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Kommunikation
Ab wann schadet Streit der Partnerschaft?
Wenn Paare häufig streiten, kann das auf Dauer die Beziehung vergiften. Doch manchmal ist Streit sogar wichtig.
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Artikel Abschnitt: Ist Streit in der Beziehung normal?
Ist Streit in der Beziehung normal?
Es knallt also regelmäßig bei den Deutschen zu Hause: Bei 63 Prozent der Vergebenen fliegen mindestens einmal im Monat die Fetzen, wöchentlich streiten sich immerhin 14 Prozent. Jüngere Paare unter 30 bekommen sich öfter in die Haare als ältere. Das zeigte im Januar 2021 eine repräsentative Umfrage der Partnervermittlung Parship und des Marktforschungsinstituts Innofact mit rund 1.000 Männern und Frauen. Nur vier Prozent gaben darin an, sich nie zu streiten.
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Jüngere knallen öfter mit Türen
Türenknallen kommt laut der Befragung vor allem bei Jüngeren vor. Ein Drittel der 18- bis 29-Jährigen lässt sich dazu verleiten. Derart theatralisch reagiert unter den 50- bis 65-Jährigen nur jeder Zehnte. Insgesamt ziehen sich knapp 40 Prozent zurück oder legen sogar eine Streitpause ein, um das Thema später in Ruhe zu bereden. Ein Viertel der Befragten verpasst der oder dem Liebsten hingegen das sogenannte Silent Treatment und schweigt, bis sich der andere entschuldigt hat.
Worüber streiten Paare?
Streitfaktor Nummer eins war 2021 der Haushalt. Kein Wunder, hat die Corona-Pandemie doch die Aufgabenverteilung bei vielen Paaren durcheinandergeworfen. Gestritten wurde vor allem über unterschiedliche Auffassungen von Ordnung und Sauberkeit sowie darüber, wer was zu erledigen hat. Weitere Zankäpfel waren Freizeitgestaltung, Geldfragen, Kindererziehung, Zeit am Smartphone und Eifersucht. In 18 Prozent der Fälle konnten die Befragten gar keinen konkreten Grund nennen: Es knallte einfach wegen mieser Laune.
Streit ist unvermeidlich
"Auseinandersetzungen sind in Beziehungen unvermeidlich", sagt der Paartherapeut und Psychologe an der Katholischen Hochschule Freiburg Prof. Christian Roesler. "Nach der ersten Phase der Verliebtheit stellt man eben doch fest: Wir sind zwei unterschiedliche Menschen." Ob man sich über diese Unterschiede verständigen kann, entscheide mit darüber, ob die Liebe hält.
Artikel Abschnitt: Was passiert in unserem Körper, wenn wir streiten?
Was passiert in unserem Körper, wenn wir streiten?
Bluthochdruck als langfristige Folge
Dauert der Streit nur kurz an, erholt sich der Körper recht schnell wieder. Manchmal sind wir danach noch etwas müde und erschöpft. Besonders lang anhaltende Konflikte mit engen Vertrauten könnten sich aber mit der Zeit negativ auf die Gesundheit auswirken. Wer ständig mit seinem Umfeld im Zwist liegt, entwickelt möglicherweise eher Bluthochdruck. Darauf wies 2014 eine Studie mit mehr als 1500 US-Amerikaner:innen hin.
Artikel Abschnitt: Ist Streit in der Beziehung wichtig?
Ist Streit in der Beziehung wichtig?
Dass es sogar ungesund sein kann, die eigene Wut immer herunterzuschlucken, zeigt eine Studie von Forschenden um die Psychologin Sonja Rohrmann von der Goethe-Universität Frankfurt.
Höherer Blutdruck bei Zurückhaltung
Sie ließen ihre Proband:innen dafür kurzzeitig in einem Callcenter arbeiten. Eine Gruppe erhielt die Anweisung, stets freundlich zu bleiben – egal wie laut vermeintliche Kund:innen am Telefon wurden. Der Rest sollte sich möglichst authentisch verhalten und seinen Gefühlen bei Bedarf freien Lauf lassen. Bei jenen, die ihre Empörung verbergen sollten, stieg der Blutdruck höher als bei denen, die zurückfeuern durften.
Artikel Abschnitt: Streiten Männer anders als Frauen?
Streiten Männer anders als Frauen?
"Männer erleben Streit als unangenehmer"
Der US-amerikanische Psychologe und Beziehungsexperte Prof. John Gottmann sieht den Grund in einem angeblich schwächeren Nervenkostüm der Männer. Sie seien konfliktscheuer, da sie nicht verletzt werden wollten. "Männer erleben Streit tendenziell als unangenehmer und reagieren auch mit höherem physiologischen Stressarousal, was sich dann gegebenenfalls auch in körperlicher Aggression entladen kann", meint Prof. Anne Milek, Paartherapeutin und Leiterin der Abteilung Paar- und Familienpsychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Prof. Christian Roesler hält hingegen kulturelle Gründe für wahrscheinlicher: “Frauen werden in unserer Gesellschaft eher Gefühle zugestanden. Deswegen lernen sie, offensiver mit ihnen umzugehen, beziehungsweise können diese schlechter regulieren.”
Verschiedene Erklärungsansätze
Der Psychologe und Paartherapeut Dr. Stefan Junker kann diese typische Rollenverteilung aus seiner Praxis bestätigen "Warum Männer Streit in Beziehungen eher vermeiden, ist aber noch nicht ganz geklärt. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze neben der geschlechtstypischen Erziehung. Möglicherweise gehen Männer auch eher davon aus, dass sich das Problem schon von selbst erledigen wird. Die Passivität könnte aber auch Ausdruck von Dominanz sein: Indem ich es ignoriere, definiere ich das Thema als unwichtig. Denkbar wäre aber auch, dass Männer befürchten, im Streit gegen die Frau wegen ihrer sprachlichen und sozialen Kompetenz ohnehin zu unterliegen.“
In einer Studie von 2017 legten israelische Forschende der Universität Haifa 403 Männern und Frauen kritische Szenarien vor, wie sie in Beziehungen häufig vorkommen, zum Beispiel: "Stellen Sie sich vor, Sie sind gerade beschäftigt und Ihr Partner verlangt, dass Sie sofort den Müll rausbringen. Wie reagieren Sie?“. Die Befragten hatten mehrere Möglichkeiten zur Auswahl: der frechen Anweisung nachkommen, freundlich ablehnen oder sich im rauen Ton weigern. Zusätzlich wurden sie zu ihrer Motivation für das jeweilige Verhalten gefragt. Das Ergebnis: Männer lehnten über alle Szenarien hinweg seltener ab als Frauen und machten ihrem Unmut weniger Luft.
Sie waren laut eigenen Angaben stärker darauf erpicht, eine Eskalation zu vermeiden. Die Autor:innen nehmen an, dass diese Rollenverteilung vor allem in Situationen gilt, die als relativ sicher wahrgenommen werden – ein Konflikt mit dem eigenen Partner oder der Partnerin, die man liebt und der man vertraut.
In anderen Situationen sind Frauen zurückhaltender
In heikleren Momenten, etwa bei einer Auseinandersetzung mit Fremden, sei es eher umgekehrt: Frauen seien da stärker auf Sicherheit bedacht und Männer durchaus bereit, einen Streit vom Zaun zu brechen. All das sind aber natürlich nur Durchschnittswerte und es sagt nicht unbedingt etwas über die Streitlust einer einzelnen Person aus. Man findet also beispielsweise auch Männer, die im Privaten streitlustiger sind als Frauen.
Homosexuelle Paare stritten im Schnitt behutsamer
Neben Mann-Frau-Duos gibt es natürlich noch viele andere Beziehungskonstellationen. Homosexuelle Paaren beispielsweise scheinen Konflikte konstruktiver auszutragen. Das zeigten kanadische Forschende 2003, als sie 40 gleichgeschlechtliche und 40 heterosexuelle Paare über zwölf Jahre hinweg begleiteten. Das Ergebnis: In den homosexuellen Beziehungen wurden Probleme mit einer positiveren Haltung angesprochen. Sie stritten im Schnitt behutsamer, waren weniger defensiv und nutzten mehr Humor in heiklen Situationen.
Sie verließen Auseinandersetzungen auch tendenziell besser gelaunt als die heterosexuellen Paare. Studien deuten außerdem darauf hin, dass homosexuelle Paare weniger in klassische Rollenmuster verfallen, die zu Zoff führen können, und sich zum Beispiel ähnlich viel an der Hausarbeit beteiligen. In heterosexuellen Beziehungen übernimmt diese Aufgaben immer noch häufiger die Frau.
Artikel Abschnitt: Ab wann schadet Streit der Partnerschaft?
Ab wann schadet Streit der Partnerschaft?
Es fiel auf: Jene, die nach wie vor happy waren, waren einander Jahre zuvor selbst im Streit zugewandt gewesen. Sie hatten sich zwischendurch liebevoll berührt oder die Stimmung durch einen Witz aufgelockert. Wo die Feindseligkeit im Streit in Gottmanns Labor überwog, geriet die Beziehung in den Jahren darauf eher in Gefahr.
Die Gottmann-Konstante
Aus diesem und ähnlichen Experimenten ging die sogenannte Gottmann-Konstante hervor: In glücklichen Partnerschaften überwiegt die positive Interaktion auch in Krisengesprächen deutlich. Im Vergleich zu aggressiven und gehässigen Gesten fünf zu eins. Die größten Beziehungskiller sind laut Gottmann und seinem Team: Kritik unter der Gürtellinie, Gegenangriffe, Verachtung und – Mauern. Wenn eine Seite endgültig zumache, sei es kaum noch möglich, die Beziehung zu retten.
Wenn du wissen willst, bei welchen Argumenten du in Diskussionen aufpassen solltest, schau hier.
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Wann sollte man sich Hilfe von außen holen?
Artikel Abschnitt: Sollten Eltern sich vor ihren Kindern streiten?
Sollten Eltern sich vor ihren Kindern streiten?
Wenn Paare jedoch auch im Streit respektvoll bleiben und zu einer Einigung kommen, wirkt sich das nicht nur weniger negativ auf das psychische Wohlbefinden der Kinder aus, sie können sogar etwas dabei lernen. Anhand solcher Vorbilder verbessern Kinder ihre eigene soziale Kompetenz.
Konfliktlösung wirkt sich aufs Kind positiv aus
"Wenn Kinder erleben, dass ihre Eltern auch mal Konflikte haben, dann aber Lösungen finden und sich wieder versöhnen, ist das enorm unterstützend für die Kinder, weil dann Konflikte nicht als bedrohlich, sondern als Teil des Lebens erlebt werden", erklärt Christian Roesler. "Tatsächlich ist es eher hinderlich, wenn Eltern nie Konflikte austragen."
Lässt sich kein Kompromiss finden, ist es laut Forschenden ratsam, im Anschluss mit den Kindern darüber zu sprechen und ihnen zum Beispiel zu erklären, dass nicht jeder Streit gleich bedeutet, dass Mama und Papa sich nicht mehr lieb haben, oder auch, dass sie am Streit der Eltern nicht schuld sind.
Artikel Abschnitt: Was tun, wenn ständig die Fetzen fliegen?
Was tun, wenn ständig die Fetzen fliegen?
Als besonders effektiv haben sich Präventionsprogramme erwiesen, in denen Paare soziale Skills und Streitregeln erlernen, die einen konstruktiven Umgang mit Problemen ermöglichen. Wissenschaftlich untersucht sind im deutschsprachigen Raum zum Beispiel das an der Universität Zürich entwickelte Programm "Paarlife" und "EPL – ein partnerschaftliches Lernprogramm“ – ein Training, das am Institut für Kommunikationstherapie in München entstand. Langzeituntersuchungen deuten darauf hin, dass sich Paare, die solche Trainings durchlaufen, seltener trennen.
Was kann man selbst tun, wenn es häufig kracht?
Wichtig ist, die ersten Anzeichen einer Eskalation zu erkennen, um zu verhindern, dass der Streit erneut aus dem Ruder läuft. Am besten rekapituliert man den Konflikt dann mit etwas Abstand, raten Paartherapeut:innen: Was war der Auslöser? Mit welchem Verhalten haben beide zur Eskalation beigetragen? Wie lässt sich so etwas zukünftig vermeiden?
Auseinandersetzungen wird es immer geben, kein Paar ist sich immer einig. Daher gilt es, den gesunden Gegenpol zu stärken: Mit bewusst zu zweit verbrachter Zeit, schönen Erfahrungen und gemeinsamen Projekten, bei denen man an einem Strang zieht, lässt sich das Wir-Gefühl stärken. So hält die Liebe auch der ein oder anderen Zerreißprobe stand.
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So streitest du richtig
Es klingt leichter, als es im Eifer des Gefechts ist: Anklagen vermeiden und stattdessen Ich-Botschaften verwenden. Also lieber "Ich ärgere mich, wenn du Klamotten auf den Boden wirfst, weil ich dann das Gefühl habe, alles bleibt an mir hängen" statt "du bist so rücksichtslos, immer muss man dir hinterherräumen." Damit wird die Anklage zur Selbstoffenbarung. Der Partner oder die Partnerin gerät nicht so schnell in die Defensive und kann sich besser auf das Gesagte einlassen.
Konkret bleiben
Besonders verletzend ist es, wenn man im Streit als ganze Person abgewertet wird ("du bist dumm", "du Versager", "du Egoist"). Die Schäden, die so eine endgültige Kritik anrichtet, sind im Nachhinein nur schwer zu beseitigen – auch wenn es eigentlich gar nicht so gemeint war. Was einen stört und verletzt, sollte man also ansprechen. Aber besser konkret anhand einer Situation, zum Beispiel: "Ich fand es schlimm, als du gestern vor allen Gästen Witze auf meine Kosten gemacht hast". Oder: "Es bringt mich zur Weißglut, dass du dein Versprechen, Leon von der Schule abzuholen, nicht gehalten hast".
Pausen einlegen
Hat eine beteiligte Person das Gefühl, eine Aussage geht ihr zu weit, oder wird klar, dass man an dieser Stelle nicht weiterkommt, ist ein Waffenstillstand erlaubt. Dafür kann man im Voraus ein Stoppsignal vereinbaren. So vermeidet man Eskalationen und Sätze, die sich nicht mehr zurücknehmen lassen. Mit etwas Abstand und einem frischen Blick lässt sich vieles leichter klären.
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Das sind alles Beispiele für änderbare Verhaltensweisen (wie z.B. sein Zeug wegzuräumen). Was aber, wenn ständig kritisiert wird wie, man Auto fährt und dass einem doch Verantwortung für die Kinder obliegt (obwohl es die Partnerin ist, die oft geblitzt wird), oder warum man unbedingt ins Büro muss (statt in Homeoffice… Weiterlesen »