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Covid-19
Wo könnte der Ursprung des Coronavirus liegen?
Forscher vermuten, das Coronavirus könnte von Fledermäusen stammen. Zwischenzeitlich behauptete eine Virologin aus Wuhan, es sei künstlich im Labor gezüchtet. Was wirklich über die Herkunft des Virus bekannt ist.
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Unterschiedliche Theorien zum Coronavirus
In China soll es die ersten nachgewiesenen Corona-Infektionen bereits Mitte November gegeben haben, wie die Zeitung “South China Morning Post” berichtete.
Ein Forscherteam der Universität Cambridge hat die Spuren des Coronavirus zurückverfolgt und analysiert. Ihr Ergebnis: Die Pandemie hat sehr wahrscheinlich zwischen Mitte September und Anfang Dezember begonnen - und zwar ziemlich sicher in China oder einem angrenzenden Land.
Dass das Virus kurze Zeit später bereits vereinzelt in Europa gewesen sei, überrasche nicht. Dokumentierte, spätere Fälle zeigten, wie schnell Reisende den Erreger in andere Regionen bringen könnten, sagt der an der Studie beteiligte Genetiker Peter Forster der ARD.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, wie das neuartige Virus entstanden sein könnte: durch natürliche Mutationen eines verwandten Coronavirus in einem Tier oder Menschen. Oder durch künstliche Züchtung in der Petrischale.
Theorie 1: Vom Tier zum Menschen
Die meisten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass die Übertragung von SARS-CoV-2 von einer Rhinolophus-Fledermaus (Hufeisennase) und einem weiteren Zwischenwirt auf den Menschen stattgefunden hat, wie etwa einem Pangolin oder einem Marderhund. Damit wäre Covid-19 ursprünglich eine sogenannte Zoonose, also eine vom Tier auf den Menschen übertragene Infektionskrankheit.
Molekularbiologische Untersuchungen zeigen, dass das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 eng verwandt ist mit Coronaviren, die in bestimmten Fledermäusen vorkommen. Die Übereinstimmung der Genanalyse lag bei 96 Prozent. Schon in der Vergangenheit haben Studien Epidemien mit Coronaviren wie SARS und MERS auf Fledermäuse zurückgeführt. Aus diesen Gründen schlussfolgern viele Wissenschaftler, dass es auch bei SARS-CoV-2 so sein könnte.
Wenn Krankheitserreger von Tieren auf Menschen springen
Der Fundort des Virus spricht dafür: Sogenannte “Wet Markets” wie in Wuhan erhöhen die Chance für das Überspringen von Viren über Artengrenzen stark. Auf diesen Märkten sind lebende und tote Wildtiere auf engstem Raum zusammengepfercht, werden verkauft, geschlachtet und gekocht.
Dabei kommen Menschen schnell mit Blut und Körperflüssigkeiten der Tiere in Kontakt. Bei einer entsprechenden Mutation, die das Virus befähigt, auf den Menschen überzuspringen, kann es so schnell zu einer Übertragung kommen.
Theorie 2: Genexperimente im Labor
Immer wieder kam aber auch der Gedanke auf, dass das Virus nicht aus der Natur kommt, sondern im Labor gezüchtet worden ist und absichtlich oder unabsichtlich diese Labore verlassen hat.
Im April 2020 hat der französische Virologe und Nobelpreisträger Luc Montagnier in einem Interview behauptet, SARS-CoV-2 enthalte identische Sequenzen wie HIV und sei deshalb künstlich. Das sei “kompletter Unsinn”, sagt Virologe Prof. Christian Drosten im NDR-Podcast “Coronavirus-Update”.
Jetzt haben Wissenschaftler um die chinesische Virologin Dr. Li-Meng Yan eine Arbeit veröffentlicht, die den Beweis liefern soll, dass SARS-CoV-2 in Wuhan künstlich erzeugt wurde.
Aufmerksamkeit erreicht unter anderem eine Videobotschaft von Li-Meng Yan. Sie behauptet, aus Wuhan geflohen zu sein und Beweise zu haben, dass das Coronavirus im Labor entstanden sei. Die Virologin hat lange an der Universität Hongkong gearbeitet und dort am neuartigen Coronavirus geforscht, wie ihre Veröffentlichungen zeigen.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Es gibt keine Belege, dass das neuartige Coronavirus aus dem Labor kommt
Viele Wissenschaftler sehen in ihrer Arbeit jedoch lediglich Behauptungen ohne Nachweise: “Die Hypothese, die Rezeptor-Bindungsstelle (RBD) des S-Proteins und die Furin-Spaltstelle seien genetisch konstruiert und nachträglich eingebaut worden, ist abwegig und nicht belegt”, sagt Prof. Alexander Kekulé, Virologe an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er hat die Studie für Quarks eingeordnet.
Kekulé sagt, das S-Protein von SARS-CoV-2 sei “bezüglich seiner Entfaltung bei Rezeptorkontakt, seiner Rezeptor-Bindungsstelle und bezüglich der Sequenz der Furin-Spaltstelle einmalig“. Kein bekanntes Coronavirus hätte hier “einem 'bad scientist' als Vorbild dienen können”, so der Virologe. Die Rezeptor-Bindungsstelle des S-Proteins sei am ehesten mit in Pangolinen gefundenen Viren verwandt.
Es ist aber laut Kekulé kein Pangolin-Virus bekannt, das als Vorlage für das S-Protein SARS-CoV-2 gedient haben könnte. Der Virologe bezweifelt, dass die Forscher in Wuhan unveröffentlichte Viren von einem Pangolin oder einem anderen Säugetier besitzen, die sie hätten einbauen können: “Die Eitelkeit der Wissenschaftler, auch in China, spricht gegen diese 'Dr.-Mabuse-Theorie'”.
Erfindung der Virenbausteine durch Menschen sehr unwahrscheinlich
Noch unwahrscheinlicher sei die “Erfindung“ der Furin-Spaltstelle durch einen Menschen. “Für diese gibt es in der Natur kein Vorbild”, so Kekulé. Er bezweifelt außerdem, dass die Furin-Spaltstelle durch Zellpassagen optimiert worden sein könnte, da hierfür das Immunsystem eines Säugetiers nötig sei. In diesem Fall wäre es auch naheliegend, dass die Forscher eine “perfekte” Furin-Spaltstelle entwickelt hätten und diese nicht wie von Yan et al. beschrieben, aus ZC45 beziehungsweise ZXC21 “zusammengebastelt” hätten.
“Das Yan-Paper würde bei mir als Reviewer durchfallen ('reject')”, bilanziert Kekulé. Mit dieser Bewertung ist er nicht allein. “Der Bericht ist unwissenschaftlich und falsch - sie picken sich Daten heraus und ignorieren Daten, die ihre Hypothesen widerlegen”, schreibt auch Prof. Kristian Andersen, Immunologe am Scribbs Research Institute in Kalifornien, in seinem Twitteraccount.
Und mal abgesehen davon, dass die wissenschaftliche Grundlage fragwürdig ist: Die genannten Aspekte liefern keinen Beleg, dass das Coronavirus eine Laborzüchtung ist.
Wesentliche Aspekte der Wissenschaftlichkeit fehlen
Darüber hinaus finden sich in der Arbeit einige Stellen, die sehr untypisch für wissenschaftliche Publikationen sind.
In der Regel veröffentlichen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ihre Forschungsergebnisse auf Basis von Untersuchungen und diskutieren im letzten Teil der Arbeit kritisch, was die Ergebnisse aussagen könnten. Dabei reflektieren sie auch, wo die Grenzen der Aussagekraft liegen und an welchen Stellen weiterer Forschungsbedarf besteht.
In der Arbeit von Li-Meng Yan dagegen finden sich in der Einleitung sowie im Fazit statt einer kritischen Selbstreflexion politische Vorwürfe und die Aufforderung, die Labore in Wuhan zu überprüfen.
Sie behauptet außerdem, dass wissenschaftliche Fachzeitschriften alles “zensieren” würden, was für den nicht natürlichen Ursprung des Virus spricht, weshalb Arbeiten wie ihre nur als Preprints veröffentlicht werden könnten – also als ungeprüfte Veröffentlichungen. So würden Menschen gezielt in die Irre geführt werden. Solche Formulierungen sprechen nicht für wissenschaftliche Qualität. Absurd erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass Yan bereits seit Jahren in eben diesen Journals mit ihren Studien veröffentlicht wird.
Wissenschaftler bezeichnen die Arbeit von Li-Meng Yan als Verschwörungsmythos
Insgesamt wird die Arbeit von Li-Meng Yan von mehreren internationalen unabhängigen Wissenschaftlern scharf kritisiert und sogar als Verschwörungsmythos bezeichnet. Auch hier ist der Vorwurf: In der Arbeit würden vor allem Behauptungen aufgestellt und keine Belege geliefert.
Zudem steht in der Kritik, dass die Arbeit mit dem wegen Betrugs angeklagten ehemaligen Trump-Berater Steve Bannon in Verbindung steht. Medienberichten zufolge hat die Plattform Twitter den im September neu gegründeten Account von Li-Meng Yan gesperrt, in dem nur vier Posts zu ihrer Labortheorie enthalten waren.
Unser Fazit: Die Arbeit um Dr. Yan ist mit großer Vorsicht zu genießen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Belege, dass SARS-CoV-2 aus dem Labor kommt. Sicher ausschließen kann man diese Theorie jedoch auch nicht.
Auch für Zoonosen-Theorie fehlen weitere Belege
Eine viel zitierte Studie, die im März im Fachblatt Nature publiziert wurde, kommt zum genau gegenteiligen Ergebnis: SARS-CoV-2 sei sehr wahrscheinlich kein Laborkonstrukt. Auch hier wurden Genanalysen des Virus durchgeführt.
Die Forscher beschreiben, dass das neuartige Coronavirus nicht ideal an die menschlichen Zellen bindet, auch nicht ideal damit wechselwirkt. Die Schlussfolgerung: Hätte man das Coronavirus im Labor gezüchtet, so hätte man diese Mechanismen optimiert.
Die Studienautoren um Kristian Andersen halten es für wahrscheinlicher, dass das Virus durch natürliche Mutation entstanden ist, höchstwahrscheinlich bei Fledermäusen. Aber: “Es stimmt wohl auch, dass das Paper von Andersen et al. nicht das letzte Wort zum Ursprung von SARS-CoV-2 war, obwohl es von einigen Kollegen so gesehen wird”, merkt Alexander Kekulé an.
Ungeklärt bei dieser Theorie ist außerdem, ob SARS-CoV-2 direkt von Fledermäusen auf Menschen übertragen worden sein könnte oder ein tierischer Zwischenwirt eine Rolle bei der frühen Übertragung auf den Menschen gespielt haben könnte.
Suche nach dem potenziellen Zwischenwirt
Als Zwischenwirt kommen beispielsweise Malaiische Pangoline infrage, die illegal in die Provinz Guangdong importiert wurden.
Chinesische Forscher haben in einer Studie entdeckt, dass sie Coronaviren ähnlich wie SARS-CoV-2 enthalten. Eine experimentelle Studie des Friedrich-Loeffler-Instituts zeigt, dass auch Marderhunde SARS-CoV-2 aufnehmen können, ohne Symptome zu entwickeln. Damit kommen auch sie als Zwischenwirte infrage.
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Und jetzt?
Neue Meldungen kritisch hinterfragen
Wichtig ist aber auch, wie wir bis zu diesem Zeitpunkt mit neuen Meldungen umgehen. Wir müssen Verschwörungserzählungen von unabhängigen Forschungsergebnissen unterscheiden, um uns eine fundierte Meinung bilden zu können. Das geht vor allem, indem wir kritisch bleiben und Quellen auf ihre Seriosität überprüfen.
Was du über Verschwörungstheorien wissen solltest
Eindeutiges Ergebnis gibt es noch nicht
Stand jetzt gibt es viele Hinweise, dass das Coronavirus durch eine Zoonose entstanden sein könnte, also von einem Tier übergesprungen ist. Doch Belege für eine eindeutige Antwort fehlen. “Grundsätzlich befürworte ich eine offene Diskussion in alle Richtungen”, sagt der Virologe Alexander Kekulé.
Wenn wir verstehen, wie SARS-CoV-2 entstanden ist, können wir zukünftige Pandemien früher erkennen und möglicherweise sogar verhindern.
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Dieser Beitrag ist schon sieben Monate her. Dr. Yan hat in ihrem letzten Report genau gezeigt, wie die MIT- und Hopkins-„Reviewer“ ihre Argumente verdreht haben. Wäre schön gewesen, wenn Quarks inzwischen überprüft hätte, ob die Zitate von Prof. Kekulé dem Originaltext im Yan-Paper treu sind: 1. Laut Prof. Kekulé hätte kein… Weiterlesen »
Guten Tag Da offenbar nach wie vor der Unfall im USAMIID Labor nicht erwähnt wird, versuche ich ein wenig Licht ins dunkle zu bringen. Im Mai 2018 gelangten ungeklärtes Abwasser aus der Anlage. Monatelang. Das ganze wurde dann publik im Jahr 2019. Quelle NYT: https://www.nytimes.com/2019/08/05/health/germs-fort-detrick-biohazard.html Im Umfeld dieser Anlage, tauchten… Weiterlesen »