der die Panikattacke gekommen ist, und entwickelt oft eine "Angst vor der Angst" (Phobophobie).
Die generalisierte Angststörung
Die generalisierte Angststörung ist ein bisschen das Gegenteil der Panikstörung, denn sie kommt eher schleichend. Man hat mulmige Gefühle, ist nervös, innerlich angespannt, unruhig – ohne einen besonderen Grund. Je nach Lebensumständen macht man sich Sorgen über dies und jenes, man hat das Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben, macht sich ständig Sorgen.
Wenn dieser Zustand über sechs Monate anhält, und zwar so, dass man deshalb zum Beispiel Schlafstörungen hat oder immer gereizt ist – dann spricht man von einer "generalisierten Angststörung".
Die kognitive Verhaltenstherapie
Wer unter einer Angststörung leidet, kann mit Medikamenten und Psychotherapie behandelt werden. Oft wird dabei die kognitive Verhaltenstherapie genutzt. Die Patient:innen lernen dabei, zu verstehen, welche Denkabläufe der Angst zugrunde liegen oder was die Angst verstärkt.
Im zweiten Schritt wird Patient:innen dann mit ihrer Angst konfrontiert. In Begleitung eines Therapeuten/einer Therapeutin wird man in die Angst hineingeführt und lernt, seine Angst auszuhalten. Denn: Die befürchtete Katastrophe tritt ja nicht ein und die Angst lässt irgendwann einfach von selbst wieder nach. Das Gehirn speichert diese Erfahrung, sodass die Angst bei jeder Konfrontation geringer wird.
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