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Darum kriegen Länder es nicht hin, Emissionen zu senken
Emissionen sind ein globales Problem. Um es zu lösen, müssten die Staaten an einem Strang ziehen. Das ist allerdings kompliziert.
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Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
Viele Hindernisse stehen ambitionierten CO2-Senkungen im Weg
Um die Erwärmung zu stoppen, müssen die Länder dieser Erde an einem Strang ziehen und handeln. Denn für die Erderwärmung spielt es keine Rolle, wo genau Treibhausgase freigesetzt werden. Der Klimawandel ist also ein globales Problem. Das macht die Lösung leider so kompliziert.
Einer gemeinsamen Lösung steht vieles im Weg
Es gibt mehrere Probleme, die dazu führen, dass die Staaten die CO2-Emissionen nicht in den Griff bekommen.
- Die Abkommen wurden auf schwammiger Basis geschlossen.
- Es gibt sogenannte Trittbrettfahrer.
- Die Länder behalten nationale Interessen im Fokus.
- Die Diskussionen drehen sich um die Schuldfrage.
Schwammige Abkommen
Ein großes Problem ist, dass bisherige Abkommen auf schwammiger Basis geschlossen wurden. So haben sich die unterzeichnenden Länder beim Pariser Klimaabkommen zwar dazu verpflichtet, dass sie Emissionen senken – wie viel CO2 sie konkret in die Luft pusten, bleibt ihnen aber weiterhin selbst überlassen. Hohe Ambitionen sind also freiwillig.
Die Versuchung ist dann groß, sich nicht anzustrengen – vor allem wenn die Länder glauben, dass sie damit nicht allein sein werden, meint Wirtschaftsnobelpreisträger Jean Tirole. Sprich: Niemand möchte der einzige "Dumme“ sein, der sich bemüht – zumal die Vermeidung von Emissionen für die Staaten mit Kosten verbunden ist.
Die Verhandlungen sind kompliziert
Zum einen ist es schwierig, eine Einigung zwischen so vielen Parteien herbeizuführen, sagt Jean Tirole. Zum anderen ist das Thema mit Unsicherheiten behaftet. So können Forschende nicht mit hundertprozentiger Genauigkeit sagen, um wie viel sich die globale Oberflächentemperatur erhöhen wird.
Ebenfalls unsicher ist, wie denn nun das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Klimaschutzes genau aussieht: Wie viel "bringen“ uns die vermiedenen Schäden im Vergleich zu den unterstellten höheren Kosten für Klimaschutz? Das kann dazu führen, dass Nationen lieber abwarten – was in Anbetracht der Folgen der Erderwärmung nicht empfehlenswert ist.
Zurücklehnen lohnt sich
Bislang lohnt es sich für Staaten sogar, sich zurückzulehnen und "auf die Emissionsminderungen anderer zu verlassen“, sagt William Nordhaus. Der Nobelpreisträger spielt damit auf das sogenannte Trittbrettfahrer-Problem an.
Trittbrettfahrer treten dort auf, wo jeder unbeschränkten Zugang zu einem Gut hat. Das ist bei sogenannten Kollektivgütern der Fall. Dazu zählt auch die Atmosphäre: Kein Land kann davon ausgeschlossen werden, sie zu nutzen.
Wer trägt die Kosten für die Atmosphäre?
Der Knackpunkt bei der Sache: Fallen nun Kosten an – beispielsweise dafür, Emissionen zu vermeiden – kommt die Frage auf: Wer trägt die denn nun? Am besten alle, klar. Die Versuchung ist aber groß, sich einfach nicht daran zu beteiligen – der Zugang zum Kollektivgut kann einem ja nicht entzogen werden.
In Bezug auf Emissionsminderung bedeutet das: Von einem sich verbessernden Klima haben alle etwas – jene, die ehrgeizig dafür sorgen, zahlen aber (mehr) dafür als andere. Es reicht also nicht, dass sich die Länder darin einig sind, dass sie sich dringend anstrengen müssen. Es müssen Anreize her, damit sie wirklich handeln.
Nationale Interessen stehen im Fokus
Ein weiteres Problem ist, dass die Länder zu sehr ihre nationalen Interessen im Blick behalten. So stellen sich beispielsweise ölproduzierende Länder strikt gegen Emissionsbeschränkungen.
Wieder andere Länder haben Sorge, dass ihre heimische Wirtschaft leidet, wenn sie Unternehmen dazu auffordern, ihre Emissionen zu reduzieren. Solche Sorgen können auch dazu führen, dass die Reduktion innenpolitisch nicht oder kaum gewünscht wird.
Die Schuldfrage
Die Frage des "sozialen Ausgleichs“ ist ebenfalls ein großer Punkt in den Diskussionen. Die Entwicklungsländer haben in der Geschichte weniger zur totalen Ansammlung von Treibhausgasen in der Atmosphäre beigetragen als die Industrieländer. Sie "weisen zu Recht darauf hin, dass reiche Länder ihre Industrialisierung durch Verschmutzung des Planeten finanziert haben“, sagt Tirole.
Das führt häufig zu Debatten um die "Schuldfrage“ – und dazu, ob die Industrieländer deshalb Wiedergutmachung leisten müssen.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Politische Abkommen brauchen zu lange
Das Problem stand schon früh auf der Agenda
Bereits Ende der 1960er-Jahre "begann die wissenschaftliche Besorgnis zuzunehmen“, dass menschliches Handeln Auswirkungen auf das Erdklima hat, sagt Meteorologe John Zillmann.
Im Jahr 1979 fand dann die erste Weltklimakonferenz in Genf statt. Doch erst zwei Jahrzehnte später wurden die weltweiten Klimaänderungen in New York als ernstes Problem anerkannt.
Der erste "Meilenstein“: das Kyoto-Protokoll
Ein internationaler Meilenstein – so glaubte man zunächst – wurde dann wenig später erreicht: das Kyoto-Protokoll, in Kraft getreten im Jahr 2005. Das Besondere: Es enthielt erstmals rechtsverbindliche Begrenzungs- und Reduzierungsverpflichtungen für die Industrieländer.
Allerdings haben die USA, einer der größten CO2-Emittenten, das Abkommen niemals ratifiziert. Kanada ist 2013 ausgetreten. Mittlerweile fällt das Urteil über Kyoto vernichtend aus: Jean Tirole bezeichnet das Abkommen als "politisches Versagen“, die Ökonomen Ockenfels und Schmidt als "letztlich gescheitert“.
2015 folgte das Klimaabkommen von Paris
Noch mal knapp zwei Jahrzehnte später kam daher das Pariser Klimaabkommen zustande. Es wurde von knapp 200 Nationen ratifiziert. Das Neue: Nun sind auch die Entwicklungs- und Schwellenländer verpflichtet, ihre Emissionen zu reduzieren.
Und: Es gibt ein klares Ziel. Die Staaten wollen die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius halten – idealerweise unter 1,5 Grad. "Diese Obergrenzen sind damit erstmals in einem völkerrechtlichen Vertrag verankert“, schreibt das Bundesumweltministerium (BMU). Sie wurden nach "vielen Jahren intensiver Verhandlungen“ definiert.
Das europäische Klimagesetz
Die EU-Kommission hat Anfang März einen Entwurf für das europäische Klimagesetz vorgelegt. Es sieht unter anderem vor, dass die Treibhausgas-Emissionen in der EU bis zum Jahr 2050 auf null reduziert werden sollen. Das klingt zunächst gut – Forschende zeigten sich allerdings skeptisch, ob dieses Ziel auch wirklich verbindlich gedacht ist.
Und selbst wenn die EU die Ziele erreicht, wäre das voraussichtlich nicht genug.
Alle müssen etwas tun
Wenn nur Europa etwas gegen Emissionen unternimmt, kann das den Klimawandel "bestenfalls ein wenig verzögern“, sagen die deutschen Ökonomen Axel Ockenfels und Christoph M. Schmidt. Letzterer gehört zu den sogenannten Wirtschaftsweisen. Sie analysieren regelmäßig die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und beraten diesbezüglich Politiker:innen.
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Und jetzt?
Abkommen brauchen Anreize, Fairness und Wirtschaftlichkeit
Ökonom Tirole betont: "Jedes internationale Abkommen muss drei Kriterien erfüllen: Wirtschaftlichkeit, Anreize zur Einhaltung von Verpflichtungen sowie Fairness.“ Aber: Wie schafft man das?
Wirtschaftlichkeit: Erfolg neu definieren
Obwohl der Bundesrepublik eine Vorreiterrolle in der Klimapolitik nachgesagt wird, kritisieren einige Ökonom:innen Deutschland. Laut Wirtschaftsnobelpreisträger Jean Tirole sind die Kosten pro vermiedener Tonne CO2 zu hoch.
Auch das Urteil der Ökonomen Ockenfels und Schmidt fällt vernichtend aus: "Wer trotz hohem Finanzeinsatz seine nationalen Ziele massiv verfehlt und gleichzeitig auf globaler Ebene keine Wirkung erzielt, dient international eher als abschreckendes Beispiel.“
Sie schlagen vor, den Erfolg von Klimapolitik neu zu definieren: Die nationalen Bemühungen müssten daran gemessen werden, ob sie dazu beitragen, eine internationale Zusammenarbeit aufzubauen.
Verbindlichkeit und finanzielle Anreize
Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom verwies darauf, dass das gegenseitige Vertrauen der Verhandlungspartner:innen gestärkt werden muss. Staaten müssten wissen, dass sich andere an ihren Teil der Abmachung halten – ansonsten würden sie nach Wegen suchen, um ihre Aufgaben ebenfalls nicht erfüllen zu müssen.
Doch wie macht man das? Indem die Staaten selbst verbindliche Zusagen machen – und indem finanzielle Anreize gesetzt werden. So könnte eine ehrgeizige Klimapolitik Teil der Verhandlungen von Freihandelsabkommen sein. Auch Zahlungen aus einem Klimafonds sind denkbar. Gleichzeitig sollten Trittbrettfahrer bestraft werden. Ökonom Nordhaus schlägt hier einen "Climate Club“ vor: Treten Staaten diesem nicht bei, werden ihre Produkte mit Zöllen belastet.
Steuer oder Handel?
Um weitere finanzielle Anreize zu schaffen, gibt es zwei viel diskutierte Instrumente: eine CO2-Steuer und einen Emissionshandel. Das heißt: Wer CO2 produziert, wird dafür pro Tonne zur Kasse gebeten.
Die Steuer wird vom Staat erhoben, Beim Emissionshandel kriegen Unternehmen eine begrenzte Anzahl von Zertifikaten, die ihnen das Recht geben, Emissionen in die Luft zu pusten. Je weniger C02 die Firmen produzieren, desto billiger wird’s für sie – weil sie keine weiteren Zertifikate erwerben müssen und ungenutzte Zertifikate verkaufen können.
In einigen Ländern sind solche Maßnahmen bereits im Einsatz. Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und Forschende wie William Nordhaus fordern, eine CO2-Steuer weltweit zu etablieren. In der EU wird indes keine Steuer, sondern ein Emissionshandel (ETS) für Teile der Industrie und die Stromwirtschaft praktiziert.
Emissionen einheitlich bepreisen
Einer Reihe von Ökonom:innen geht es aber nicht so sehr darum, ob der Betrag nun durch eine Steuer oder den Handel abgeführt wird – sondern vielmehr darum, dass es weltweit einen einheitlichen Preis für Emissionen gibt.
Der könnte dazu beitragen, den "jahrzehntelangen Stillstand internationaler Klimakooperation aufzulösen“, meinen beispielsweise Ockenfels und Schmidt.
Aber: Wie soll man einen gemeinsamen Nenner finden?
Es ist allerdings nicht gerade leicht, einen einheitlichen Betrag festzulegen. Er muss einerseits hoch genug sein, um den Unternehmen in reichen Industrienationen einen Anreiz zu bieten, in umweltfreundliche Techniken zu investieren. Andererseits kann ein hoher Preis von Unternehmen aus armen Ländern kaum gezahlt werden.
Zudem sind die Kosten für die Vermeidung in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich hoch. Vor diesem Hintergrund klingt eine Vereinheitlichung nicht gerade gerecht.
Unterschiedliche Preise sind nicht gut fürs Klima
Dennoch gibt es Gründe, keine unterschiedlichen Emissionspreise festzulegen, erläutert Jean Tirole.
Ein Grund ist, dass das künftige Emissionswachstum von Schwellenländern und ärmeren Ländern ausgeht – schließlich wollen sie "einen vergleichbaren Lebensstandard“ wie die Industrienationen erreichen.
Das BMU schreibt, dass 2030 Entwicklungsländer für rund drei Viertel der jährlichen globalen Emissionen verantwortlich sein werden. Wenn in diesen Ländern die CO2-Preise unterbewertet werden, kann das 2- beziehungsweise 1,5-Grad-Ziel nicht erreicht werden.
Ein weiterer Grund: Gäbe es unterschiedliche Preise, würden Unternehmen aus reichen Ländern ihre Produktion in ärmere Länder verlegen, um zu sparen. Damit wäre der Anreiz weg, in neue Technologien zu investieren.
Bleibt das Problem mit der Fairness
Damit bleibt aber das Problem bestehen, dass arme Länder nicht den Emissionspreis zahlen können, der für reiche Länder angemessen wäre.
Auch auf nationaler Ebene ist Fairness ein Thema: Sollten Unternehmen weltweit ihre Emissionen zahlen müssen, werden einige die Kosten an die Verbraucher:innen weitergeben. Das verringert deren Kaufkraft – und kann vor allem Arme treffen.
Transferzahlungen als Lösung für das Fairnessproblem
Dieses Fairnessproblem könnte durch sogenannte Transferzahlungen gelöst werden. Ob CO2-Steuer oder Emissionshandel – beide Instrumente generieren zusätzliche staatliche Einnahmen.
Damit könnten Finanztransfers von reichen in arme Länder gemacht werden, beispielsweise im Rahmen eines Fonds. Einen ähnlichen Hebel gibt es bereits mit dem Green Climate Fund, der beispielsweise den Ausbau von erneuerbaren Energien in Entwicklungs- und Schwellenländern fördert. Allerdings kämpft der Fonds mit knappen Mitteln und steht unter anderem wegen mangelnder Transparenz in der Kritik.
Auf nationaler Ebene können einkommensschwache Haushalte für die Belastung, die durch höhere Preise entstehen, entschädigt werden, beispielsweise durch eine Ausweitung des Wohngeldes. Auch die Wirtschaft könnte unterstützt werden, etwa durch "umfassende Einkommensteuersenkungen oder eine Steigerung der produktiven Investitionen“, sagt Ian Parry vom IWF.
Autorin: Claudia Wiggenbröker
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Hallo, die erste Weltklimakoneferenz in Genf fand im Jahr 1979 statt, nicht 1972.
Stimmt, wir korrigieren es sofort. Danke
Hallo ihr Lieben,
Danke für diesen tollen Beitrag und generell dafür, dass ihr unter jedem Artikel eure Referenzen angebt!
Eine Anmerkung zu diesem Aritkel habe ich dennoch. Ihr schreibt „das Kyoto-Protokoll im Jahr XY.“. Wolltet ihr das Jahr noch einfügen? Meines Wissens war das 2005.
Liebe Grüße
Isabel
Haha, ja, danke 😀