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Mehr als nur Farbe
Darum sind Rothaarige außergewöhnlich
Rote Haare sind selten. Die Farbe ist nicht nur auffällig – sie verrät auch etwas über das Krebsrisiko und Schmerzempfinden ihres Trägers.
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Artikel Abschnitt: Warum sind manche Haare rot?
Warum sind manche Haare rot?
Das bekannteste Pigment beim Menschen ist Melanin. Es bestimmt unter anderem die Haut- und Haarfarbe und kommt in zwei Varianten vor: Eumelanin und Phäomelanin. Melanine werden in spezialisierten Hautzellen hergestellt, den Melanozyten. Für braune und schwarze Farben ist das Eumelanin zuständig. Dieser Farbstoff sorgt auch für Sonnenbräune. Deutlich seltener ist das orangerote Phäomelanin. Es macht rote Haare rot.
Hier findest du Wissenswertes über Haare.
Wie so oft liegt es in den Genen, wie viel Eumelanin oder Phäomelanin ein Mensch im Körper hat – genauer: auf dem Chromosom 16. Dort befindet sich unter anderem die genetische Information für den Melanocortin-1-Rezeptor oder kurz MC1R. Ist dieser Hormonrezeptor aktiv, bringt er Melanozyten dazu, viel Eumelanin und nur wenig Phäomelanin zu produzieren. Die Folge sind braune oder schwarze Haare, dunkle Haut und Augen. Durch zufällige Mutationen kann aber die Funktion von MC1R gestört sein. Dann produzieren die Melanozyten weniger braunschwarzes und stattdessen viel mehr rotes Pigment.
Bei mehr als 90 Prozent der rothaarigen Menschen ist MC1R verändert. Inzwischen haben Forscher zahlreiche Mutationen gefunden, von denen mindestens fünf für rote Haare zuständig sind.
Blonde oder hellbraune Haare enthalten insgesamt wenig Melanin, also wenig Eumelanin und Phäomelanin. Je nach Verhältnis der beiden können auch rotblonde Haare zustande kommen.
Übrigens: Rote Haare sind im Vergleich zu anderen Farbvarianten sehr dick. Dafür tragen rothaarige Menschen mit 90.000 vergleichsweise wenige Haare auf dem Kopf. Braun- und schwarzhaarige Menschen haben im Schnitt 100.000, blonde sogar bis zu 150.000 Kopfhaare. Dafür sind die Haare dann bei ihnen oft dünner.
Artikel Abschnitt: Wie viele Menschen haben rote Haare?
Wie viele Menschen haben rote Haare?
Afrika ist die Wiege des modernen Menschen. Dieser ursprüngliche Homo sapiens war dunkelhäutig mit schwarzbraunen Haaren. So war der Mensch, der inzwischen kein Fell mehr trug, gut gegen aggressive Sonnenstrahlung geschützt. Diese Eigenschaften – also viel Melanin in Haut und Haaren – werden dominant vererbt. Bald aber wanderten Gruppen dieses Urmenschen auf der Suche nach einer neuen Heimat Richtung Norden. Dort scheint die Sonne aber weniger und auch nicht so intensiv. Der eigentlich sinnvolle Sonnenschutz wandelte sich zum Nachteil, denn die stark pigmentierte Haut filterte zu viel UV-Licht heraus. Das benötigt der menschliche Körper aber, um Vitamin D herzustellen. Kinder mit Vitamin-D-Mangel neigen zu Rachitis („weiche“ Knochen), Erwachsene leiden unter häufigeren Infekten, Stimmungsschwankungen und Knochenproblemen.
Menschen mit – zufälligerweise – weniger Eumelanin und deshalb hellerer Haut hatten also auf einmal einen Vorteil, obwohl diese Eigenschaften rezessiv vererbt werden. Die Evolution sorgte dafür, dass sich diese Mutation in Gebieten durchsetzte, in denen die Sonne weniger intensiv scheint. Gleichzeitig waren Wales, Schottland und Irland durch ihre Insellage lange isoliert, sodass sich die rezessiven Eigenschaften stärker stabilisieren konnten als in Gebieten mit starker Zu- und Abwanderung. Deshalb gibt es dort deutlich mehr blonde und eben auch rothaarige Menschen mit der zufälligen Mutation für eben diese Haarfarbe.
Spanische Forscher stellten 2007 fest, dass sogar ein Prozent der Neandertaler rote Haare hatte. Interessanterweise hat sich die Rothaarigkeit im modernen Menschen und unserem urzeitlichen Verwandten unabhängig voneinander entwickelt.
Artikel Abschnitt: Sind Rothaarige anfälliger für Hautkrebs?
Sind Rothaarige anfälliger für Hautkrebs?
Es ist bekannt, dass wiederholte Sonnenbrände das Risiko für Hautkrebs steigern. Dabei gilt: Je mehr Eumelanin, umso dunkler die Haut und umso unempfindlicher ist sie gegen Sonnenstrahlung. Denn aufgrund seiner chemischen Struktur absorbiert Eumelanin 50 bis 75 Prozent der UV-Strahlung und verhindert so Hautschäden. Außerdem kann Eumelanin ganz schön was einstecken, bevor es kaputtgeht. Man sagt auch, das Pigment ist photostabil. Ganz anders das Phäomelanin: Es reagiert sehr empfindlich auf Licht und bietet so kaum Schutz. Menschen mit heller Haut – egal, ob rothaarig, blond oder dunkelhaarig – haben deshalb ein 70-fach höheres Risiko, irgendwann an Hautkrebs zu erkranken.
Allerdings zeigen neuere Forschungen, dass nicht allein die mechanische Wirkung der Farbstoffe für den Sonnenschutz zuständig ist. Eumelanin ist auch ein sogenannter Radikalfänger. Das Pigment deaktiviert also reaktive Moleküle, die Zellschäden hervorrufen können. Außerdem aktiviert MC1R bestimmte Mechanismen in der Zelle, die zum Beispiel Schäden an der Erbsubstanz (DNA) reparieren. Schäden an Zellen und DNA wiederum können Krebs auslösen.
Bei den meisten Rothaarigen ist MC1R verändert. Sie haben also deutlich weniger Eumelanin. Dadurch fehlen ihnen die entsprechenden Schutzmechanismen.
Artikel Abschnitt: Machen rote Haare schmerzempfindlicher?
Machen rote Haare schmerzempfindlicher?
Interessant ist, dass rothaarige Menschen offenbar nicht auf die schmerzstillende Wirkung von Lidocain ansprechen. Dieser Wirkstoff wird zur örtlichen Betäubung vor allem bei zahnmedizinischen Behandlungen eingesetzt. In einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2009 stellten Forschende fest, dass rothaarige Probanden aus Angst vor schmerzhaften Untersuchungen doppelt so häufig Zahnarztbesuche mieden wie eine Vergleichsgruppe. Als Grund schrieben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: „Patienten, die in der Vergangenheit wirkungslose Lokalanästhesien erfahren haben, können verstärkt Angst vor Zahnbehandlungen entwickeln und meiden dann Zahnarztbesuche.“
Woran es liegt, dass Rothaarige oft nicht auf Lidocain ansprechen, weiß man noch nicht.
Lidocain wird unter die Haut gespritzt und wirkt nur an einem sehr begrenzten Ort. Anders ist das bei Inhalationsanästhetika, die auf den gesamten Körper wirken. US-amerikanische Forscher zeigten 2004 in einer Studie, dass rothaarige Frauen knapp 20 Prozent mehr des Narkosemittels Desfluran benötigten, um nicht mehr auf Schmerzreize zu reagieren. Allerdings wurden nur zehn rothaarige mit zehn dunkelhaarigen Probandinnen verglichen. In einer später durchgeführten Studie mit 468 gesunden Menschen gab es keinen messbaren Unterschied zwischen rot- und dunkelhaarigen Probanden. Somit gehört die angebliche Resistenz Rothaariger gegen Narkosemittel ins Reich der Mythen.
Artikel Abschnitt: Sterben Rothaarige aus?
Sterben Rothaarige aus?
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Meine Reaktionen als Rothaarige sind anders: Beim Zahnarzt brauche ich nur einen Bruchteil des üblichen Narkosemittel Ultracain. Schmerztabletten wirken dagegen überhaupt nicht. Da könnte ich auch Gummibärchen gegen Schmerzen essen… Medikamente vertrage ich öfter nicht, nach Impfungen bin ich tagelang benommen. Von der Allergietablette Fenistil war ich 3 Tage lang… Weiterlesen »
Eine Anmerkung: Im ersten Abschnitt steht, dass blaue Augen häufig seien. Tatsächlich hab ich schon öfter gelesen, dass blau die seltenste Augenfarbe bei Rothaarigen ist. Und eine Frage: Was ist mit „mechanischen Druck“ gemeint? Das mit dem Narkosemittel ist interessant, ich war der festen Überzeugung, dass rothaarige mehr brauchen, aber… Weiterlesen »
Genauso wie rote Haare werden blaue Augen werden rezessiv vererbt, das heißt beide Eltern müssen die entsprechenden Gene dafür haben. Das macht die beiden Eigenschaften verhältnismäßig selten.
Mit mechanischem Druck ist alles gemeint, was durch Druck auf die Haut Schmerzen auslösen kann, also zum Beispiel Quetschungen oder Schläge.
Ich habe eher den Eindruck, dass es extrem unterschiedlich ist bei Rothaarigen, aber sehr oft ganz anders. Seit ich bei Ärzten auf das veränderte MC1R-Gen hinweise, nimmt man mich dort immerhin ernst. Früher wurde das durchaus schon mal als Spinnerei, Überempfindlichkeit, „alles psychisch“ abgetan.
„Melanine werden in spezialisierten Hautzellen hergestellt, den Melanozyten“. Ihr habt den Satz doppelt im 1 Abschnitt. Zur Druckempfindlichkeit: In welcher Studie ist das belegt? Hiesse die Zellen erfassen den Druck weniger oder andere Zellen leiten diese Information unterdrückt weiter. Beides merkwürdig.
Genau das ist es: Merkwürdig, weil es eben alles nicht so klar und eindeutig ist. Vielleicht gibts einfach viel zu wenig Rothaarige, als das diese Unterschiede mal ausreichend erforscht würde. Wenn es mehrere Muttionen gibt, warum sollten Rothaarige dann alle gleich reagieren? Schön wäre es, da hätte ich ein paar… Weiterlesen »