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Quarks Daily Spezial
Einsamkeit – so komme ich gut wieder raus
Einsamkeit nimmt zu. Einsamkeit schadet nicht nur unserem seelischen Befinden, sie kann uns auch körperlich krank machen. Es gibt aber Wege hinaus.
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Einsamkeit nimmt vor allem bei Jugendlichen zu
Grundsätzlich lässt sich Einsamkeit als ein negatives Gefühl beschreiben, das entsteht, wenn die vorhandenen sozialen Beziehungen nicht den gewünschten entsprechen. Wenn wir uns tiefergehende Beziehungen wünschen, bei denen wir uns bedingungslos verstanden und akzeptiert fühlen, wir aber eher einen losen Bekanntenkreis haben, kann das zu Einsamkeit führen.
Häufig verbinden wir Einsamkeit mit älteren Menschen, die aufgrund von Krankheit isoliert leben oder deren soziale Kontakte verstorben sind. Denn auch dort klafft das Bild der erwünschten und tatsächlichen Kontakte auseinander. In den letzten vier Jahren waren aber immer mehr junge Menschen von Einsamkeit betroffen. Während 2017 14,2 Prozent der Menschen angaben, sich zumindest manchmal einsam zu fühlen, waren es 2020 plötzlich 42 Prozent. Fast jeder zweite Mensch in Deutschland fühlte sich zumindest manchmal einsam. Menschen unter 30 Jahren waren laut den Ergebnissen am einsamsten. Die Zahlen sind aufgrund der Isolation in der Corona-Pandemie gewachsen und sie zeigen: Wir brauchen echte Kontakte zu Menschen, denen wir nahestehen. Da junge Menschen meist ein aktiveres Leben mit mehr sozialen Kontakten führen, waren die Einbußen während der Corona-Pandemie umso größer.
Corona wirkt noch länger nach
Nach den Lockerungen der Corona-Maßnahmen hätte die Anzahl junger, einsamer Menschen sinken müssen. Aber die Zahlen blieben noch etwas höher als vor der Pandemie (sind ja nur wenige Prozent, oder?). Eine NRW-Studie von November 2023 zeigt: Fast jede:r fünfte Jugendliche ist sehr einsam. Ein Grund: Die Vereinsamung während der Corona-Lockdowns wirken bei Jugendlichen nach. Was auch zeigt, wie schwierig es ist, Einsamkeit zu überwinden.
Außerdem sind junge Menschen weiteren Risikofaktoren für Einsamkeit ausgesetzt. Sie haben häufig ein großes Netzwerk an sozialen Kontakten, aber die Beziehungen sind meist oberflächlich. Junge Menschen lassen sich beispielsweise, bedingt durch die schnelllebige Zeit, seltener auf tiefergehende Beziehungen ein. Dadurch fühlen sie sich öfter unverstanden, wodurch sie sich trotz aktiver sozialer Kontakte einsam fühlen. Hinzu kommt, im jungen Alter suchen die meisten Menschen verstärkt nach ihrer eigenen Identität und sind noch stärker auf die Bestätigung anderer angewiesen. Sind bestimmte Faktoren gegeben, die die Suche nach der eigenen Identität erschweren, kann sich die Einsamkeit verstärken. Jugendliche, die von Diskriminierung oder Armut betroffen sind, fühlen sich deshalb häufiger einsam. Auch Soziale Medien und generell die übermäßige Nutzung von Medien kann Einsamkeit verstärken.
Insgesamt führen diese und weitere Faktoren dazu, dass junge Menschen zu den Risikogruppen zählen, wenn es um Einsamkeit geht. Der Anstieg der vergangenen Jahre zeigt, das Problem von Einsamkeit bei jungen Menschen wächst und sollte unbedingt stärker in den Fokus genommen werden. Aber auch bei älteren Menschen wächst das Einsamkeitsgefühl.
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Westliche Gesellschaften fördern eher Einsamkeit
Bei der Ursachenforschung für den Anstieg der Einsamkeit hat sich ein Forschungsteam der Uni Manchester unterschiedliche Gesellschaftsformen und den Zusammenhang mit Einsamkeit angesehen. Menschen, die in individualisierten Gesellschaften wie den USA und Deutschland leben, waren eher einsam als Menschen in kollektiv organisierten Gesellschaften wie Brasilien oder China. Und das Stigma von Einsamkeit war in den individualisierten Gesellschaften größer, weil dort erwartet wird, dass man selbstbestimmt und unabhängig ist.
Eines steht fest: Einsamkeit schadet dem seelischen Befinden und der körperlichen Gesundheit und deshalb müssen wir mehr darüber sprechen.
Die Folgen von Einsamkeit können gravierend sein
Wichtig zu wissen: Einsamkeit ist keine Krankheit oder Störung! Es ist ein Gefühl, das wir grundsätzlich alle empfinden können. Aber obwohl Einsamkeit selbst keine Krankheit ist, kann sie krank machen. Bei einem Gefühl von Einsamkeit werden im Gehirn ähnliche Areale aktiviert wie bei Menschen, die körperliche Schmerzen erleben.
Evolutionär gesehen sind wir Menschen darauf angewiesen, uns anderen Menschen anzuschließen. Der einsame Mensch hatte schlechtere Chancen zu überleben, weshalb Einsamkeit ein Warnsignal in unserem Körper, zum Beispiel in Form des Stresshormons Cortisol, auslöst. Dieses Hormon konnte bei einsamen Menschen im Blut als stark erhöht nachgewiesen werden. Die Folge war ein erhöhter Blutdruck, und Menschen, die häufig einsam waren, hatten ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Langfristig kann auch das Immunsystem geschwächt werden, was der Gesundheit eines Menschen dauerhaft schaden kann.
Zudem kann Einsamkeit zu einem Teufelskreis für die Gesundheit werden. Viele Menschen, die einsam sind, haben einen ungesünderen Lebensstil: Sie bewegen sich weniger, ernähren sich ungesünder und rauchen mehr. Durch diese Lebensweise verstärkt sich die Einsamkeit. Weil sie häufiger krank sind, sich schlecht fühlen und deshalb weniger in Gesellschaft sind. Eine große Metastudie kam außerdem zu dem Ergebnis, dass bei den untersuchten einsamen Menschen das Risiko, früher zu sterben, statistisch ähnlich hoch ist wie bei Menschen mit sehr hohem Übergewicht. Und: Einsame Menschen leiden öfter unter Depressionen. Aber, ganz wichtig: Nicht alle einsamen Menschen sind depressiv.
Einsamkeit können wir aktiv überwinden
Ein Mittel gegen Einsamkeit sind soziale Beziehungen zu Menschen, die uns akzeptieren und bestärken. Dabei gilt: Qualität statt Quantität! Klingt simpel, aber für einsame Menschen ist es sehr schwierig, Beziehungen zu finden und zu festigen. Diese drei Tipps könnten aus einer leichten Einsamkeit herausführen:
- Alte Kontakte aktivieren:
- Das Telefonbuch durchgehen und einfach mal alte Kontakte anschreiben.
- Einem Sportverein beitreten:
- Sport ist nachweislich gut gegen Einsamkeit, auch wenn man ihn alleine macht.
- Ein Ehrenamt oder ein Projekt starten:
- Dort findet man Gleichgesinnte, schafft gemeinsame Erinnerungen und fühlt sich als Teil von etwas Größerem.
Wenn die Einsamkeit tiefer sitzt und man sich nicht in der Lage fühlt, selbstständig aus der Einsamkeit zu entkommen, helfen Krisenchats oder der Besuch eines Therapeuten. Wichtig ist: Niemand sollte Einsamkeit mit sich selbst ausmachen!
Falls du selbst über Suizid nachdenkst, versuch darüber mit anderen Menschen zu sprechen. Es gibt auch professionelle Hilfsangebote, bei denen du anonym bleiben kannst, zum Beispiel die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Die ist rund um die Uhr kostenlos erreichbar unter 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222.
DIE MACHER:INNEN
Luisa Pfeiffenschneider ist Wissenschaftsjournalistin und beschäftigt sich viel mit dem Zusammenleben in Gesellschaften und dem Wandel sozialer Strukturen.
Marlis Schaum ist nicht nur als Host in Quarks-Daily zu hören, sondern auch im Radio und TV unterwegs.
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Die anfänglichen 3 Fragen kann ich ganz klar mit „häufig“ beantworten – und ja ich fühle mich einsam, ausgegrenzt auch in der eigenen Familie. Ein sehr starkes, schmerzhaftes Gefühl, diese Einsamkeit – dank Euch für diesen Beitrag und die Infos hierzu.
Gerne! 🙂
Ich hab mich bei den „wieder unter Leute kommen“ „wieder reaktivieren“ blabla hab ich mich sehr schlecht und fast schon verarscht gefühlt.
Hinweis: Die Menschen bei der Telefonseelsorge tun dies nicht professionell, wie man nach ihrem Hinweis denken könnte, sondern zwar mit einer Schulung, aber ehrenamtlich