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Ewigkeitschemikalien: gekommen, um zu bleiben
Wie gefährlich sind PFAS für dich?
PFAS-Verbindungen stecken in Outdoorklamotten, Kaffeebechern, Kosmetik und auch in Böden, Wasser und Lebewesen. Wie schädlich ist das und wo ist die Belastung besonders hoch?
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Artikel Abschnitt: Was sind PFAS?
Was sind PFAS?
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Artikel Abschnitt: Wo stecken die PFAS-Verbindungen drin?
Wo stecken die PFAS-Verbindungen drin?
- als Membran in Outdoorkleidung
- bei Fast-Food-Verpackungen
- bei Medizinprodukten (z.B. Herzschrittmacher)
- bei Kletterseilen
- bei Imprägniermitteln
Es ist kaum möglich, den Kontakt zu ihnen zu vermeiden. Da es in Deutschland auch keine Kennzeichnungspflicht gibt, ist uns deswegen auch oft gar nicht klar, wie häufig sie vorkommen. Auch über eine spezielle Entsorgung machen wir uns in der Regel keine Gedanken. Entsprechende Hinweise dazu gibt es nämlich kaum. Doch vor
allem bei Entsorgung und Herstellung gelangen die Chemikalien in die Umwelt und können etwa Böden und Grundwasser verunreinigen.
PFAS sind weltweit verbreitet
Eine amerikanische Studie stellte 2023 die Ergebnisse einer Regenwasseranalyse an sieben Messstellen in den USA vor. In allen untersuchten Proben wurden PFAS in hohen Konzentrationen von 10 bis 16.000 Nanogramm pro Liter gefunden. Und auch in wild lebenden Eisbären wurden die Verbindungen schon nachgewiesen.

Auch für Europa gibt es alarmierende Zahlen. Journalistinnen und Journalisten sammelten 2023 für das Forever Pollution Project Daten zu Orten, an denen besonders hohe PFAS-Konzentrationen vorkommen. Allein in Deutschland wurden mehr als 300 Hotspots mit sehr hohen Grundwasserbelastungen identifiziert.
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Wo kommen PFAS besonders häufig vor?
Hinweis zur Karte: Wir zeigen hier Werte ab 1000 Nanogramm pro Liter. Alle weiteren Werte und Hotspotregionen findest du beim Forever Pollution Project.
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Die Verschmutzung verursacht große Kosten
Wie teuer es werden könnte, betroffene Gebiete zu reinigen, haben die PFAS-Experten Ali Ling von der University of St. Thomas in Minnesota und Hans-Peter Arp von der Norwegian University of Science and Technology für das internationale Rechercheteam "Forever Lobbying Projekt" berechnet, zu dem auch NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung gehören.
Das Ergebnis: Sollte die Verschmutzung mit den Chemikalien so weitergehen, könnte die Reinigung in 31 untersuchten europäischen Ländern in den kommenden 20 Jahren rund zwei Billionen Euro kosten. Allein für Deutschland berechnen die Forscher mögliche jährliche Kosten von mehr als 800 Millionen Euro – im konservativsten Szenario. Dabei handelt es sich nur um Kosten für die Reinigung der Umwelt von den PFAS, von denen Experten annehmen, dass sie schon in der Umwelt sind.
Auch auf Unternehmen könnten hohe Beseitigungskosten zukommen
Das zweite Szenario spiegelt auch zukünftige PFAS-Freisetzungen wider und geht unter anderem davon aus, dass es keine wirksamen Beschränkungen für diese Chemikalien gibt. Unter diesen Voraussetzungen belaufen sich die geschätzten Kosten für eine Reinigung der Umwelt sogar auf mehr als 17 Milliarden Euro pro Jahr für Deutschland. Gemäß dem Bundes-Bodenschutzgesetz gilt in Deutschland, dass die Verursacher und Grundstückseigentümer verpflichtet sind, für die Beseitigung der Verunreinigung zu sorgen. Die Kosten betreffen also nicht nur den Staat, sondern zum Beispiel auch Unternehmen.
Die Schätzung der Forscher für das "Forever Lobbying Project" beruht auf vielen Annahmen, eine definitive Zahl ist daher schwer zu ermitteln. Deutlich wird aber die Dimension der möglichen Kosten. Hans-Peter Arp leitet ein großes europäisches Forschungsprojekt zur PFAS-Verschmutzung. Ali Ling arbeitete neben ihrer Forschung viele Jahre als Beraterin für Behörden und PFAS-produzierende Firmen, um Trink- und Abwasser besser zu reinigen.
Artikel Abschnitt: Wie gefährlich sind PFAS für Menschen?
Wie gefährlich sind PFAS für Menschen?
Denn laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sind PFAS-haltige Beschichtungen fest an die Outdoor-Kleidung gebunden. Darum gilt eine Aufnahme über die Haut als unwahrscheinlich. Durch das Waschen der Jacken und später beim Entsorgen können die Stoffe jedoch wieder in die Umwelt – und am Ende möglicherweise ins Trinkwasser und Nahrungsmittel gelangen. Das BfR rät aber zum Beispiel davon ab, beschichtete Koch-, Back und Bratgefäße leer zu überhitzen. Denn bei Temperaturen über 360 °C bilden sich giftige Dämpfe aus fluorierten Verbindungen und Partikeln.
Ablösungen von Pfannen eher weniger bedenklich
Gesundheitlich unbedenklich sei es hingegen, wenn sich von einer zerkratzten Beschichtung kleinste Teilchen lösen und beim Essen verschluckt werden. Da PTFE, also das Material, das häufig für die Beschichtung genutzt wird, reaktionsträge ist, werden diese Teilchen nicht verdaut und vom Körper unverändert wieder ausgeschieden. Eine Einschätzung, wie gefährlich PFAS in ihrer Gesamtheit sind, ist schwierig, weil es so viele gibt, die auch noch unterschiedlich gefährlich sind.
Weil sich die Stoffe aufgrund ihrer Langlebigkeit aber immer weiter in Böden und Trinkwasser angereichert haben, nehmen wir sie mittlerweile auch über die Nahrung auf.
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EFSA-Werte sind nur eine Empfehlung
Wichtig zu wissen: Dieser Wert ist eine Empfehlung, die aus einem wissenschaftlichen Gutachten hervorgeht, keine gesetzliche Vorgabe.
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Die Verbindungen reichern sich im Körper an
Kommen PFAS über die Nahrung in deinen Körper, können sie sich an Proteine in Blut, Leber oder Niere binden und sich so im Körper anreichern. Langkettige Verbindungen, also größere Moleküle, wie zum Beispiel PFOA oder PFOS bleiben länger im Körper als kurzkettige Vertreter. Welche Folgen das hat, zeigte eine Langzeitstudie mit einer Laufzeit von sieben Jahren.
Darin untersuchten Wissenschaftler:innen Kinder und Jugendliche in ganz Europa auf ihre Belastung mit verschiedenen Chemikalien, darunter auch PFAS. Die gefundenen Konzentrationen überschritten die von der EFSA vorgeschlagene kritische Wochendosis um das Tausendfache. In hohem Maße hatten sich die Verbindungen PFOS und PFOA im Blut der Studienteilnehmer:innen angereichert.
Heute kennt die Wissenschaft schon einige sehr bedenkliche Folgen, die durch die Langzeitbelastung mit PFAS entstehen können. So weiß man zum Beispiel, dass die Anwesenheit von PFAS im Körper dazu führen kann, dass bei Kleinkindern die Immunantwort auf Impfungen nicht richtig funktioniert und sie so keine ausreichende Immunität gegen Krankheiten ausbilden können.
Verdacht: Die Verbindungen könnten Parkinson und Alzheimer begünstigen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bewertet PFOA mittlerweile als krebserregend und PFOS als möglicherweise krebserregend für den Menschen. Auch ein Zusammenhang mit Hoden- und Nierenkrebs wird in der Forschung diskutiert. PFAS stehen außerdem in Verdacht, dass sie die Hormone der Schilddrüse beeinflussen und Parkinson und Alzheimer begünstigen könnten.
Es gibt zahlreiche weitere Verdachtsfolgen, für die es bisher noch keine Beweise gibt. Außerdem kommt erschwerend dazu, dass die PFAS-Belastung der Bevölkerung allgemein hoch ist und Vergleichsstudien so kaum möglich sind.
So oder so: Die Kosten, die durch die Behandlung von gesundheitlichen Folgen der Belastung entstehen könnten, liegen laut dem Nordic Council of Ministers für die europäische Bevölkerung bei geschätzten 52–84 Milliarden Euro pro Jahr. Das von einem Stoff ausgehende tatsächliche Risiko für schädliche Wirkungen hängt letztlich aber natürlich auch von der Menge ab, der Menschen ausgesetzt sind, sowie von der Expositionsdauer.
Artikel Abschnitt: Lassen sich PFAS in der Umwelt vermeiden?
Lassen sich PFAS in der Umwelt vermeiden?
Wenn du sichergehen willst, achte beim Kauf von Kleidung, Schuhen, Rucksäcken oder Imprägniersprays darauf, dass der Hersteller sie als "fluorfrei", "frei von PFC", oder "ohne PFAS" bezeichnet.
Zur Beschichtung von Verpackungsmaterialien eignen sich auch Wachse, Paraffine oder Silikone, auch wenn die Nachteile haben. Gewachste Oberflächen sind weniger robust gegen Kratzer und Knicke. Kaffeebecher beispielsweise durchweichen schneller.
Generell hilft ein erhöhtes Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher über das Vorkommen von PFAS dabei, eine Entsorgung so
fachgerecht wie möglich zu gestalten. Sprich: Beschichtete Pfannen gehören nicht in den Restmüll und Einwegbecher nicht ins Gebüsch. Für eine weitreichende Problemlösung ist allerdings der Gesetzgeber verantwortlich.
Jede dritte Region sieht in PFAS Gefährdung
Wie geht Deutschland mittlerweile gegen die PFAS-Verschmutzung vor? Das zeigt eine Umfrage unter allen 400 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland, die NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung gemeinsam mit der deutschen MIT Technology Review durchgeführt haben. Fast zwei Drittel aller Kreise und kreisfreien Städte haben geantwortet. Eins der Ergebnisse: Etwa jede dritte Region sieht in PFAS eine aktuelle oder zukünftige Gefährdung. Nur wenige Kreise können Angaben dazu machen, wie lange in ihrer Region noch Kosten für die Sanierung und das Monitoring von PFAS anfallen werden. Von denen schätzen allerdings 85 Prozent: noch über 20 Jahre. Ebenfalls geben nur wenige an, wie hoch die Kosten vor Ort jeweils ausfallen werden. Denn die konkrete Höhe der Kosten kann von vielen Bedingungen abhängen wie Verschmutzungsgrad, zu erfüllenden Grenzwerten und vorhandenen Sanierungstechnologien. Allerdings sucht fast die Hälfte der Kreise, die geantwortet haben, nicht aktiv nach PFAS.
Unterschiedliche Behörden sind für die Chemikalien zuständig
Die Zuständigkeiten für PFAS sind in Deutschland auf unterschiedliche Stellen verteilt. In NRW sind etwa für die Bearbeitung von Verdachtsfällen in Boden und Grundwasser die unteren Bodenschutzbehörden der Kreise und kreisfreien Städte und in bestimmten Fällen die Bezirksregierungen zuständig, also die allgemeinen Vertretungen der Landesregierung in den Bezirken. Die Landesregierung unterstützt dabei unter anderem finanziell und das Landesumweltamt berät und informiert.
"Die Kosten übersteigen deutlich die Leistungsfähigkeit der Kommunen", sagt etwa Jochen Kral, Dezernent für Mobilität und Umwelt von der Stadt Düsseldorf. Zwar gilt gemäß dem Bundes-Bodenschutzgesetz, dass die Verursachenden und Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer verpflichtet sind, für die Beseitigung der Verunreinigung zu sorgen. Doch wenn zum Beispiel kein Verursacher ausfindig gemacht werden kann oder das betroffene Grundstück Stand, Land oder Bund gehört, kommen immer wieder auch die Steuerzahler für die Kosten auf.
So hat Düsseldorf in den vergangenen Jahren mehr als zehn Millionen Euro für PFAS-Projekte ausgegeben – aber damit ist es noch lange nicht getan. Allein für die Sanierung einer großflächigen Grundwasserverunreinigung in Gerresheim werden für die nächsten 15 Jahre Kosten in Höhe von über 20 Millionen Euro anfallen, schätzt die Stadt.
Artikel Abschnitt: Wie ist der Gebrauch von PFAS gesetzlich geregelt?
Wie ist der Gebrauch von PFAS gesetzlich geregelt?
Herstellung, Verwendung und Import von Produkten, die die beiden Verbindungen enthalten, sind bis auf wenige Ausnahmen verboten. Auch PFHxS und C9-C14 PFCA sind auf europäischer Ebene reguliert.
Insgesamt jedoch gibt es viel mehr PFAS – rund 10.000 verschiedene. Aufgrund des ähnlichen Aufbaus vieler PFAS befürchten Experten, dass auch weitere, noch nicht erforschte PFAS-Verbindungen problematisch sein könnten. Vor allem deshalb gibt es auch den Ruf nach einem Teil-Verbot der ganzen Stoffgruppe. "Im Mai 2020 begannen Aktivitäten für eine weit gefasste Beschränkung der gesamten Gruppe der PFAS. Alle Verwendungen dieser Stoffe, die nicht als gesamtgesellschaftlich unabdingbar gelten, sollen künftig verboten werden.", sagt das Bundesamt für Risikobewertung (BfR). Auch auf die Grenzwerte für Trinkwasser müssen wir noch warten. Zwar ist die neue Trinkwasserverordnung im Juni 2023 in Kraft getreten, die Grenzwerte sind aber erst ab 2026 bzw. 2028 verpflichtend. Kritik gibt es etwa von Betroffenenvertretern aus Hotspotregionen an der langen Frist bis zur Umsetzung und auch an der Höhe der Grenzwerte.
Die betragen
- 500 Nanogramm pro Liter (ng/l) für die Gesamtheit aller PFAS
- 100 ng/l für die Summe von 20 Verbindungen
- 20 ng/l für die vier bedenklichsten Vertreter
und sind damit erheblich höher als die tolerierbaren Aufnahmemengen der EFSA von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Woche.
Auch für Lebensmittel gibt es Grenzwerte. Die Verordnung legt Höchstwerte für Eier, Fisch- und Fleischprodukte fest. Die Werte befinden sich allesamt im Mikrogrammbereich und sind damit – je nach Verzehrmenge – um das Hundert- bis Tausendfache höher als die Mengen, die nach Ansicht der EFSA gefahrlos gegessen werden können.
Über den/die AutorIn:
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Hallo, ich habe vielleicht nicht alles gelesen, aber stelle die Frage trotzdem: wodurch gelangen PFAS in die Organismen, wo sie dann nachgewiesen werden?
Denn vom Endprodukt her gesehen sind sie ja nicht wasserlöslich oder?
Weil sich die Stoffe aufgrund ihrer Langlebigkeit immer weiter in Böden und Trinkwasser angereichert haben, nehmen wir sie mittlerweile auch über die Nahrung auf. Für die meisten Vertreter der Substanzklasse gibt es keine Untersuchungen bezüglich möglicher gesundheitlicher Folgen. Von vielen erwarten Forschende auch keine schädigende Wirkung. Von einigen weiß man… Weiterlesen »
PFAS leider wieder kein Stoffe gegen Sperma.Vorallem gegen ältere Vaterschaft.Schade Schade.
Ganz algemein, wir wollen arbeiten mit eine negativ Liste, welche Stoffen sind falsch. Ich moechte das umgekehrte, eine positiv Liste. Nur Stoffen auf der positiv Liste sind zulaeßig Wenn eine neue Stoff zulaessig sein moechte muss sie beweisen umschaelich zu sein Diese Stoff ist nur solange zulaeslich als wir glauben… Weiterlesen »
Ich bin absoluter Gegner von PFAS in kurzlebigen Konsumgütern wie Bechern, Pfannen und Kleidung. Als Medizintechnik Profi möchte ich aber darauf Hinweisen, dass viele Medizinprodukte ohne PFAS wie Teflon Schläuchen oder Isolatoren nicht zu machen sind. Für die Medizintechnik gibt es schon wegen der Kontamination strenge und funktionierende Entsorgungsrichtlinien. Ich… Weiterlesen »
Ich hab aufgehört zu lesen nach diesem Satz: „Eine Greenpeace-Studie von 2018 berichtet sogar vom Nachweis der Chemikalien in der Leber von wild lebenden Eisbären in der Antarktis.“ Man möchte Wissenschaft vermitteln und dann so ein Eklatanter Fehler? Es gibt gar keine Eisbären in der Antarktis! Und wenn man schon… Weiterlesen »
Anscheinend hat man die Stelle korrigiert. Fehler passieren halt, man kann auch nett drauf aufmerksam machen
Wir schauen uns das an.
wir haben nach einem Hinweis den Fehler korrigiert. Ihr könnt uns gerne schreiben, falls euch noch einmal etwas auffällt.