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Corona
Delta-Variante: Wo ist eigentlich das Problem?
Die Inzidenz ist so gering wie lange nicht, immer mehr Menschen sind geimpft. Warum also der ganze Wirbel um die Delta-Variante?
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Die Delta-Variante des Coronavirus verbreitet sich in Europa
Als Erstes traf es Großbritannien, wo sich die Delta-Variante trotz einer relativ hohen Durchimpfungsrate schnell vermehren konnte und mittlerweile mehr als 90 Prozent der sequenzierten Fälle ausmacht. Nun dominiert sie auch in Portugal und Russland.
Fachleute sagen mittlerweile voraus, dass sich die Delta-Variante in ganz Europa durchsetzen wird. Ab August könnten bereits 70 Prozent der Neuinfektionen mit SARS-CoV-2 in der EU auf diese Variante zurückzuführen sein, ergibt eine Modellierung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Ende August könnten es schon 90 Prozent sein.
Hat Deutschland die Delta-Variante im Griff?
Auch in Deutschland könnte die ECDC-Modellierung durchaus zutreffen. RKI-Berichten zufolge könnte die Delta-Variante schon jetzt mindestens 50 Prozent der Neuinfektionen ausmachen.
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Also warum der ganze Wirbel? Können trotz geringer Fallzahlen Infektionsketten mit der Delta-Variante entstehen, die die Inzidenz wieder hochtreiben? Kann die Delta-Variante großes Leid anrichten, obwohl mittlerweile mehr als 50 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft sind? Und wäre es deshalb doch sinnvoll, Urlaubsreisen ins Ausland zu verbieten?
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Niedrige Inzidenzen können schnell steigen
Das ECDC warnt: Weitere Lockerungen könnten zu einer rasanten Ausbreitung der Delta-Variante führen — und damit auch die täglichen Fälle, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle schnell und signifikant ansteigen lassen. Dafür gibt es vier Gründe:
Grund 1: Die Delta-Variante ist ansteckender
Wir kennen es mittlerweile schon: Oft sind neue Varianten des Coronavirus ein bisschen ansteckender als ihre Vorgänger. Das Ursprungsvirus vom Anfang der Pandemie hatte ohne Eindämmungsmaßnahmen einen R-Wert von 1,9 bis 2,6. Eine infizierte Person hat also im Schnitt 1,9 bis 2,6 weitere Leute angesteckt. Für die Alpha-Variante (also die britische Variante B.1.1.7) wurde ein R-Wert von 3 bis 4 ermittelt und bei der Delta-Variante liegt er nun wahrscheinlich bei 5 bis 6. Wie hoch der R-Wert ist, hängt natürlich von der Anzahl der Kontakte ab.
Klar ist aber: Bei der Delta-Variante ist die Ansteckungsrate bisher am höchsten. Erste Datenanalysen ergeben, dass sie bis zu 40 bis 60 Prozent ansteckender ist als die Alpha-Variante (also die britische Variante B.1.1.7), die aktuell noch bei uns in Deutschland vorherrscht. Britische Fachleute schätzen die Ansteckungsrate von Delta sogar auf bis zu 80 Prozent höher.
Grund 2: Das Virus breitet sich exponentiell aus
Ein Punkt, der immer wieder vergessen wird: Das Coronavirus verbreitet sich exponentiell. Nehmen wir mal an, jede mit der Delta-Variante infizierte Person steckt fünf weitere Menschen an, dann sähe eine Infektionskette etwa so aus:
1 Infizierter → 5 Infizierte → 25 Infizierte → 125 Infizierte → 625 Infizierte ...
Bei einer Inkubationszeit von fünf Tagen gäbe es also schon nach 20 Tagen 625 Neuinfizierte.
Das heißt: So schnell, wie die Inzidenz in den letzten Wochen runtergegangen ist, kann sie im schlechtesten Fall auch wieder hochgehen. Erinnert euch daran, wie die Ausbreitung der Alpha-Variante im März 2021 die dritte Welle ausgelöst hat – sehr schnell aus dem Nichts. Und mit der Delta-Variante könnte die Kurve eben noch steiler ansteigen, weil sie noch ansteckender ist.
Aktuell ist die Ansteckungsrate durch die Saisonalität sehr gering – durch die warme und feuchte Luft überlebt das Coronavirus schlechter. Aber im Herbst, wenn sich das Wetter wieder zugunsten des Virus ändert, könnte eine steigende Inzidenz zum Problem werden.
Grund 3: Die Impfung schützt gegen Delta erst nach der 2. Dosis
In Europa verfolgten die meisten Länder die Strategie, möglichst viele Menschen erst mal mit einer Impfdosis zu versorgen. Die reicht aus, damit das Immunsystem erste Antikörper bildet und T-Zellen aktiviert. So lassen sich also in kurzer Zeit viele Personen aus Risikogruppen immerhin teilweise vor dem Coronavirus schützen. Das führte aber dazu, dass weniger Menschen mit einer 2. Dosis vollständig geimpft wurden. Erst die sorgt dafür, dass sich neutralisierende Antikörper bilden die den Viruseintritt in die Zelle verhindern. Die Eine-Dosis-Strategie könnte nun bei einer Ausbreitung der Delta-Variante zum Problem werden.
Alles Wichtige zu den Impfstoffen findest du hier.
Die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, obwohl man geimpft ist, und das Virus dann weiterzutragen, scheint bei Delta nämlich höher als bei Alpha. Die verfügbaren Daten weisen außerdem darauf hin, dass eine Erstimpfung gegen die Delta-Variante kaum schützt.
Eine aktuelle Preprint-Studie aus Großbritannien kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass die Impfstoffe von Biontech und Astrazeneca nach der ersten Impfdosis nur zu 33 Prozent vor einer Infektion mit der Delta-Variante schützen. Erst durch die zweite Impfdosis stieg der Schutz an – bei Astrazeneca auf 60 Prozent, bei Biontech auf circa 80 Prozent.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie aus Schottland. Auch hier konnte die zweite Impfdosis von Biontech das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder das Risiko einer Infektion in der Gemeinschaft erheblich reduzieren. Über die Wirkung der anderen Impfstoffe kann man bisher nur Rückschlüsse ziehen. Die Vermutung: Moderna wirkt gegen Delta ähnlich wie Biontech. Über die Wirkung von Johnson & Johnson bei Delta ist noch nichts bekannt.
Das heißt: Solange viele Menschen noch nicht vollständig geimpft sind – in Deutschland sind das 62,7 Prozent der Bevölkerung (Stand 01.07.21) – hat die Delta-Variante ein leichteres Spiel sich zu verbreiten und Menschen krank zu machen.
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Grund 4: Das Risiko für vulnerable Gruppen ist erhöht
Eigentlich gilt: Wer vollständig geimpft ist, hat einen guten Schutz gegen das Coronavirus – wird also vor schweren Verläufen geschützt und überträgt das Virus weniger an andere. Das gilt auch für die Delta-Variante. Bei Älteren und Menschen aus anderen Risikogruppen (zum Beispiel durch Vorerkrankungen) könnte das allerdings anders sein. Diese Menschen haben ohnehin eine verschlechterte Immunantwort und ein erhöhtes Risiko für Begleiterkrankungen, wodurch die Wirksamkeit von Impfstoffen bei ihnen beeinträchtigt ist.
Das ECDC schätzt deshalb für solche vulnerablen Gruppen das Infektionsrisiko mit der Delta-Variante höher ein – sogar dann, wenn sie vollständig geimpft sind.
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Welchen Schaden die Delta-Variante bei uns anrichten kann, ist noch schwer zu sagen
Vor allem die konkreten Folgen sind schwer abschätzbar, denn: Es könnte sein, dass sich wieder mehr Menschen durch Delta infizieren, sie aber vielleicht mit einem milden Verlauf davonkommen. Noch ist die Datenlage dazu sehr dünn.
Besonders die Schätzungen zur Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die Delta-Variante müssen noch mit Vorsicht interpretiert werden, da es derzeit nur eine begrenzte Nachbeobachtungszeit nach der Impfung gibt.
Unklar ist: Wie hoch ist das Risiko für Kinder und Jugendliche?
Eine Modellierung des ECDC prognostiziert, dass die Delta-Variante im Laufe des Sommers vor allem bei den unter 25-Jährigen und 25 bis 49-Jährigen stärker zirkulieren könnte, weil diese Altersgruppen bisher weniger geimpft wurden – so war es auch in Großbritannien.
Expertinnen und Experten streiten nun, ob die Delta-Variante für Kinder und Jugendliche ein Risiko darstellen könnte. Einige halten eine “Durchseuchung” der Jüngeren mit der Delta-Variante für zu riskant. Andere verweisen auf die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche nur ein geringes Gesundheitsrisiko durch die Coronainfektion haben.
Doch wie stark sie am Ende betroffen sein werden, weiß zum jetzigen Zeitpunkt noch keiner.
Unklar ist: Erhöht eine Delta-Infektion das Risiko, ins Krankenhaus zu kommen?
Ein weiteres großes Fragezeichen steht hinter der Frage, ob Infizierte mit der Delta-Variante schwerer an Covid-19 erkranken und deshalb auch häufiger ins Krankenhaus müssen. Erste Analysen aus Schottland und England kommen zu dem Ergebnis, dass das Krankenhausrisiko bei Infizierten mit der Delta-Variante etwas höher ist als bei Infizierten mit der Alpha-Variante. Allerdings muss das erst noch durch weitere Studien bestätigt werden.
Auch für Deutschland zeichnet sich dieser Trend ab: Die Hospitalisierungsquote bei der Delta-Variante ist bei uns doppelt so hoch, wie sie im Vergleichszeitraum bei der Alpha-Variante war, berichtete Lothar Wieler, RKI-Präsident am Freitag (25.06.21) auf einer Pressekonferenz. Während in den ersten Wochen der Alpha-Variante fünf Prozent der Infizierten in Kliniken eingewiesen wurden, sind es bei der Delta-Variante in den ersten Wochen elf Prozent gewesen. Wieler stellt aber auch klar: “Wir haben noch nicht genügend Daten, um wirklich klar zu sagen, wie gefährlich oder ungefährlich (...) sie ist.”
Immerhin sind sich viele Fachleute einig: Delta ist zwar ansteckender als Alpha, wird aber mutmaßlich nicht zu einem vergleichbar starken Anstieg der Todesfälle führen, wie es im Januar und Februar 2021 bei der dritten Welle passierte. Da mittlerweile viele vulnerable Gruppen geimpft sind, könnte es zu einer Entkopplung von Fall- und Todeszahlen kommen.
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Risiko abwägen
Am Ende ist es eine Abwägung zwischen Risiko und Sicherheit, zwischen Einschränkungen und Freiheiten, die auf politischer Ebene entschieden wird. Lockerungen sollten sorgfältig gegen das Risiko eines Wiederauftretens der Krankheit abgewogen und immer wieder angepasst werden. Das ECDC empfiehlt, die AHA-Regeln unter keinen Umständen aufzuheben und in Gesundheitseinrichtungen, einschließlich Langzeitpflegeeinrichtungen, strenge Maßnahmen beizubehalten.
Schneller und sorgfältiger impfen
Was aus wissenschaftlicher Sicht definitiv wichtig ist: Vulnerable Gruppen schützen. Damit das schnell geht, schlägt das ECDC Änderungen in der Impfstrategie vor:
- Den Impfabstand verkürzen auf das zugelassene Mindestintervall, um eine schnellere vollständige Durchimpfung der Risikogruppen zu ermöglichen. Also bei Astrazeneca und Moderna auf vier Wochen und bei Biontech auf drei Wochen.
- Alle Personen mit erhöhtem Risiko für schweres COVID-19 vollständig impfen, unabhängig von einer früheren Infektion. Es gebe zu wenig Beweise für die Wirksamkeit einer Impfstoffdosis bei bereits infizierten Personen gegen die Delta-Variante.
Genau diesem ersten Vorschlag ist die Ständige Impfkommission (STIKO) nun bereits gefolgt: Sie empfiehlt allen Personen, die Astrazeneca als erste Impfstoffdosis erhalten haben, unabhängig vom Alter einen mRNA-Impfstoff als zweite Impfstoffdosis. Und zwar mit mindestens vierwöchigem Impfabstand zur ersten Impfstoffdosis. (Zuvor betrug der Abstand neun bis zwölf Wochen).
Klar ist: Der Impffortschritt hat einen erheblichen Einfluss auf Hospitalisierungs- und Sterberaten, vor allem bei Älteren. In Kombination mit einer Fortsetzung der Maßnahmen, kann das laut ECDC dazu beitragen, die täglichen Fälle, Krankenhausaufenthalte und Todesfälle niedrig zu halten.
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Die angegebenen Werte für R0 entbehren jedweder Grundlage. Zwar ist es für die Berechnung der minimalen Herdenimmunität egal, auf welchen Zeitraum sich R0 bezieht. Für die Dynamik der Infektionsausbreitung aber sehr wohl. Auf einen Tag können sich die angegebenen Werte wohl kaum beziehen, denn wenn einer 6 andere innerhalb eines… Weiterlesen »
Wie kann hier von irgendwelchen Alpha- / Delta- / Beta- / Gammavariaten gesprochen werden, wenn es denn scheinbar keine Testverfahren gibt, die diese Varianten von einander sicher unterscheiden können??? Oder wie kommt diese Statistik überhaupt zustande??? Erklärt bitte mal wie das funktionieren soll anstatt hier so einen Blödsinn zu schreiben,… Weiterlesen »
Die Varianten werden mittels PCR-Test unterschieden. Hier findest du nähere Infos dazu https://www.ecdc.europa.eu/en/covid-19/variants-concern
Für eine verlässliche Unterscheidung der Virusvarianten ist eine aufwendige Gesamtgenom-Sequenzierung notwendig, für die die Viren isoliert und mit Hilfe menschlicher Zellkulturen vermehrt werden müssen. Das passiert wegen des Aufwands und der Kosten relativ selten. Es existieren auch einfache und kostengünstige PCR-Schnelltests für VOCs, aber die Ergebnisse müssen mittels Genomsequenzierung überprüft… Weiterlesen »
Delta Variante über 97% R-Wert kaum über 1…….mal wieder nur Panik gemacht
Menschen mit Durchbruchsinfektionen können Delta leicht verbreiten „Eine vorveröffentlichte Studie hat gezeigt, dass sich die [die Viren der] Delta-Variante bei einer Durchbruchinfektion in der Nase von Geimpften im gleichen Maße vermehren wie bei Ungeimpften. Die Viren, die sich dort entwickeln, sind genauso ansteckend wie bei ungeimpften Menschen, deshalb können auch… Weiterlesen »
30.07.2021 – „Ein internes Dokument der amerikanischen Gesundheitsbehörden CDC warnt vor einer extrem hohen Infektiosität der Delta-Variante. Wie aus dem Papier hervorgeht, sei die Ansteckungsrate der Coronavirus-Mutation mit jener von Masern und Windpocken vergleichbar. […] Das Dokument, über das zuerst die „Washington Post“ berichtete, ist eine interne Präsentation. Dort werden… Weiterlesen »