Artikel Kopfzeile:
Inneres Sprechen
Darum sind Selbstgespräche gut für dich
Jeder Mensch hat eine innere Stimme – bei manchen ist sie lauter, bei manchen leiser und fast immer hilft sie bei Problemlösungen
Sprungmarken des Artikels:
Artikel Abschnitt: Was ist die innere Stimme?
Was ist die innere Stimme?
Eigentlich ist die Bezeichnung "innere Stimme“ etwas irreführend, weil eine Stimme ja immer mit einem Laut verbunden ist. Allerdings sind Forschende überzeugt, dass auch Menschen, die nicht hören und nicht über Laute kommunizieren können, eine innere Stimme haben. Daher wird häufig die Bezeichnung "inneres Sprechen“ bevorzugt, so auch von der Psycholinguistin Anke Werani von der LMU München. Sie ist überzeugt davon, dass jeder Mensch inneres Sprechen praktiziert, dies jedoch ganz unterschiedlich ausgeprägt sein kann.
Diese Vermutung deckt sich mit Untersuchungen des US-amerikanischen Forschers Russell T. Hurlburt, der viele Studien rund ums innere Erleben durchgeführt hat. Besonders dem inneren Sprechen hat Hurlburt viel Aufmerksamkeit gewidmet und festgestellt, dass manche Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer laut eigenen Angaben fast durchgängig mit sich selbst sprechen, während andere angeben, dies nie zu tun. Ob sie sich selbst einfach nicht genug zuhören oder ob sie wirklich keine innere Stimme haben, kann hierbei nicht abschließend geklärt werden.
Artikel Abschnitt: Wie bekommt man eine innere Stimme?
Wie bekommt man eine innere Stimme?
In diesem Zusammenhang ist wichtig zu wissen, dass es schon Studienergebnisse von Untersuchungen mit Kindern gibt, die zeigen: Wenn man mit Kindern gute und positiv-konstruktive Dialoge führt, werden diese von den Kindern internalisiert. Dies hat maßgeblich einen Einfluss darauf, wie sie später mit sich selbst sprechen und wie sie sich motivieren. "Je nachdem, wie man mit den Kindern spricht, werden sie später vielleicht besser in Mathe“, erklärt Anke Werani. Kinder verinnerlichen die motivierende Sprache und schaffen es dann später, sich auch allein besser zu motivieren und zu besseren Leistungen anzuspornen. Wie sich die eigene innere Stimme im Laufe des Lebens verändert und was für Stufen sie durchläuft, ist noch unbekannt – wird aber aktuell durch eine laufende Studie an der LMU München erforscht.
Artikel Abschnitt: Wie unterscheidet sich inneres von äußerem Sprechen?
Wie unterscheidet sich inneres von äußerem Sprechen?
Im Gegensatz zum äußeren Sprechen muss das innere Sprechen nicht immer in ganzen Worten oder Sätzen erfolgen, sondern kann bruchstückhaft passieren. Es ist häufiger fokussiert auf Verben anstatt auf Nomen oder Adjektive, da wir unserm Gehirn beispielsweise nicht extra sagen müssen, was wir mit unseren Augen wahrnehmen und diese Ebene einfach wegfallen kann.
Inneres Sprechen funktioniert in der Regel auch um einiges schneller als äußeres. Ein kurz erbrachter Beweis dafür ist die Tatsache, dass still lesen viel schneller funktioniert als laut lesen – eben weil man die Worte nicht erst "verlauten“ muss, sondern im Kopf als Versatzstücke lesen kann. Forschungen haben ergeben, dass nur ein verschwindend geringer Teil von Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern (drei Prozent) einen Text wirklich als vollständige "innere Erzählung“ liest, so als würden sie ihn sich selbst laut vorlesen.
Artikel Abschnitt: Wofür braucht man inneres Sprechen?
Wofür braucht man inneres Sprechen?
Nicht auf das WAS, sondern auf das WIE kommt es an
Die Psycholinguistin Anke Werani hat sich in einer Studie speziell mit der Qualität des inneren Sprechens beschäftigt und untersucht, inwiefern es eine Rolle spielt, WIE man mit sich selbst spricht. Als Ergebnis hat sie zwei unterschiedliche Sprech-Denk-Typen und deren Formen der Problemlösung erarbeitet: die Pragmatiker und die Zweifler. Die Pragmatiker sprechen gut und viel mit sich selbst und können eine Problemlösung zielstrebig angehen.
Die Zweifler hingegen merken erst später als die Pragmatiker, dass überhaupt ein Problem vorliegt. Sie sind nicht so schnell und nutzen gegenüber sich selbst auch häufiger Äußerungen mit demotivierendem Inhalt. Ein Zweifler würde beispielsweise angesichts einer schwierigen Aufgabe im Inneren sagen: "Ach, das dauert mir zu lange und ich konnte das eh noch nie. Das wird doch nie was“. Dies hat direkten Einfluss auf die Problemlösung, die im Falle der Zweifler häufiger negativ verläuft als bei den Pragmatikern.
Hier liest du, warum wir uns im Nachhinein für schlauer halten.
Schon mal selbst überschätzt? Warum das so oft passiert, erfährst du hier.
Die Qualität des inneren Sprechens ist also ein ganz entscheidender Faktor. Diese Erkenntnis wird auch in Feldern wie der Autosuggestion, Meditation oder bei Mentaltechniken eingesetzt. "Man würde beispielsweise ja auch keine Negation in eine Autosuggestion hineinbringen, um sich zu beruhigen. Sich selbst zu sagen: Sei jetzt NICHT aufgeregt – das funktioniert einfach nicht“, sagt Anke Werani.
Auch bei Sportlern und Sportlerinnen hat sich gezeigt, dass manche von ihnen umso erfolgreicher sind, je mehr sie mit sich selbst sprechen. Hier wird allerdings in der Forschung nicht unterschieden, ob sie vor einem Wettkampf laut mit sich selbst sprechen oder dies nur im Stillen tun. Die Sprache scheint hier dazu zu dienen, die Aufmerksamkeit der Sporttreibenden zu fokussieren und zu steuern. Ausgehend von diesen Ergebnissen lohnt es sich also, das innere Sprechen vielleicht etwas genauer zu beobachten und in der ein oder anderen Situation etwas freundlicher zu sich selbst zu sein.
Verschiedene Stimmen im Kopf
Es gibt auch Situationen, in denen sich die Stimme in unserem Kopf und ihre dahinterstehende Persönlichkeit verändern kann, auch wenn sie klanglich dieselbe bleibt. In einer Studie von 2015 wurden bei Befragungen von Studierenden über ihre inneren Gespräche zum ersten Mal vier innere Stimmen identifiziert. Diese verschiedenen "Persönlichkeiten“ kamen in verschiedenen Lebenssituationen der Teilnehmenden zum Einsatz:
- der treue Freund (verbunden mit persönlicher Stärke, Beziehungen, positiven Gefühlen)
- ambivalenter Elternteil (vereint Stärke, Liebe und wohlmeinende Kritik)
- der stolze Rivale (distanziert und erfolgsorientiert)
- hilfloses Kind (negative Emotionen und soziale Distanz)
Diese an sich selbst gerichtete Rede kann helfen, sich aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und eine kritische Distanz einzunehmen. Sie kann also helfen, dass wir Taten oder Meinungen noch einmal neu bewerten. Im Bereich des Coachings wird auch oft vom "inneren Team“ gesprochen. Häufig werden die jeweiligen Stimmen dann auch noch genauer personifiziert, um den Menschen zu helfen, andere Perspektiven bei Problemlösungen einzunehmen. Ein wenig erinnert dies auch an Siegmund Freud und seine Theorie des Über-Ichs (das Gewissen als zusätzliche Person, die mit uns spricht).
An dieser Stelle ist wichtig zu sagen, dass diese gesunde Form der Selbstgespräche auch ihre Grenzen hat. Wenn die Stimmen zu laut werden, zu aggressiv und vor allem zu dominant, kann dies auch auf eine Krankheit wie Schizophrenie hinweisen und muss dringend behandelt werden.
Artikel Abschnitt: Wie sicher sind die Erkenntnisse über inneres Sprechen?
Wie sicher sind die Erkenntnisse über inneres Sprechen?
Die Problematik besteht im Wesentlichen darin, dass Versuchspersonen ihre Gedanken, die im Inneren stattfinden, irgendwie nach außen kehren müssen, um diese greifbarer und untersuchbar für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu machen. Diese Umkehr von innen nach außen ist nicht immer 100 Prozent akkurat, weil es den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern Berichten zufolge oft schwerfällt, ihre Gedanken so auszudrücken, wie sie sich in ihrem Kopf abgespielt haben.
Eine Methode, um Gedanken mehr oder weniger zu extrahieren, ist die des Descriptive Experience Sampling (DES), erfunden von Russell Hurlburt in den 1970er-Jahren. Hurlburt baute einen Signaltongeber, den die Probanden seiner Studien mit sich führen mussten. Jedes Mal, wenn das Gerät ein Signal gab, mussten die Teilnehmenden ihre Gedanken dieses einen Moments so detailliert wie möglich aufschreiben und später mit den Forschenden besprechen. Schon im Moment des Aufschreibens ist der Denkmoment eigentlich verflogen und es kann nicht sichergestellt werden, dass die Probanden ihre Gedanken nicht beschönigen oder gewählter ausdrücken, als sie es ursprünglich waren.
Eine weitere Methode ist die des lauten Denkens. Sie besteht im Wesentlichen darin, dass die Person, die an der Studie teilnimmt, gebeten wird, alles auszusprechen, was ihr durch den Kopf geht – im besten Fall genauso WIE es ihr gerade durch den Kopf geht. Dies wird besonders häufig durchgeführt, während die Personen ein Problem oder eine Aufgabe lösen müssen. Auch hier gelten allerdings ähnliche Grenzen wie beim DES.
Dazu kommt, dass das innere Sprechen, wie schon gesagt, eine sehr private und individuelle Angelegenheit ist, und es somit problematisch sein kann, allgemeingültige Aussagen darüber zu treffen, auch in der Forschung.
Über den/die AutorIn:
Quellenangaben zum Artikel:
Social Sharing:
Artikel Überschrift:
Ich rede oft mit mir selbst und finde das eigentlich gar nicht so schlimm.
Stimme dir da komplett zu! Mache ich auch oft.
Toll, dann sind wir ja schon zwei 😀
Der Kommentar ist immer noch King ?