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Unterschätzte Pflanzen?
Wie Moose Schadstoffe aus der Luft filtern
Moose reagieren besonders sensibel auf Teilchen in der Luft. In der Forschung bekommen die Gewächse deshalb immer mehr Aufmerksamkeit. Zu Recht?
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Moose können Schadstoffe aus der Luft filtern
Anders als Höhere Pflanzen wie etwa Bäume, Sträucher oder Farne nehmen Moose ihre Nährstoffe und Wasser nicht über die Wurzeln auf – die haben sie nämlich nicht. Stattdessen nutzen sie dafür ihre Oberfläche, die aus vielen kleinen Blättchen besteht. Quasi "nebenbei" filtern Moose so auch Schadstoffe, die sich in der Luft befinden.
Eine Moospflanze hat viele kleine Blättchen, die zusammen seine Oberfläche bilden. Jedes dieser Blättchen hat eine komplexe Struktur, weshalb die Gesamtoberfläche der Moospflanze im Vergleich zu anderen Pflanzen sehr groß ist. Noch ein Unterschied zu anderen Pflanzen: Die Blattoberfläche von Moosen ist elektrostatisch geladen. So können sie Schadstoffe aus der Luft, die ebenfalls geladen sind, an ihrer Oberfläche halten. Sind die Stoffe klein genug, nimmt das Moos sie sogar auf.
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Das macht Moose so besonders
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Was mit den Schadstoffen passiert, hängt von ihrer Beschaffenheit ab
Durch die besondere Beschaffenheit der Oberfläche bleiben Teilchen aus der Luft also an den Moosen hängen. Was am oder im Moos mit den Stoffen passiert, dazu weiß die Forschung noch gar nicht viel. Klar ist: Abhängig von Schadstoffart und -größe sind zwei Dinge möglich:
- Ist das Teilchen klein genug, gelangt es durch den mooseigenen Ionenkanal in die Pflanze – und wird von ihr aufgenommen. Das ist etwa beim Schwermetall Quecksilber der Fall. Da das Moos das Schwermetall nicht für seinen Aufbau verwerten kann, wird Quecksilber nicht verstoffwechselt, sondern in der Vakuole, einem Hohlraum im Zellinnern, eingelagert. Neben Quecksilber können sich beispielsweise auch Titan, Chrom und Nickel anreichern.
- Ist das Teilchen zu groß, aber geladen, kann es vom Moos nicht aufgenommen werden, da es nicht durch den Ionenkanal passt. Stattdessen wird es an der geladenen Oberfläche des Mooses gehalten, wie etwa der Feinstaub PM10 (Partikelgröße 10 Mikrometer). Solche Stoffe werden dann entweder an der Oberfläche vom Mikrobiom des Mooses zerkleinert oder – falls das nicht passiert – vom Wasser beim nächsten Regenschauer abgespült.
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Darum müssen wir darüber sprechen:
Forschende möchten mit Moosen unsere Luft reinigen
Wie Feinstaub entsteht und warum er so gefährlich ist, erklären wir in diesem Artikel.
Was die Forschung über Stickoxide weiß, erfährst du hier.
Es gibt verschiedene Bestrebungen, diese Schadstoffbelastung zu reduzieren – etwa durch Fahrverbote oder eine generelle Reduktion des Verkehrs in bestimmten Zonen. Forschende verfolgen aber noch weitere Ideen: Eine ist, in Innenstädten Filter auf Pflanzenbasis einzusetzen, die die Luft reinigen könnten. Da Moose Luftschadstoffe wie etwa den Feinstaub PM10 auf natürliche Weise an sich binden, will man sich genau diese Eigenschaft zunutze machen, um die Schadstoffbelastung der Luft zu reduzieren.
Mooswände im Praxistest
Der erste große kontrollierte Praxisversuch für die Filterleistung von Moosen war die Mooswand in Stuttgart. In dieser Pilotstudie wurde im März 2017 eine 100 Meter lange und mit 300 Quadratmetern Moos bestückte Mooswand an einer großen, stark befahrenen Straße mitten in Stuttgart errichtet. Sie stand für rund ein Jahr.
Das Projekt war eine groß angelegte Messkampagne, durch die die Forschenden herausfinden wollten, welchen Einfluss die Mooswand auf die Luftqualität hat. Im Fokus der Untersuchung standen bei der Mooswand in Stuttgart der Feinstaub PM10, also die etwas größeren Feinstaubpartikel, sowie die kleineren Feinstaub-Partikel PM2,5. "Stickstoffoxide wurden auch gemessen, aber über die Entwicklung der Luftbelastung konnte man kein aussagekräftiges Fazit ziehen”, sagt Sonja Thielen, Biologin und zuständige Mitarbeiterin für die Studie vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart.
Auf einer ähnlichen Idee wie die Stuttgarter Mooswand basieren die "City Trees", die mittlerweile in einigen europäischen und deutschen Städten zu finden sind, etwa in Berlin. Das sind Quader aus Holz, deren Seitenwände mit Moos bepflanzt sind. Als Bio-Tech-Filter sollen sie in Städten platziert werden und der Luft im Umkreis von einem Meter mehr als 50 Prozent des Feinstaubs entziehen – so das Versprechen der Firmengründer. Evidenz dafür gibt es aber noch nicht.
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Moose sind keine Wunderwaffe gegen die Luftverschmutzung
Das zeigen auch Erfahrungen aus der Praxis – etwa mit der Stuttgarter Mooswand. Das Ergebnis: Die Messungen zeigten keine signifikante Verbesserung der Schadstoffbelastung in Stuttgart. Woran lag es, dass die Moose beim Praxisversuch an der viel befahrenen Straße ihr Filterpotenzial nicht entfalten konnten? Der ausschlaggebende Punkt war "die unzureichende Bewässerung", vermutet Sonja Thielen, "sodass die Moose nur selten physiologisch aktiv waren und somit ihr Potenzial nicht optimal entfalten konnten.”.
Moose trockneten trotz hoher Toleranz aus
Eine Herausforderung bei moosbasierten Filtern wie an der Stuttgarter Mooswand ist die Bewässerung. Moose haben zwar eine hohe Austrocknungstoleranz – sie sterben also nicht, wenn sie längere Zeit kein Wasser bekommen. Aber Trockenheit schränkt sie in ihrer Funktionalität stark ein: Damit sie Schadstoffe aus der Luft filtern können, muss ihr Stoffwechsel aktiv sein – und das ist er nur, wenn das Moos feucht ist. Sind die Moose trocken, fallen sie in eine Latenzphase, in der ihr Stoffwechsel herunterfährt.
Durch Befeuchtung läuft ihr Stoffwechselsystem zwar wieder an. Wenn aber die Phasen der Trockenheit zu lang und die Phasen, in denen das Moos feucht ist, zu kurz sind, starten die Fotosynthesevorgänge erst gar nicht. “Dann verhungert das Moos quasi, weil Stoffe nur abgebaut, aber nie aufgebaut werden” sagt Sonja Thielen. An der Stuttgarter Mooswand waren die Pflanzen zu nah an der viel befahrenen Straße platziert, sodass der Fahrtwind der vorbeifahrenden Autos und Lkws wie ein Föhn wirkte und die Moose austrocknete. Eine später angebrachte Bewässerungsanlage verbesserte die Lage nicht.
Weitere Faktoren, die dazu geführt haben könnten, dass die Moose ihre optimale Filterleistung nicht entwickeln konnten: Möglicherweise wurde zu wenig Moosfläche für die vorherrschende Schadstoffbelastung eingesetzt. Und: Die senkrechte Wand, an der sie angebracht waren. Sie müsste besser leicht schräg sein, weil Moose so auch überwiegend in der Natur wachsen. Schräg an einem Baum etwa. Bei einer weiteren Studie könnte man das ausprobieren, um herauszufinden, ob diese Veränderung einen positiven Effekt auf die Filterleistung der Moose hat.
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Mit Moosen die Luftqualität messen
Auch die City Trees, die bereits in verschiedenen europäischen und deutschen Städten stehen und mit ihrem Moosfilter die Luftschadstoffbelastung senken sollen, sind unter Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen umstritten. Denn Studien, die die Wirkung belegen, fehlen bislang. In einem Pilotprojekt mit dem Leibniz-Institut für Troposphärenforschung und dem Institut für Luft- und Kältetechnik in Dresden soll die luftreinigende Wirkung der Anlagen nun überprüft werden. Ergebnisse stehen noch aus.
Nichtsdestotrotz konnten die Stuttgarter Forscher:innen zeigen, dass sich in den Quadratmetern um die Mooswand herum die Feinstaubbelastung verbesserte. Die Idee, mit Moosen ganze Städte zu reinigen, sei dennoch zu optimistisch, findet Ralf Reski. “Eher kann eine solche Wand ein Baustein für bessere Luft in Städten sein. Ebenso wie jegliche Begrünung auf Mauern oder Gebäuden”, sagt er. "Aber die Erwartungen, die in luftreinigende Systeme gesetzt werden, sollten realistisch bleiben."
Die Eigenschaften der Moose werden schon jetzt genutzt
Auch wenn sich unsere Luftverschmutzung wohl nicht durch Moose beheben lässt, kann man sich ihre Eigenschaften trotzdem schon heute zunutze machen: etwa als Indikator für Luftqualität, beim sogenannten Moos-Monitoring.
Wie das funktioniert, lässt sich gut anhand von Quecksilber erklären: Das Schwermetall wird über die Luft vom Moos aufgenommen. Da es nicht im Moos verstoffwechselt wird, lagert es sich in der Pflanze ab. So entsteht im Moos eine hohe Quecksilberkonzentration, die messbar ist. Seit 1990 wird alle fünf Jahre die Schwermetall- und Stickstoffkonzentration in Moosen gemessen, die in der Natur an verschiedenen Standorten in ganz Europa wachsen. So lassen sich über die Pflanzen Rückschlüsse über die Luftbelastung erzielen. Aber eben nur an dem Ort, wo die Moose in der Natur gerade wachsen.
Moose sollen Messtechnik ablösen
Die Luftqualität in Städten wird aktuell noch mit technischen Messstationen bestimmt. Diesen Job könnten aber auch Moose übernehmen. Die Idee: Moosbags – das sind Beutel, die mit Moosen gefüllt sind – in Städten aufhängen und darüber die jeweiligen Schadstoffkonzentrationen messen.
Im Forschungsprojekt Mossclone der Universität Freiburg wurden diese Moosbags entwickelt. Moose aus der Natur eignen sich allerdings nicht für die "natürlichen Messstationen", da sie je nach Wuchsort unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt sind. “Abgesehen davon darf man die meisten Moose gar nicht sammeln, weil sie auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen” sagt Reski, der auch an dem Projekt beteiligt war. Deswegen produzieren die Forschenden in einem Bioreaktor aus der Spore einer Moospflanze viele Moos-Klone. So kann man sichergehen, dass alle Moosklone dasselbe genetische Material haben – und die Messungen so denselben Standard erfüllen.
Die Methoden, die derzeit von der EU zugelassen sind und deswegen genutzt werden dürfen, sind ausschließlich technisch, wesentlich teurer und unflexibler als die Moos-Variante. Ralf Reski zeigt sich optimistisch, dass die technischen Messmethoden bald ersetzt werden könnten. Denn Studien deuten darauf hin, dass Moosbags die Luftqualität in Städten genauso gut bestimmen können wie technische Geräte.
Autorin: Clara Milnikel
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Hallo Frau Milnikel,
gibt es etwas Neues zu dem Thema „Sferics und Moose“?
Wir wollen einen mobilen Luftreiniger für das Büro kaufen. Dieser soll auch die Pollen aus der Luft holen. Schön zu wissen, dass auch Moos den positiven Effekt verbessert. Mehr dazu: https://miaair-luftreiniger.com/luftreiniger/mobiler-luftfilter-fuer-buero/
Jetzt brauche ich kein schlechtes Gewissen haben über zu viel Moos in meinem Rasen.