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Sättigungsgefühl
Machen Eiweiße besonders satt?
Die Menge an Eiweiß in unserem Essen bestimmt, wann wir satt sind – so eine populäre Theorie. Stimmt das? Und wenn ja, wieso?
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Artikel Abschnitt: Wozu braucht unser Körper Eiweiße?
Wozu braucht unser Körper Eiweiße?
Signal- und Baustoffe des Körpers
Proteine sind sehr wichtig für uns: Sie sind Signal- und Baustoff des Körpers. Muskeln bestehen zum allergrößten Teil aus Proteinen, genau wie das Gehirn und die Haare. Als Strukturproteine wie Kollagen halten sie unseren Körper zusammen, als Enzyme sorgen sie dafür, dass unser Stoffwechsel funktioniert, als Hormone und Rezeptoren senden sie Signale durch den Organismus, als Blutgerinnungsfaktoren verhindern sie, dass wir verbluten. Sie sind die Übersetzer unserer Gene in einen funktionierenden Organismus. Kurz: Ohne Proteine läuft gar nichts.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, dass Erwachsene pro Tag 0,8 Gramm Proteine pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen sollen. Für manche liegt die empfohlene Menge höher: für stillende Frauen bei 1 bis 1,5 Gramm, für Sportler bei 2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht.
Artikel Abschnitt: Steuert die Menge an Eiweiß in unserer Nahrung, wann wir satt sind?
Steuert die Menge an Eiweiß in unserer Nahrung, wann wir satt sind?
Das Problem dabei: Selten nehmen wir reines Protein zu uns, fast immer essen wir Fette und Kohlenhydrate mit. Ist nun in der Nahrung wenig Protein, essen wir insgesamt mehr. Die Fette und Kohlenhydrate landen dann quasi “nebenbei” in unserem Magen – und letztendlich auf unseren Hüften.
Viele Forscher gehen davon aus, dass unsere heutige Art zu essen vermehrt zu Übergewicht führen kann. Denn Fertigprodukte und industrielles Essen enthalten häufig wenig Protein, aber viel Fett und Kohlenhydrate – und dadurch auch viele Kalorien auf kleiner Menge. Damit nehmen wir, um unseren Proteinhunger zu stillen, deutlich mehr Energie zu uns, als wir brauchen. So die Theorie.
Die Hypothese ist seitdem häufig untersucht und bestätigt worden, sowohl bei Tieren als auch beim Menschen. Unumstritten ist sie dennoch nicht. Manche Forscher konnten in Studien den Effekt nicht belegen und postulieren, dass etwas anderes dafür verantwortlich ist, ob wir uns satt fühlen: Fette.
Artikel Abschnitt: Wie wirkt Eiweiß auf unser Sättigungsgefühl?
Wie wirkt Eiweiß auf unser Sättigungsgefühl?
1. Proteine werden stärker in Wärme umgewandelt als andere Nährstoffe
Im Gegensatz zu Kohlenhydraten und Fetten haben Proteine eine hohe Thermogenese. Das heißt: Etwa 20 Prozent ihres Energiegehalts setzt unser Körper in Wärme um – und nicht in Fett. Das hebt gleichzeitig auch unseren Grundumsatz: Um die hohe Temperatur zu halten, verbrauchen wir mehr Energie, die nicht als Fett gespeichert wird.
2. Der Blutzucker bleibt gleichmäßiger
Wenn wir einen Schokoriegel oder Weißbrot essen, hat unser Körper viele Kohlenhydrate zur Verfügung. Die Folge: Unser Blutzucker (und damit auch das Insulin) steigt schnell und stark an. Fällt der Blutzucker wieder ab, bekommen wir Hunger – und zwar besonders auf schnelle Blutzuckerlieferanten wie Zucker.
Den Einfluss eines Nahrungsmittels auf den Blutzucker nennt man den glykämischen Index, die Referenz dabei ist Traubenzucker. Proteine haben einen niedrigen glykämischen Index – der Blutzucker steigt nicht so schnell und so hoch wie nach einem Kohlenhydrat-Snack. Das Resultat: Das Hungergefühl danach ist auch nicht so stark.
3. Hormone machen uns satt
Wenn Proteine in unserem Magen ankommen, beginnt der Körper mit deren Abbau: erst zu Peptiden, dann zu Aminosäuren. Diese Abbauprodukte gelangen aus dem Magen in den Dünndarm und signalisieren dem Körper dort, Hormone zu produzieren. Dazu gehören unter anderem Cholecystokinin, Peptid YY (PYY) und das Glucagon-like Peptide 1 (GLP-1). Sie schicken dem Gehirn das Signal “satt”. Die Menge an Leptin (das “Satthormon”) nimmt zu, Ghrelin (das “Hungerhormon”) nimmt ab.
Gleichzeitig wirken die Hormone auch direkt im Magen: Sie sorgen dafür, dass die verdaute Nahrung den Magen langsamer verlässt – der Magen bleibt länger voll. Auch das erhöht unser Sättigungsgefühl und hindert uns daran, schnell wieder etwas zu essen.
Die Proteine haben auch einen Einfluss auf unser Belohnungssystem im Gehirn: Eigentlich mag unser Gehirn es, wenn wir essen. Wenn die Nahrung lecker ist, freut es sich über die Belohnung und möchte mehr. Aber: Bei hohem Proteingehalt in der Nahrung wird dieses Belohnungssystem ausgebremst. Essen wird nicht mehr als der ultimative Kick wahrgenommen, die Lust, weiter zu essen, ist weniger stark.
Einige dieser molekularen Mechanismen sind nicht allein den Proteinen zuzuschreiben, PYY wird beispielsweise zu einem großen Teil auch von Fett aktiviert. Das könnte ein Grund dafür sein, dass sich die Studienergebnisse zum Sättigungsgefühl teilweise widersprechen.
Artikel Abschnitt: Kann man auch zu viel Eiweiß essen?
Kann man auch zu viel Eiweiß essen?
Isst man sehr viel Protein, wird der pH-Wert im Magen deutlich saurer. Um das auszugleichen, müssen basische Ionen her – Knochen sind ein gutes Reservoir an basischen Verbindungen. Werden sie frei, wird dabei allerdings auch wichtiges Kalzium gelöst. Die Folge können instabile Knochen und Osteoporose sein.
Beanspruchung der Nieren und Übersäuerung
Hinzu kommt: Werden Proteine abgebaut, entstehen viele Harnstoffe. Die möchte der Körper loswerden, dazu braucht er viel Flüssigkeit. Und auch die Nieren müssen dafür fleißig arbeiten. Auf Dauer können sie Schaden nehmen – auch, weil sie die viele Magensäure nicht gut vertragen. Forscher vermuten außerdem ein höheres Risiko für Nierensteine, wenn wir uns proteinreich ernähren.
Für Menschen, die Probleme mit den Nieren oder Übersäuerung haben, ist “high-protein” also nicht zu empfehlen. Es gibt aber möglicherweise einen Ausweg: pflanzliche Proteine.
Artikel Abschnitt: Ist tierisches oder pflanzliches Eiweiß besser?
Ist tierisches oder pflanzliches Eiweiß besser?
Ähnlicher = besser?
Lange war die gängige Meinung, dass tierische Proteine besser für Menschen geeignet sind als pflanzliche. Zwar bestehen Proteine aus Tieren und Pflanzen immer aus denselben Aminosäuren, aber die Zusammensetzung unterscheidet sich: Die Kombination der Aminosäuren in tierischen Proteinen ähnelt sehr der unserer körpereigenen Eiweiße.
Der Fachbegriff hierfür ist biologische Wertigkeit: Der Körper muss wenig eigene Stoffe zusetzen, um eine optimale Kombination von Aminosäuren zu erreichen. Pflanzenproteine sind häufig “unvollständiger”, in ihrer Zusammensetzung dem menschlichen Eiweiß weniger ähnlich. Häufig liegt das nur an einer oder wenigen Aminosäuren, die unterdurchschnittlich oft vorkommen. Diese “unvollständigen” Proteine lösen aber vermutlich sogar ein stärkeres Sättigungsgefühl aus als solche mit einer optimalen Kombination von Aminosäuren. Pflanzliche Proteine machen also noch satter als tierische.
Risiko für Akne, Osteoporose, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Anders als pflanzliche Proteine stimulieren tierische Proteine den Wachstumsfaktor IGF-1. Was für den Muskelaufbau optimal ist, kann unschöne Nebenwirkungen haben: Ein Übermaß an IGF-1 fördert Akne und kann begünstigen, dass sich Krebs bildet.
Generell ist häufig gezeigt worden, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs steigt, je mehr rotes Fleisch (also Schwein und Rind) und verarbeitetes Fleisch, wie Wurst, man isst. Besonders stark ist dieser Effekt, wenn noch andere Risikofaktoren hinzukommen wie Rauchen, Übergewicht, viel Alkoholkonsum und wenig Bewegung. Tierische Proteine enthalten auch deutlich mehr schwefelhaltige Aminosäuren als pflanzliche, und die sind zu einem großen Teil verantwortlich für die schon erwähnte Übersäuerung des Magens. Diese führt dann dazu, dass Mineralien wie Eisen, Kalium und Kalzium anderen wichtigen Stellen im Körper entzogen werden – zum Beispiel den Knochen.
Pflanzenproteine haben zudem eine positive Wirkung auf die Darmflora: Die Artenzusammensetzung verschiebt sich so, dass weniger Kalorien im Darm aufgenommen werden.
Erwünschte Nebenwirkungen
Pflanzliche Ernährung hat auch unabhängig vom direkten Protein-Kontext einige Vorteile: Hülsenfrüchte enthalten (neben viel Eiweiß) auch sehr viele Vitamine, Folat und Mineralstoffe wie Eisen, Magnesium und Zink. Pflanzen haben generell eine niedrigere Energiedichte als tierische Nahrungsmittel, und sie enthalten mehr Ballaststoffe und Wasser. Heißt: Sie enthalten weniger Kalorien auf mehr Volumen – der Magen signalisiert schneller “Stopp!”
Und: Essen wir viele pflanzliche Lebensmittel, führt das zur Bildung von kurzkettigen Fettsäuren, die das schon bekannte Hormon PYY aktivieren, welches den Appetit hemmt. Sie wirken auch auf GLP-1, das die Leerung des Magens verzögert. Außerdem fördern sie die Produktion von Glucagon, dem Antagonisten von Insulin. So wirken sich viele pflanzliche Lebensmittel auch auf die nächste Mahlzeit aus – wir haben weniger Hunger und sind schneller satt.
Wichtig aber ist: Nicht jedes pflanzliche Produkt ist uneingeschränkt gesund. Konsumiert man gezuckertes Kompott, Säfte oder Kartoffeln im Übermaß, stehen die Kohlenhydrate wieder im Vordergrund und der gesunde Effekt der Proteine ist dahin. Generell gilt: Je weniger verarbeitet ein Lebensmittel ist, desto gesünder ist es.
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Welche Nahrungsmittel enthalten besonders viel Eiweiß?
Aber auch Nüsse und Mandeln, Kerne und Samen wie Chiasamen und Pseudogetreide wie Amaranth, Quinoa und Buchweizen sind sehr proteinreich. Sogar unter den Gemüsearten gibt es unerwartete Eiweißlieferanten: Spinat, Brokkoli und Kohl sind unter anderem eine gute Proteinquelle.
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Und jetzt?
Und wer seinen Proteinbedarf hauptsächlich mit Fleisch deckt, setzt sich anderen Risiken aus. Wer sich nicht sicher ist, fragt also am besten seinen Arzt oder stellt seine Ernährung langsam um. Letzten Endes ist jeder Körper und jeder Mensch einzigartig. Es gibt Empfehlungen und Theorien, aber jeder muss für sich herausfinden, welche Art des Essens ihm am besten bekommt.
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Nicht nur tierische Proteine stimulieren den Wachstumsmarker IGF1. Die essentielle Aminosäure L-Leucin ist hauptsächlich dafür verantwortlich das dieser Marker getriggert wird. Und diese Aminosäure ist sowohl in vielen pflanzlichen Eiweißquellen, als auch in tierischen. Dieser Absatz im Text ist also nachweislich falsch. Dazu kommt, dass pflanzliche Eiweiße deutlich mehr Antinährstoffe… Weiterlesen »
Ich habe schon immer gesagt, Kohl macht satt und zufrieden. Jetzt weiß ich auch wieso.