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Klimafreundliche Flugzeuge
Wann wir endlich … ohne schlechtes Gewissen fliegen können
Elektro- und Wasserstoffflugzeuge, Biosprit oder synthetisches Kerosin: Mit diesen Ideen wollen Forscher das Fliegen nachhaltiger gestalten. Aber die Alternativen haben ihre Schwächen.
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Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
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Fliegen ist klimaschädlich
Zusammengerechnet emittiert ein Hin- und Rückflug von Düsseldorf nach New York beispielsweise 2,8 Tonnen CO2-Äquivalente pro Person. Das CO2-Jahresbudget eines Menschen liegt aber nur bei 1,5 Tonnen. So viel darf eine Person höchstens verursachen, damit sich die Erde nicht um mehr als 1,5 Grad erwärmt. Bereits eine Fernreise übersteigt das Jahresbudget also um fast das Doppelte. Aus diesen Gründen ist Fliegen für immer mehr Menschen mit einem schlechten Gewissen behaftet – Stichwort "flight shame" oder "Flugscham".
Ungeachtet der Debatte um mehr Klimaschutz steigt die Zahl der Fluggäste aber weiter an – die Coronapandemie mal ausgenommen. In Deutschland sind im Jahr 2019 1,5 Prozent mehr Menschen geflogen als im Jahr zuvor, teilte das Statistische Bundesamt mit. Das macht 124,4 Millionen Reisende allein an deutschen Flughäfen. Es sieht so aus, als wollen die Menschen weiterfliegen. Das bedeutet: Wir müssen das Fliegen immerhin so umwelt- und klimaschonend wie möglich machen.
Laut einer Richtlinie sollen die Länder der Europäischen Union ihren CO2-Ausstoß bis 2050 um 75 Prozent und ihren Stickoxid-Ausstoß um 90 Prozent reduzieren. Um das zu erreichen, müssen sich Flugzeuge von fossilen Brennstoffen wie Kerosin langfristig verabschieden.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Es gibt verschiedene Ideen für nachhaltige Flugzeuge
- Elektroflugzeuge: Sie werden elektrisch betrieben, zum Beispiel durch Lithium-Ionen-Akkus. Dadurch stoßen sie zumindest beim Flug weder CO2 noch Stickoxide, Wasserdampf und Ruß aus. Und: Die Modelle sind deutlich leiser als gewöhnliche Flieger.
- Flugzeuge mit Wasserstoffantrieb: Hier wird nicht Kerosin, sondern Wasserstoff in den Gasturbinen verbrannt. Die Prototypen sind CO2-neutral und emittieren keine Rußpartikel. Eine weitere Möglichkeit ist, den Wasserstoff durch eine Brennstoffzelle zu lotsen. Diese wandelt ihn in elektrische Energie um.
- Biotreibstoff: Biokerosin gewinnen die Hersteller nicht aus fossilen Quellen wie Erdöl, sondern aus nachwachsenden Rohstoffen wie etwa Palmöl, Rapsöl, Zuckerrohr oder der Jatropha-Pflanze. Sogar Exoten wie die Salzwasserpflanze Salicornia kommen zum Einsatz. Auch Pflanzenabfälle wie Stroh lassen sich zu Biotreibstoff verarbeiten. Die Vorteile: Bei der Produktion von Biotreibstoff entsteht weniger CO2 als bei herkömmlichem Kerosin. Beim Verbrennen stößt das Flugzeug außerdem weniger Rußpartikel aus.
- Synthetisches Kerosin, auch "Power to Liquid" genannt: Dafür filtern die Hersteller zuerst CO2 aus der Luft. Anschließend spalten sie das Gas mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien und Wasserdampf auf. Dabei entstehen Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Aus diesem Gasgemisch bilden sie Kohlenstoffketten mithilfe eines altbekannten Verfahrens, der Fischer-Tropsch-Synthese. Im letzten Schritt entsteht daraus flüssiger Treibstoff.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Nicht alle Konzepte für klimafreundliche Flugzeuge sind realistisch
Elektroflugzeuge
Diese Technologie funktioniert bereits im Miniformat als Ein- oder Zweisitzer. Im Jahr 2015 überquerten die zwei ersten elektrisch betriebenen Flieger dieser Größe den Ärmelkanal. Daraufhin entwickelten weitere Unternehmen ähnliche Modelle.
Der größte Nachteil dieser Technologie: Die Akkus haben eine geringe Energiedichte. Sie liefern also noch nicht genügend Energie, um auch größere Maschinen über lange Zeit in der Luft zu halten. So wie die Module momentan beschaffen sind, müssten die Hersteller die Flugzeuge mit sehr vielen einzelnen Akkus ausstatten. Das Problem: Das erhöht das Gewicht des Flugzeugs – und das würde wiederum mehr Energie verbrauchen. Ein Beispiel: Laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) müsste ein vollelektrischer Airbus A320 für einen 20-minütigen Flug mit einer 50 Tonnen schweren Batterie ausgestattet sein. Allein das entspräche etwa zwei Drittel des maximalen Startgewichts des Flugzeugs.
Experten prognostizieren, dass es in Zukunft E-Flugzeuge mit 10 bis 19 Sitzplätzen geben könnte, die kurze Strecken von rund 200 Kilometern zurücklegen. Diese Größe und Distanz fällt in die Kategorie Zubringerflugzeuge. Sie sind für abgelegene Regionen sinnvoll, die schlecht zugänglich sind – zum Beispiel die Fjorde Norwegens. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Akkus eines Tages auch gewöhnliche Kurzstreckenflugzeuge (bis zu 70 Sitzplätze) oder gar Langstreckenflugzeuge (bis zu 300 Sitzplätze) antreiben können. Für den gesamten Flugverkehr sind reine E-Flugzeuge daher keine Option.
Für größere Maschinen können Luftfahrtunternehmen auf Hybride setzen. Dabei kombinieren Hersteller den klassischen Verbrennungsmotor mit Elektromotoren. So könnten Fluggesellschaften Emissionen zumindest teilweise reduzieren und gleichzeitig lange in der Luft bleiben. Und: Die Flieger können mit den Elektromotoren starten und landen. Das bedeutet, dass Flughäfen deutlich leiser wären. Mitarbeitende und Anwohner würden weniger durch Lärm belästigt.
Wasserstoff-Flugzeuge
Sie stoßen zwar weder CO2 noch Rußpartikel aus, dafür aber Stickoxide und Wasserdampf. Wie stark sich das auf die Wolkenbildung und damit einhergehende Treibhauseffekte auswirkt, müssen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen noch erforschen. Wasserstoff ist außerdem nur dann nachhaltig, wenn er durch grünen Strom – etwa aus Sonnen- oder Windenergie – hergestellt wird.
Im September 2016 ist zum ersten Mal ein Wasserstoff-Flugzeug abgehoben, bei einem 10-minütigen Testflug über Stuttgart. Forscher vom DLR und der Universität Ulm haben das Modell mittlerweile weiterentwickelt. Die Maschine Hy4 hat aber nur vier Sitze und wird in Kombination mit einer Lithium-Ionen-Batterie betrieben. Das Unternehmen Airbus plant, bis 2035 ein Wasserstoff-Flugzeug auf den Markt zu bringen. Dafür muss der Hersteller einige Hürden überwinden. Die Flieger müssen den Wasserstoff in speziellen Tanks unter hohem Druck von rund 350 bar und bei sehr tiefen Temperaturen unter minus 250 Grad Celsius transportieren.
Das größte Problem an Wasserstoff-Flugzeugen ist der fehlende Platz. Der Brennstoff benötigt bis zu viermal mehr Volumen als Kerosin. Die Tanks fallen also sehr groß aus. Hersteller müssten sie deshalb im Rumpf der Maschine und nicht wie bisher in den Tragflächen verstauen. Will man Wasserstoff-Flugzeuge in großem Stil einsetzen, müssten die Flugzeugflotten weltweit neu konstruiert und gebaut werden. Daher ist auch diese Technologie keine realistische Option.
Biokerosin
Einige Fluggesellschaften wie die Lufthansa oder die niederländische KLM setzen diese Alternative bereits ein. Für bestimmte Strecken mischen sie einen Teil davon zum fossilen Kerosin in den Tank. Eine Nature-Studie konnte zeigen, dass die Flugzeuge damit um bis zu 70 Prozent weniger Rußpartikel und Feinstaub ausstoßen. Die Stickoxid-Emissionen bleiben aber gleich. Auch Wasserdampf stoßen die Flieger weiterhin aus. Forscher müssen allerdings noch überprüfen, wie stark der Wasserdampf durch Biokerosin das Klima beeinträchtigt. Flugzeuge, die ausschließlich mit Biotreibstoff fliegen, sind noch nicht zugelassen.
Zwar ist Biokerosin ein wachsender Markt, es müsste aber deutlich mehr produziert werden, um wirklich alle Flugzeuge damit ausstatten zu können. Ein Beispiel: Im Jahr 2018 wurden weltweit 15 Millionen Liter von dem Treibstoff aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt. Würde jedes Flugzeug nur zehn Prozent Biokerosin tanken wollen, bräuchte man 31 Milliarden Liter. Also rund 2000-mal mehr als die Produktion im Jahr 2018.
Der große Nachteil: Der Anbau von Raps, Ölpalme und Co. benötigt große Flächen. Es besteht die Gefahr, dass intakte Ökosysteme wie Regenwälder in Monokulturen umgewandelt werden. Außerdem, so warnen Experten und Expertinnen, könne der Anbau von Pflanzen für die Biokerosinproduktion in Konkurrenz treten zu Ackerflächen für die Lebensmittelproduktion. Darüber hinaus wird für den Anbau der pflanzlichen Rohstoffe viel Wasser benötigt und die Böden werden durch Dünger belastet. Stellt man den Biotreibstoff aus Pflanzenabfällen her, werden zwar zunächst keine neuen Flächen benötigt. Hier sind aber weitere Zwischenschritte nötig, welche die Herstellung teurer und energieintensiver machen. Biokerosin ist also keine wirklich ökologische Alternative.
Synthetisches Kerosin
Laut Experten ist synthetisches Kerosin, also Treibstoff aus CO2 sowie Strom aus erneuerbaren Energien, die vielversprechendste Alternative. Nach einer Analyse des DLR stößt die Technologie nicht nur deutlich weniger CO2, sondern auch weniger Rußpartikel aus. Das Umweltbundesamt (UBA) beschreibt das synthetische Kerosin in einem Positionspapier als die realistischste Methode, um die Klimaschutzziele zu erreichen.
Aber auch beim synthetischen Kerosin gibt es noch einige Hindernisse. Die Methode ist teuer und es fehlt noch genügend Strom aus erneuerbaren Energien. Bislang gibt es außerdem noch keine Großproduktionsanlagen, die den Treibstoff in Massen herstellen können. Experten sagen aber, dass es in Zukunft technisch möglich ist, Flugzeuge mit dieser Art von Kerosin auszustatten.
Vor allem für sonnen- und windreiche Länder sei die Methode rentabel. In Norwegen planen verschiedene Unternehmen eine solche Großanlage. Eine davon soll im Jahr 2023 in Betrieb gehen und zehn Millionen Liter synthetisches Öl pro Jahr produzieren. 2026 sollen es 100 Millionen Liter jährlich sein. Dieses könnten die Hersteller nicht nur zu Kerosin, sondern auch zu Benzin, Diesel oder chemischen Produkten weiterverarbeiten.
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Eine weitere Option: Optimierte Flugrouten
Die Voraussetzung für optimierte Flugrouten sind Flugplanungstools, die nicht mehr nur Windverhältnisse, sondern auch die Effekte von Ozon und Flugwolken berücksichtigen. Das ist möglich, denn die Atmosphäre folgt grundsätzlichen Mustern, die man analysieren und aus denen man Empfehlungen für die Strecken ableiten kann. Allerdings besteht hier noch Forschungsbedarf. Das UBA prognostiziert, dass bis 2030 die Klimawirkung von Nicht-CO2-Emissionen der Flugzeuge so detailliert erforscht sein könnten, dass sich die Routen entsprechend optimieren lassen. Die Optimierung von Flugrouten lohnt sich vor allem für den Transatlantik-Raum, da Flugzeuge hier genug "Platz" zum Ausweichen haben.
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Und jetzt?
Wir müssen uns noch gedulden, bis wir emissionsfrei fliegen können
Wer ohne schlechtes Gewissen fliegen will, muss sich also noch gedulden.
In der Zwischenzeit gibt es die Möglichkeit, die Flugemissionen zumindest auszugleichen. Dabei spenden die Passagiere nach ihrem Flug Geld an Organisationen wie Atmosfair, Klima-Kollekte oder Primaklima. Die Idee: Die Menge an CO2, die der Flug verbraucht, spart die Organisation durch ein Klimaschutzprojekt an anderer Stelle wieder ein – zum Beispiel durch den Aufbau einer Biogasanlage in Nepal.
Das Kompensieren von CO2 kann aber keine langfristige Lösung sein. Einerseits löst es das eigentliche Problem nicht. Flugzeuge pusten weiterhin vermeidbare klimaschädliche Gase in die Luft. Andererseits kann dadurch das Gefühl entstehen, sich von dem schlechten Gewissen "freikaufen" zu können. Es kann sein, dass sich einige Personen mehr Flüge als vorher erlauben – mit der Begründung, dass die Strecken durch die CO2-Kompensation klimaneutral seien.
Also besser: Fernreisen vermeiden und auf den Zug umsteigen, bis die Technik so weit ist.
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Wenn wir Aktivisty sind und lieber nach Bali fliegen, anstatt einen Gerichtstermin wahrzunehmen.
Die mit dem Düsen-Flugverkehr untrennbar verbundenen Wolken aus Eiskristallen haben nicht nur eine Treibhaus- sondern auch eine Brennspiegelwirkung, womit sie für Mensch, Umwelt und Klima mit großem Abstand am gefährlichsten sind.
Gute Nachrichten: Statt etwa 9 Millionen Tonnen fossilem Kerosin, die Flugzeuge jährlich an deutschen Flughäfen tankten, müssten nachhaltige Flugzeuge langfristig nur noch 1,5 Millionen Tonnen Wasserstoff aus regenerativen Energiequellen tanken – bei gleichem Transportaufkommen (ohne Pandemie, Stand 2019!) – und mit gutem Gewissen und nicht erst 2050. Heutige Turbinenantriebe benötigten… Weiterlesen »
Danke für deine Meinung zum Thema 🙂 Die Quellen unter dem Text hattest du aber gesehen, oder? Wir sehen das mit den „verkürzten Expertenmeinungen“ nach unserer Recherche etwas anders… aber das wird auch sicher nicht das letzte Mal sein, dass wir uns diesem zukunftsträchtigen Thema widmen.
Quellen sind grundsätzlich gut. Und wir haben mal nachrecherchiert. Hier zwei Beispiele. Die erstgenannte Quelle (Quelle 1) und eine der aktuellsten Quellen (Quelle 31). Quelle 1: Eine Broschüre des Umweltbundesamtes (UBA) – Die Quelle macht keine einzige begründete Aussage zu Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit von synthetischen Kraftstoffen. Stattdessen finden sich dort… Weiterlesen »
Sie: Laut einer Richtlinie sollen die Länder der Europäischen Union ihren CO2-Ausstoß bis 2050 um 75 Prozent und ihren Stickoxid-Ausstoß um 90 Prozent reduzieren. Um das zu erreichen, müssen sich Flugzeuge von fossilen Brennstoffen wie Kerosin langfristig verabschieden. Meinens Wissen: Alle CO2 in die EU muss nach Null, ausser Schiffahrt… Weiterlesen »