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Brasilien
So bestimmt die Politik die Abholzung des Regenwaldes
Der Amazonas-Regenwald brannte in den vergangenen Jahren so schlimm wie lange nicht mehr. Politiker in Brasilien und Europa können dagegen etwas tun.
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Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
In Brasilien brennt der Regenwald sehr oft
Warum die Zerstückelung des Regenwaldes dem Klima besonders schadet, erklären wir hier.
Darum brennt der Wald in Brasilien
Meistens haben die Waldbrände wirtschaftliche Gründe und daran sind auch wir Europäer beteiligt. Die 27 EU-Staaten kaufen die Hälfte der Produkte, die auf Abholzungsflächen in Brasilien angepflanzt werden. Das ist zum größten Teil Soja, aber auch Kaffee und Kakao. Dazu kommt noch brasilianisches Rindfleisch. 5051 Tonnen davon hat allein Deutschland zwischen Januar und August 2020 importiert. Die brasilianische Vereinigung der Kühlhausbetreiber (Abrafrigo) hat zwar ausgerechnet, dass der Verbrauch von brasilianischem Rindfleisch in Deutschland zurückgeht, weiterhin exportiert Brasilien aber mehr Rindfleisch als jedes andere Land der Welt. Das Problem dabei ist, dass die Rinder meistens dort grasen, wo vorher Regenwald stand. Landwirtschaft im Regenwald beginnt oft dort, wo zuerst Holzfäller die wertvollen Baumriesen gefällt haben. Danach brennen die Bauern die Flächen ab, pflanzen Getreide und lassen die Felder zurück, wenn sie nicht mehr genug Ertrag bringen.
Brasilien ist außerdem reich an Bodenschätzen – die oft in Regenwaldgebieten liegen. Die Minen für Eisen, Gold, Bauxit und andere wertvolle Rohstoffe brauchen viel Platz. Wo Städte für Arbeiter entstehen, Straßen und Eisenbahnlinien den Wald durchschneiden, verschwindet viel vom Regenwald. Ein Forschungsteam um eine australische Wissenschaftlerin hat herausgefunden, dass selbst 70 Kilometer von einer Miene entfernt noch deutlich weniger Wald wächst als da, wo es keine Minen gibt. Die Montanindustrie schlägt also tiefe Schneisen in den brasilianischen Regenwald. Der Bergbau ist für neun Prozent der entwaldeten Fläche verantwortlich. Umweltschützer und Umweltschützerinnen des WWF weisen darauf hin, dass Deutschland rund die Hälfte seines Bedarfs an Eisenerz aus Brasilien importiert.
Weitere Angaben zum Artikel:
- Feuer nach der Rodung von Urwald: Wenn die Baumriesen gefällt sind, vertrocknet die restliche Vegetation. Um den Boden für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, zünden Bauern das Gestrüpp an.
- Feuer für die Viehzucht: Kleinbauern nutzen Feuer, um ihre Felder zu bewirtschaften. Sie zünden auch Weiden an, die im Regenwald liegen.
- Feuer außer Kontrolle: Von den Feldern können die Flammen auch in vitale Wälder eindringen und sie vernichten. Das Risiko wird umso größer, je häufiger ein Wald von Flammen bedroht wird.
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Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Der Regenwald ist wichtig für das Weltklima
Doch nicht nur die Sägen und das Feuer setzen dem Wald zu. Je mehr Kahlflächen entstehen, desto weniger Wasser verdunstet über dem Wald. Der Wasserkreislauf gerät in Gefahr und damit schrumpft das Ökosystem Regenwald noch viel schneller.
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Diese Maßnahmen haben dem Wald geholfen
Die Daten von INPE zeigen: Mehrere Jahre lang wurde am Amazonas immer weniger abgeholzt. Schon 2014 hatte ein internationales Forschungsteam am Earth Innovation Institute in San Francisco deswegen ein positives Fazit gezogen. Grund für den Rückgang waren die Moratorien und die enge Überwachung der Gesetze. Waldökologen haben untersucht, was zu diesen Erfolgen beigetragen hat. Das brasilianische Waldgesetz (FC) schränkt die Waldrodung auf privaten Grundstücken ein. Waldbesitzer dürfen nun nur noch einen kleinen Teil ihres Grundstücks roden - seit 1996 nur noch ein Fünftel ihres Besitzes. Schwierig ist dabei aber, dass gar nicht immer klar ist, wem überhaupt wie viel Wald gehört, denn erst nach und nach bekommen Bürgerinnen und Bürger in Brasilien Urkunden über ihren Landbesitz. Dafür ist das Umweltkataster Cadastro Ambiental Rural (CAR) zuständig. Laut der deutschen Bundesregierung ist das Kataster eine Hilfe für den Wald. Es schützte von 2014 bis 2018 eine Fläche von 8571 Quadratkilometern vor der Entwaldung.
Soja- und Rindfleisch-Moratorium
Im Jahr 2006 wurde in Brasilien das Soja-Moratorium verabschiedet. Greenpeace hatte davor weltweit darauf aufmerksam gemacht, dass für den Anbau von Sojapflanzen sehr oft Regenwald abgeholzt wird. Die brasilianische Pflanzenölindustrie und die Getreideexporteure lehnten von da an den Kauf von Sojabohnen ab, die auf Abholzungsflächen gewachsen waren. Felder, die nach dem 24. Juli 2006 gerodet waren, sollten Farmer nicht mehr für die Produktion nutzen. Es war das erste freiwillig unterzeichnete Abkommen zum Schutz des Regenwaldes. Seit 2009 wird es durch Satellitenaufnahmen überwacht. Farmer finden zwar viele Wege, das Moratorium zu umgehen, dennoch ging nach dem Beschluss des Moratoriums die Rodung deutlich zurück. War das nun ein Erfolg des Abkommens? Nein, sagen Ökologen der Universität Ampá. Sie führen die Erfolge auf einen anderen Effekt zurück: Der ungünstige Wechselkurs des brasilianischen Reals zum Dollar machte es für die Farmer weniger lukrativ, Soja anzubauen. Sie verdienten weniger Geld.
Auf das Soja-Moratorium folgte 2009 das “TAC da Carne”, eine Selbstverpflichtung von Rinderhaltern, Fleischern und der brasilianischen Regierung. Sie blockiert den Handel von Rindfleisch, wenn die Tiere auf geschützten Flächen gehalten worden sind. Dieses Abkommen zeigte sich aber als wenig wirksam, ergab die Studie aus Ampá. Schlachthäuser hatten nicht mit Sanktionen zu rechnen, wenn sie Fleisch von Farmen auf Rodungsflächen kauften.
Für den Schutz der Baumriesen vor Holzfällern gibt es ebenfalls Gesetze. Doch auch sie können unterlaufen werden, sagen die brasilianischen Forschenden jetzt.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Seit Jair Bolsonaro an der Macht ist, schrumpft der Regenwald schneller
Die Rolle der Politik
Brasilien hat sich zu Klimaschutzzielen verpflichtet. Bis 2030 will das Land seinen CO2-Ausstoß um 43 Prozent im Vergleich zu 2005 senken und keinerlei illegale Abholzung mehr dulden. Zusätzlich schützt die nationale Strategie für den Erhalt der Artenvielfalt den Regenwald als Biotop.
Mit Beginn der Regierungszeit von Präsident Jair Bolsonaro im Januar 2019 ist die Entwaldung aber wieder schneller vorangeschritten. Per Dekret hat der neue Präsident die Umweltbehörden und die für die indigene Bevölkerung zuständige Behörde FUNAI dem Kommando der Militärs unterstellt. In einer Antwort der deutschen Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Grünen heißt es, Jair Bolsonaro wolle die Schutzgebiete der indigenen Bevölkerung für den Bergbau öffnen und die zuständige Schutzbehörde FUNAI stehe nun unter der Leitung eines Agrarlobbyisten. Jair Bolsonaro hatte schon in seinem Wahlkampf 2018 angekündigt, Gebiete am Amazonas stärker für die Wirtschaft erschließen zu wollen.
Im Februar 2020 unterzeichnete der brasilianische Präsident ein Gesetz, das Bergbau auch in den geschützten Gebieten der indigenen Bevölkerung erlaubt. Forschende aus Sao Paulo haben festgestellt, dass allein durch die Ankündigung die Zahl der Anträge auf Bergbau in die Höhe geschnellt ist.
Strafen werden meistens nicht bezahlt
Brasiliens Gesetze zum Schutz des Regenwaldes zeigen sich derzeit nicht besonders wirkungsvoll. Das liegt auch daran, dass sie sich leicht umgehen lassen. Strafen, die Behörden wegen Umweltverbrechen verhängen, bezahlen die Holzfäller und Landwirte meistens nicht. Forschende der staatlichen Universität Amapá gehen davon aus, dass die illegalen Holzfäller nur 0,2 bis 5 Prozent der Strafgelder tatsächlich bezahlen. Dazu sei es schwierig, Strafen überhaupt zu verhängen, denn oft ist gar nicht klar, wem ein Grundstück im Wald gehört.
Das Freihandelsabkommen mit der EU begrenzt die Abholzung nicht genug
Wie schon Ex-US-Präsident Donald Trump hatte auch Jair Bolsonaro einen Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt. Bisher ist das aber nicht passiert. Dieser Schritt hätte das Freihandelsabkommen zwischen dem Staatenbund Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) und der Europäischen Union (EU) gefährdet. Seit Juni 2019 gibt es eine grundsätzliche Einigung über das Abkommen zwischen den Verhandlungsführern. Brasilien hat sich damit auch zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichtet, vor allem zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes. Das Europäische Parlament muss den Text noch ratifizieren.
Das Mercosur-Abkommen hat Höchstgrenzen für den Import festgelegt. Diese seien aber viel zu hoch, um die Entwaldung zu stoppen, sagt das Forschungsteam um Laura Kehoe an der Universität Oxford. Gehen die Importe nach Europa in diesem Maß weiter, bedeute das die Rodung einer fußballfeldgroßen Fläche Regenwald alle drei Minuten. Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren jährlich mehr als 20 Millionen Tonnen Soja und 200.000 Tonnen Rindfleisch aus dem Mercosur-Gebiet importiert, so die Forschenden. Bei den Verhandlungen sei keine deutliche Verringerung der Importmengen vereinbart worden.
In Brasilien machen Umweltschützer inzwischen mobil. Während einige von ihnen mit der Aktion “Bolsonaro zündet den Amazonas an. Schon wieder. Auf welcher Seite stehst du?” Investoren dazu aufrufen, ihr Engagement in Brasilien von der Verpflichtung zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes abhängig zu machen, poltert der Präsident in seiner wöchentlichen Facebook-Übertragung: “Ich bin streng mit diesen Leuten, aber ich schaffe es nicht, diesen Krebs zu töten, den die meisten NGOs darstellen.”
Norwegen stoppte seine Zahlungen an den Amazonienfonds
Brasilien bekommt finanzielle Unterstützung aus Europa, damit der Regenwald geschützt wird. Bisher hat der Amazonienfonds nach Angaben der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit 1,29 Milliarden US-Dollar nach Brasilien ausgezahlt. Norwegen ist mit 1,21 Milliarden US-Dollar der größte Geber des Fonds. Deutschland hat über die KfW-Entwicklungsbank bisher rund 55 Millionen Euro beigesteuert. Wie die Bundesregierung bestätigt, sind inzwischen aber die Zahlungen gestoppt. Norwegen, das 91,1 Prozent des Geldes im Fonds beisteuert, hat seine Zahlungen ebenfalls komplett eingefroren. Der Grund dafür ist, dass Präsident Jair Bolsonaro im April 2019 die Steuerungsgremien des Amazonienfonds aufgelöst hat.
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Und jetzt?
Die Politik kann etwas tun – und jeder Einzelne von uns auch
Geld soll demnach die Abholzung verhindern, doch kann Brasilien dann auch weiter so viele Güter exportieren? Barreto sagt: “Ja”. Als die Landbesitzer lernen mussten, dass illegale Waldnutzung teuer sein konnte, investierten sie und machten die Felder, die sie schon hatten, produktiver. Eine Studie der Universität Goiás zeigt, dass 56 Prozent des Weidelandes, 95 Millionen Hektar Weideland, nicht ausgelastet sind.
Auch wir in Europa haben Einfluss auf den Regenwald, denn auch Landwirte hier nutzen Soja oft als Viehfutter. Ebenso spielt der Verbrauch von Roheisen und Aluminium hier bei uns eine Rolle. Beim Einkaufen lohnt es sich also, darauf zu achten, für welche Produkte Regenwald abgeholzt werden muss.
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