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Arbeitslosigkeit
So stark kann Arbeitslosigkeit die Gesundheit belasten
Arbeitslosigkeit gehört zu unserer Arbeitswelt dazu. Problematisch ist, dass sie unsere Gesundheit gefährdet.
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Inhalt
- Darum geht’s: Arbeitslosigkeit ist durch die Corona-Krise gestiegen
- Darum müssen wir drüber sprechen: Arbeitslosigkeit hat Folgen für unsere Gesundheit
- Aber: Wie sich Arbeitslosigkeit genau auf uns auswirkt, hängt von vielen persönlichen Faktoren ab
- Und jetzt? So können wir besser mit Arbeitslosigkeit umgehen
- Darum geht’s: Arbeitslosigkeit ist durch die Corona-Krise gestiegen
- Darum müssen wir drüber sprechen: Arbeitslosigkeit hat Folgen für unsere Gesundheit
- Aber: Wie sich Arbeitslosigkeit genau auf uns auswirkt, hängt von vielen persönlichen Faktoren ab
- Und jetzt? So können wir besser mit Arbeitslosigkeit umgehen
Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
Arbeitslosigkeit ist durch die Coronakrise gestiegen
Das heißt auch: Jeden kann einen Jobverlust erleiden. Arbeitslosigkeit ist heute kein ungewöhnliches Ereignis im Verlauf eines Lebens – sondern Bestandteil vieler Berufsbiographien.
Corona bedroht Arbeitsplätze
Die Gefahr eines Jobverlustes ist durch die Corona-Krise gestiegen. 2020 waren laut Bundesagentur für Arbeit im Jahresdurchschnitt rund 2,7 Millionen Menschen arbeitslos. Damit erhöhte sich die Zahl um 429.000. Denn die Pandemie hat spürbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und unsere weltweit vernetzte Wirtschaft. Hier erklären wir, welche Auswirkungen Corona auf unseren Geldbeutel hat.
Solche Wirtschaftskrisen können sich negativ auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung auswirken. Hier erklären wir, welche Folgen eine Rezession für die psychische Gesundheit haben kann. Umbrüche wie Corona sind allerdings nicht die einzigen Faktoren, die Einfluss auf unsere Arbeitswelt nehmen.
Weitere Angaben zum Artikel:
So wird Arbeitslosigkeit in Studien definiert
Deren Definition besteht aus drei Kernelementen. Um als arbeitslos zu gelten, muss eine Person demnach
- "ohne Arbeit" sein,
- "dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen" und
- "aktiv Arbeit suchen"
Mit dem ersten Punkt unterscheidet man arbeitslose von erwerbstätigen Personen. Mit dem zweiten und dritten Punkt unterscheidet man Arbeitslose von Personen, die nicht der Erwerbsbevölkerung angehören – also von Hausfrauen und -männern, Studierenden, Rentnern, Häftlingen und Erkrankten.
Durch abweichende Definitionen kommen dann auch teilweise unterschiedliche Zahlen in Statistiken zustande.
Artikel Abschnitt:
Unsere Arbeitswelt hat sich verändert
Laut den Psychologen Paul und Moser, die seit Jahren an den Auswirkungen von Arbeitslosigkeit forschen, gab es in den letzten Jahren vor allem dadurch Veränderungen, dass Beschäftigungsverhältnisse flexibler geworden sind. Sprich: Viele sind weder zeitlich noch örtlich von Dauer, Arbeitnehmer sollen mobil und anpassungsfähig bleiben.
Diese Flexibilität hat ihre Nachteile. Ein Nachteil wäre, dass durch diese Flexibilität die Unsicherheit steigt – und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Arbeitslosigkeit kommen kann.
… und sie wird sich noch mehr verändern
Viele Forschende gehen davon aus, dass es durch digitale Technologien noch weitere Veränderungen geben wird, beispielsweise durch Fortschritte in der der Robotertechnologie. Manche hoffen, dass durch die Digitalisierung neue – und mehr – Arbeitsplätze entstehen.
Andere sind da eher pessimistisch, beispielsweise Carsten Brzeski und Inga Burk von der ING Diba. Sie haben 2015 verschiedene Branchen untersucht. Ihr Ergebnis: In diesen könnten in Deutschland nahezu 60 Prozent der Arbeitsplätze überflüssig werden. Besonders betroffen sind demnach administrative Tätigkeiten wie Sekretäre oder Sachbearbeiter, gefolgt von Hilfsarbeitstätigkeiten.
Viele Forschende befürchten, dass insbesondere geringqualifizierte Arbeitnehmer Gefahr laufen, durch Maschinen ersetzt zu werden.
Arbeitslosigkeit hat negative Folgen für unsere Gesundheit
Sollten keine Alternativen geschaffen werden, drohen nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern auch die gesundheitlichen Folgen, die daraus entstehen.
Denn: Arbeitslosigkeit ist ein ernsthaftes Risiko für die Gesundheit – darin ist sich die Forschung einig. „Der negative Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit wurde vielfach belegt“, sagen der Soziologe Gerhard Krug und seine Kollegen.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Arbeitslosigkeit hat Folgen für unsere Gesundheit
Ungesünderer Lebenswandel …
Arbeitslose legen laut mehreren Studien häufiger ein ungesundes Verhalten an den Tag. Sie machen beispielsweise seltener Sport, wie eine Panelstudie vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergab.
Während in Deutschland rund ein Viertel der Erwerbstätigen keinen Sport treibt, ist es bei Hartz-V-Empfängern fast jeder Zweite. Ein Grund könnte darin liegen, dass manche Menschen sportliche Hobbys aufgeben müssen, weil sie nach dem Jobverlust finanziell schlechter dastehen.
… durch schlechtere Ernährung
Ähnliches könnte für den Kauf von Medikamenten und Lebensmitteln gelten. Laut Studien nehmen Erwerbslose seltener frisches Obst und Gemüse zu sich und seltener eine warme Mahlzeit am Tag. In der internationalen Forschung wird das als food insecurity bezeichnet.
Weniger Bewegung, weniger gesunde Nahrung – das wirkt sich auf das Gewicht aus. Zumindest war es so in einer Studie aus Großbritannien: Die arbeitslosen Probanden und Probandinnen nahmen durchschnittlich mehr Gewicht zu als Erwerbstätige. Generell gehören Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten zu den Gesundheitsproblemen, die häufig bei Arbeitslosen auftreten.
… durch Zigaretten
Verschiedene Forschende stellten zudem einen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Drogenkonsum fest. So rauchen Erwerbslose eher als Erwerbstätige im gleichen Alter.
Auch die Wahrscheinlichkeit, einen schweren Alkoholismus zu entwickeln, steigt laut mehreren Studien mit der Dauer der Arbeitslosigkeit an.
Angehörige sind ebenfalls betroffen
"Die Folgen von Arbeitslosigkeit beschränken sich nicht auf die Arbeitslosen selbst", sagt der Politologe Frank Oschmiansky. Auch für nahe Angehörige könne Arbeitslosigkeit eine "gravierende Beeinträchtigung" von Wohlstand, Selbstachtung, sozialem Ansehen und Lebenschancen bedeuten.
Viele Forschende gehen davon aus, dass sich Arbeitslosigkeit auch auf das Netzwerk der Menschen auswirkt. Das liegt zum einen daran, dass der Kontakt zu Kollegen und Kolleginnen verloren geht. Aber auch Beziehungen, die gar nicht im Arbeitsumfeld entstanden sind, können kaputtgehen.
Kontakte gehen verloren
Dafür gibt es verschiedene Gründe. In einer Untersuchung der Soziologen Thomas Gurr und Monika Jungbauer-Gans berichteten Erwerbslose, dass ihnen die finanziellen Möglichkeiten zur Teilhabe fehlen.
Schamgefühle durch die Arbeitslosigkeit sind ein weiterer Grund, der eine Teilhabe erschwert– und zwar auch bei jenen, die noch in Lohn und Brot stehen. "Dadurch kann der Abbruch der Beziehungen von beiden Seiten ausgehen", so die Forschenden.
Viele Arbeitslose fühlen sich zudem stigmatisiert. Je stärker dieses Gefühl ist, desto schlechter ist im Schnitt ihr Gesundheitszustand, stellten Soziologen in einer Studie 2013 fest.
Risiko für psychische Krankheiten erhöht
Bei den Auswirkungen auf die eigenen Kontakte und das Wohlbefinden wundert es kaum, dass Erwerbslose ein doppelt so hohes Risiko haben, psychische Gesundheitsprobleme zu bekommen. Dazu zählen Depressionen, Angstsymptome oder auch eine eingeschränkte Lebenszufriedenheit.
Gesundheitswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen fanden zudem heraus, dass Arbeitslose mehr Tage im Krankenhaus verbringen als Erwerbstätige. Die mit Abstand größten Unterschiede zeigten sich bei stationären Krankenhausaufenthalten wegen psychischer Störungen.
Warum trifft uns Arbeitslosigkeit so hart?
Psychische Probleme, ungesunde Ernährung, Gewichtszunahme, Drogenkonsum – all das sind mögliche Gründe, warum das Sterberisiko für Arbeitslose erhöht ist. Laut einer Metaanalyse aus dem Jahr 2011, in die über 40 Längsschnittstudien eingingen, liegt sie bei Erwerbslosen rund 1,6 Mal so hoch.
Einem Erklärungsansatz zufolge trifft uns Arbeitslosigkeit so hart, weil wir einer Arbeitsstelle einen hohen gesellschaftlichen Wert beimessen. Deshalb wird der Verlust als stark entwertend erlebt.
Verlust von Strukturen, die wichtig für die Gesundheit sind
Einen sehr bekannten Erklärungsansatz hat die Sozialpsychologin Marie Jahoda in den 80ern entwickelt. Ihr Ansatz hat die Forschung über Jahrzehnte geprägt und gilt noch heute als einflussreich. Kern dabei ist, dass mit dem Verlust des Jobs wichtige Funktionen verloren gehen: existenzsichernde und latente Funktionen.
Mit letzteren sind gemeint:
- Feste Tagesstrukturen gehen verloren
- Regelmäßige Aktivität geht verloren
- Sozialkontakte gehen verloren – zum Beispiel zu Kollegen und Kolleginnen
- Es gehen Möglichkeiten verloren, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
- Status, Identität und Anerkennung gehen verloren
Das Erleben von festen Strukturen und Sozialkontakten ist aber wichtig, um die psychische Gesundheit aufrechtzuerhalten.
Weitere Angaben zum Artikel:
Ein Klassiker der Forschung
In Marienthal in Österreich war 1930 die ortsansässige Textilfabrik geschlossen worden. Damit verloren drei Viertel der heimischen Familien ihre Lebensgrundlage. Die Forschungsgruppe versuchte daraufhin, die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit mittels Befragungen und Beobachtungen herauszuarbeiten.
Ihre Befunde:
- Arbeitslosigkeit führt nicht nur zu materiellem Elend, sondern hat auch psychische und soziale Folgen.
- Nicht alle Menschen reagierten gleich auf den Jobverlust
- Insgesamt zeigte sich aber in Marienthal eine zunehmende Inaktivität, Mutlosigkeit sowie eine messbare Verlangsamung des Alltags.
- Kulturelle und soziale Aktivitäten gingen zurück. Die Autoren beschrieben die Auswirkungen als "müde Gemeinschaft“.
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Aber:
Wie sich Arbeitslosigkeit genau auf uns auswirkt, hängt von vielen persönlichen Faktoren ab
Bildungsstand
Der negative Effekt, den Arbeitslosigkeit auf die Gesundheit hat, hängt vom Bildungsniveau ab. Höher gebildete Arbeitslose leiden weniger unter Gesundheitseinbußen, wie mehrere Studien ergaben.
Forschende vermuten, dass das daran liegt, dass für Besserqualifizierte die Aussichten auf eine neue Anstellung höher sind. Zudem haben sie einen größeren finanziellen Puffer.
Ob jemand arbeitslos wird, hängt ebenfalls von seinem Bildungsstand ab: Je höher die schulische und berufliche Qualifikation ist, desto seltener werden Phasen von Arbeitslosigkeit im Lebenslauf. Das wird in der Wissenschaft mit dem Begriff Kompositionseffekte beschrieben.
Krankheiten
Bei Menschen mit psychischen Problemen ist eine ungünstige berufliche Entwicklung wahrscheinlicher als bei Menschen ohne. Denn chronisch Kranke werden seltener beschäftigt, stellen RKI-Forschenden fest.
Man geht beispielsweise davon aus, dass eine geringere Leistungsfähigkeit und häufigere Fehlzeiten mit psychischen Problemen in Zusammenhang stehen – und Kündigungen dadurch wahrscheinlicher werden. Auch die Stellensuche könnte länger dauern, weil ein schlechtes Befinden dafür hinderlich ist.
Wenn Menschen zahlreiche körperliche Beschwerden haben, ist die Wahrscheinlichkeit ebenfalls höher, dass sie ihre Stelle verlieren. Insbesondere Schmerzsymptome schienen dabei eine bedeutsame Rolle zu spielen.
Soziale Bindungen
Wenn jemand über Unterstützung aus seinem sozialen Umfeld verfügt, ist es für ihn ebenfalls leichter, die Belastung durch Arbeitslosigkeit wegzustecken.
Unser Netzwerk hat auch einen vergleichsweise großen Einfluss darauf, ob wir schnell eine neue Anstellung finden. Verschiedene Studien haben ergeben, dass ehemals Arbeitslose häufig über Kontakte an ihre neue Stelle gekommen sind.
Geschlecht
Ob das Geschlecht einen Einfluss darauf hat, wie wir mit Arbeitslosigkeit umgehen, ist heutzutage umstritten. Die Befundlage ist hier nicht eindeutig.
Näher untersucht wurde der Aspekt von der Sozialpsychologin Marie Jahoda. Demnach ist der Jobverlust für Frauen weniger einschneidend. Der springende Punkt dabei sind traditionelle Rollenbilder, die immer noch tief in unserem kollektiven Bewusstsein verankert sind und eine Berufstätigkeit eher dem Mann zuschreiben als der Frau:
- Der Mann galt als Ernährer der Familie, die Frau als Zuverdienerin. Damit war die existenzsichernde Funktion des Jobs bei Frauen nicht so ausschlaggebend wie beim Mann.
- Auch die latenten Funktionen waren demnach für Frauen nicht so wichtig – da sie noch eine "Alternativrolle" als Hausfrau und Mutter hatten.
Persönlichkeitsmerkmale
Persönlichkeitsmerkmale haben ebenfalls einen Einfluss darauf, wie oft und lange ein Mensch in seinem Leben arbeitslos ist.
Vergleichsweise lange in Arbeitslosigkeit befinden sich:
- Introvertierte: zurückhaltende und in sich gekehrte Menschen
- Menschen mit geringer Verträglichkeit, die unfreundlich, misstrauisch und wenig kooperativ sind
- Menschen mit einer hohen Offenheit: fantasievolle, intellektuell neugierige Menschen mit starkem Interesse an Abwechslung
Schnell wiederbeschäftigt werden dagegen Menschen mit geringem Neurotizismus: Sie sind selbstsicher, wenig ängstlich und haben eine hohe Stressresistenz. Ebenfalls zügig finden Gewissenhafte eine Stelle: Sie haben einen hohen Grad an Selbstkontrolle, Zielstrebigkeit und Besonnenheit.
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Und jetzt?
So können wir besser mit Arbeitslosigkeit umgehen
Es muss nicht nur schlecht sein
Ein Jobverlust wird in der Regel als bedrohliches Lebensereignis betrachtet. Er bringt Unsicherheit und Existenzängste mit sich und verlangt, dass wir unser Leben neu ausrichten.
Das muss aber nicht nur schlecht sein – sondern kann, je nach Lebensumstand, dazu führen, dass wir eine Auszeit haben. So empfanden es beispielsweise ältere, arbeitslose Manager, die 2007 von Jelena Zikic und Julia Richardson von der York University befragt wurden.
Beziehungspflege und Neuorientierung
Sie renovierten ihre Wohnungen, trieben Sport und intensivierten oder wiederbelebten Freundschaften und familiäre Beziehungen. Zudem hatten sie Zeit, sich beruflich neu zu orientieren. Allerdings haben Manager und Managerinnen auch einen größeren finanziellen Puffer und verfügen meist über eine solide Ausbildung, sodass ihre Gründe für Existenzängste als geringer eingestuft werden können.
Andere Studien stellten vor allem positive Effekte fest, wenn die Erwerbslosen mit ihrem alten Job nicht zufrieden waren. Sie hatten dann Zeit, zu reflektieren und sich neue Karrieremöglichkeiten zu überlegen.
"Einschränkend ist hierzu aber zu sagen, dass es sich bei Arbeitslosen, denen es gelingt, von ihrer Arbeitslosigkeit psychisch zu profitieren, um eine eher kleine Gruppe handelt", betonen Paul und Moser. Allerdings: Positive Auswirkungen von Arbeitslosigkeit sind bislang auch wenig erforscht.
Zeit nutzen
Auch viele Ratgeber empfehlen, die Zeit zu nutzen. Beispielsweise, indem man seine PC-Kenntnisse frisch hält. Das funktioniert unter anderem über Webinare, die es kostenlos gibt.
Die Fremdsprachenkenntnisse können ebenfalls auf dem Stand gehalten werden, beispielsweise indem man Romane auf Englisch, Französisch oder Spanisch liest. Über die Freiwilligenagenturen der Städte kann man sich um ein Ehrenamt bemühen.
Und die Politik?
Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die Arbeitslose unterstützen sollen. Ihre Ziele und Ausgestaltungen bewerten Forschende als mehr oder weniger sinnvoll.
Nicht hilfreich sind in der Regel Maßnahmen, die auf eine Erhöhung der Arbeitsmotivation zielen, sagen die Psychologen Paul und Zechmann. "Denn die meisten Arbeitslosen besitzen bereits eine hohe Arbeitsmotivation und profitieren nicht von einer weiteren Erhöhung."
Hilfreiche Programme
Vor allem ist es jedoch auch wichtig, die Gesundheit in den Fokus der Maßnahmen zu nehmen. Gerade wenn die Arbeitslosen hier Defizite aufweisen. Ebenfalls einen positiven Effekt haben Programme, bei denen die Stellensuch-Fähigkeiten der Arbeitslosen verbessert wurden.
Generell sollten Maßnahmen für Arbeitssuchende
- aktiv gestaltet sein. Teilnehmer sollten nicht nur Vorträge rezipieren.
- den Teilnehmenden ein Gefühl von Sinnhaftigkeit vermitteln. Beispielsweise, indem sie für andere Menschen nützlich sind.
- zu Ergebnissen führen, auf die die Teilnehmenden stolz sein können. Die Aktivitäten sollten daher herausfordernd sein und Erfolgserlebnisse ermöglichen.
- positive Kontakte zu anderen Menschen anregen.
- dazu beitragen, die Woche der Teilnehmenden klar zu strukturieren.
Für Arbeitslose mit besonders schlechten Aussichten könnte es auch sinnvoll sein, neue Quellen für Sinn außerhalb der Erwerbsarbeit zu erschließen. Damit könnte die psychische Gesundheit stabilisiert werden.
Und die Gesellschaft?
Der eine Ansatz ist, die Folgen der Arbeitslosigkeit durch Kurse und andere Maßnahmen zu reduzieren, andere Ansätze sind langfristigerer Natur.
Ein Aspekt wäre, Vorurteile abzubauen. Betriebe entscheiden sich im Zweifelsfall eher für Bewerberinnen und Bewerber, die noch in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Erwerbslose – insbesondere Langzeitarbeitslose – gelten in der Gesellschaft indes als weniger motiviert. Der Soziologe Erving Goffman hat hierfür bereits in den 60er-Jahren den Begriff Stigmatisierung eingeführt.
Diese führt zu einem höheren Leidensdruck. Daher suchen Langzeitarbeitslose, die sich stigmatisiert fühlen, mit höherer Wahrscheinlichkeit aktiv nach einer Stelle als andere Langzeitarbeitslose. Das ist das Ergebnis einer Studie des Soziologe Krug und Kollegen aus dem Jahr 2019.
Das Problem: Ihre Bemühungen sind nicht von Erfolg gekrönt. Die Beschäftigungswahrscheinlichkeit steigt trotzdem nicht.
Die überholte Arbeitsgesellschaft?
Arbeitslosigkeit wird auch als stark entwertend erlebt, weil einer Arbeitsstelle ein hoher gesellschaftlicher Wert zugeschrieben wird. Der hohe Stellenwert rührt daher, dass sich bürgerliche Gesellschaften als Arbeitsgesellschaften definieren, sagt der Soziologe Wolfgang Bonß von der Universität der Bundeswehr München: "Dass der Mensch erst durch die Arbeit zum Menschen wird, war die Überzeugung zahlreicher Ökonomen und Sozialphilosophen seit dem späten 18. Jahrhundert."
Bonß macht allerdings deutlich, dass dieses Konzept bald überholt sein könnte. Denn die Möglichkeiten, Arbeitsplätze durch Digitalisierung zu rationalisieren, seien noch nicht ausgeschöpft.
Der Soziologe erwartet, dass es immer mehr "(Schein-)Selbstständige, Teilselbstständige und nur je nach Auftragslage Beschäftigte geben wird". Vom Dreiklang Ausbildung, Berufstätigkeit, Verrentung müssten wir Abschied nehmen.
Zeit für "andere" Arten von Arbeit
Er kritisiert, dass unbezahlte Tätigkeiten wie Hausarbeit, Eigenarbeit oder Ehrenämter als ein Privatvergnügen angesehen werden.
Diese Kritik könnte auch vor dem Hintergrund relevant sein, dass viele Forschende sagen, dass wir nicht wie bisher weiterwirtschaften können. Hier erklären wir, ob die Wirtschaft wirklich immer wachsen muss. Denn unsere Ressourcen sind endlich.
In vielen Vorschlägen für eine "neue" Wirtschaftsordnung spielt es daher eine Rolle, dass Menschen Zeit haben, andere Tätigkeiten zu verrichten als Erwerbsarbeit. Wenn "Arbeit" neu gedacht würde, könnte das viele der psychischen und körperlichen Folgen von Arbeitslosigkeit reduzieren.
Autorin: Claudia Wiggenbröker
ursprünglich veröffentlicht: 25. März 2021
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Artikel Überschrift:
Hallo, eine gelungene Zusammenstellung vieler wichtiger Punkte. Ich hin in wechselnden Finanzierungsmodelle erfahren, weil ich Wissenschaftler in einem einstmals bedeutenden Gebiet bin (Maschinenbau- da gibt es jetzt große Konkurrenz) und mich beim Promotionsstudium bspw. mit ALG-2 finanzieren musste tlw. Seit ein paar Jahren und einem Umzug nach Bayern werde ich… Weiterlesen »
Manchmal wird hier ein bisschen Umfug erzählt sonst finde ich es aber auch eine gut gelungene Zusammenfassung.
…ja, es enthält einige Punkte, die keinesfalls in der Breite bekannt sind. Herr Professor Bonß von der unibw.de scheint da sehr aktuell zu forschen (siehe Artikel).
Was für ein Unfug. Ihr versucht hier Arbeit schönzureden, damit die Leute ja nicht unser System hinterfragen. Der einzige Grund, warum es Arbeitslosen schlecht geht, ist nicht, dass sie Arbeit vermissen und keinen geregelten Tag haben, sondern dass sie permanent um die Existenz fürchten müssen. Der einzige Grund, warum Arbeitslosigkeit… Weiterlesen »
Würden nicht dann alle Menschen aufhören zu Arbeiten und nur noch faul rumliegen und nichts tun? Dann würde niemand mehr Arbeiten wollen und die Wirtschaft und der Wohlstand würde zusammenbrechen.