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Medizin
Was du über Gentherapien wissen solltest
Die Gentherapie soll helfen, Erbkrankheiten zu behandeln. Bei manchen kommt sie schon zum Einsatz. Aber es gibt auch Risiken. Ein Überblick.
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Artikel Abschnitt: Was sind Gentherapien?
Was sind Gentherapien?
Eine winzige Veränderung in der DNA, die dazu führt, dass der rote Blutfarbstoff Hämoglobin nicht wie gewohnt produziert wird. Die Folge: Es bilden sich sichelförmige Hämproteine, die verklumpen. So kann der Sauerstoff nicht mehr zu den Zellen gelangen.
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Manchmal liegt die Behandlung auch darin, ein krank machendes Gen stillzulegen, es also quasi auszuschalten, damit defekte Proteine gar nicht erst gebildet werden. Das wird Gene Silencing genannt. Das Ziel von Gentherapien ist es immer, Patientinnen und Patienten möglichst dauerhaft zu helfen. Im Idealfall reicht eine einzige Behandlung, um die Krankheit zu heilen.
EMA-Zulassung in der EU notwendig
Um in der EU zum Einsatz zu kommen, brauchen Gentherapien eine Zulassung durch die Europäische Arzneimittel Agentur (EMA). "Gentherapeutika müssen alle Anforderungen erfüllen, die auch an andere Arzneimittel gestellt werden", sagt Prof. Christian Buchholz, Leiter der Forschungsgruppe Molekulare Biotechnologie und Gentherapie am Paul-Ehrlich-Institut.
Er betont, dass man genau beobachtet, wie sich Gentherapeutika im Körper verhalten und ob sie vielleicht auch wieder ausgeschieden werden. Der Wissenschaftler erklärt weiter: "Wir beobachten sorgfältig und über einen langen Zeitraum hinweg, ob es bei den Behandelten Nebenwirkungen gibt und wie lange der therapeutische Effekt anhält."
Welche Methoden für eine Gentherapie gibt es?
Damit die Gene in Zellen kommen, braucht man einen Träger, der die Erbinformation sicher ans Ziel bringt. Das können modifizierte Viren, sogenannte Vektoren, sein. Viren sind nämlich in der Lage, Erbinformation in unsere Zellkerne einzuschleusen. Die Viren, die man in der Gentherapie verwendet, wurden so verändert, dass sie nicht krank machen und sich auch nicht vermehren können.
Sie können auch nicht auf andere Menschen überspringen und dienen lediglich dazu, das therapeutische Gen auf den Menschen zu übertragen. Je nach Methode der Gentherapie werden unterschiedliche Vektoren verwendet.
Es gibt In-vivo- und Ex-vivo-Therapien. Bei der In-vivo-Methode findet die Genübertragung im Menschen statt. Dabei wird ein therapeutisches Gen mittels adenoassoziierten Viren (AAV) in die Zielzellen der zu behandelnden Person eingebracht. Die fremde DNA befindet sich dann als sogenanntes Episom zusätzlich zum Erbgut des Menschen im Zellkern. Sie wird nicht ins eigene Genom eingebaut.
Nach und nach baut sich die Extra-DNA jedoch wieder ab. Man wendet die In-vivo-Methode deshalb nur an, wenn sich die behandelten Zellen nur sehr selten teilen. Auf diese Art könnte man beispielsweise Zellen aus der Netzhaut im Auge, nicht aber blutbildende Zellen behandeln.
Beim Ex-vivo-Verfahren werden den kranken Menschen Zellen entnommen. Das können beispielsweise Stammzellen aus dem Knochenmark sein, die in der Lage sind, Tochterzellen mit gleichem Erbgut zu bilden. Im Labor verändert man die DNA der Zellen gentechnisch, indem man ein zusätzliches Gen in die vorhandene DNA einbringt. Dafür braucht man andere Vektoren als beim In-vivo-Ansatz, denn hier soll die neue Erbinformation in das Genom der Menschen integriert werden. Als Vektoren kommen Retroviren oder Lentiviren infrage.
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CRISPR/Cas9-Methode noch nicht in EU zugelassen
Artikel Abschnitt: Bei welchen Krankheiten werden Gentherapien eingesetzt?
Bei welchen Krankheiten werden Gentherapien eingesetzt?
Sie zeigen sich zudem bei angeborenen Immundefekten als wirksam. Und sogar bei der Behandlung von Krebs konnte Forschende in den letzten Jahren große Fortschritte machen. Beispielsweise kann das multiple Myelom, ein Tumor, der Knochen und Knochenmark befällt, gentherapeutisch behandelt werden. "Inzwischen haben schätzungsweise mehrere 10.000 Menschen eine CAR-T-Zelltherapie erhalten, die gegen Krebserkrankungen eingesetzt wird. Aber auch in anderen Bereichen gewinnen wir zunehmend Erfahrung", sagt Buchholz.
Vielversprechend sind Gentherapien immer dann, wenn es gar keine konventionelle Therapie gegen eine Erkrankung gibt. Aber auch wenn bereits Behandlungsmöglichkeiten existieren, können neue gentherapeutische Ansätze erfolgreicher sein oder Patient:innen eine angenehmere Therapie ihrer Erkrankung bieten.
Gentherapien wirken oft bei seltenen Erkrankungen
Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Behandlung der "Bluterkrankheit" (Hämophilie). Menschen, die von dieser Krankheit betroffen sind, haben eine genetisch begründete Störung der Blutgerinnung. Die bisherige Therapie besteht darin, Proteine zu verabreichen, die die Blutgerinnung verbessern.
Das muss aber immer wieder getan werden. Unter Umständen bedeutet das, dass Betroffenen der fehlende Gerinnungsfaktor alle paar Tage neu gespritzt werden muss. Jetzt gibt es für einige Formen der Hämophilie eine Gentherapie. Die setzt direkt an der Wurzel des Problems an: am defekten Gen. In diesem Fall sparen sich Patient:innen die lebenslange Behandlung mit Gerinnungsfaktoren.
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In solchen Fällen zeigt sich: Auch die Rentabilität kann für einen Mangel an wichtigen Medikamenten sorgen. Doch es gibt auch andere Gründe, wie der Winter 2023/24 zeigte. Der Medikamentenmangel betrifft uns alle und lässt sich leider nicht so schnell lösen.
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Welche Risiken bergen Gentherapien?
Die erste Gentherapie bei einem Menschen wurde im Jahr 1990 gemacht. Die damals vierjährige Ashanti DeSilva wurde an der University of Southern California in Los Angeles mit gentechnisch veränderten Zellen behandelt. Ihr Körper war nicht in der Lage, Krankheiten abzuwehren. Heilen konnte die Gentherapie Ashanti DeSilva jedoch nicht.
Nach und nach wurden die verabreichten Gene von ihrem Immunsystem wieder abgebaut. Sie erhielt deshalb eine andere Therapie und lebt heute ein weitgehend normales Leben.
Immer wieder Rückschläge und Nebenwirkungen
Die damalige Euphorie über die Gentherapien hielt aber erst mal nur kurz. Es gab immer wieder herbe Rückschläge. Manche Ansätze brachten nicht den erhofften Erfolg, andere waren schlicht zu teuer. Und wieder andere hatten schwere Nebenwirkungen.
Das war der Fall bei der Behandlung von X-SCID, einer Form der Immunschwächekrankheit SCID (Severe Combined Immunodefiency). Erste Erfolge hatte es bei einer anderen Form, ADA-SCID, gegeben, an der auch Ashanti DeSilva litt. Für ADA-SCID gibt es heute ein zugelassenes Arzneimittel, Strimvelis. Im Fall der gentherapeutischen Behandlung von X-SCID aber trat nach einigen Jahren bei den Testpersonen gehäuft Krebs auf, der eindeutig in Zusammenhang mit der Gentherapie stand.
Der verwendete Vektor war dafür verantwortlich. Er sorgte dafür, dass im Erbgut einiger Zellen die Expression eines bestimmten Gens total aus dem Ruder lief. "Man hatte damals in der Folge sehr schnell herausgefunden, warum die Behandelten eine leukämieähnliche Erkrankung entwickelten. So konnte das Problem durch eine Verbesserung des Vektors behoben werden. Wir haben daraus sehr viel gelernt", ergänzt Buchholz.
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Wie können wir Gentherapien also so sicher wie möglich machen? Christian Buchholz erklärt: "Neue Gentherapieansätze werden vor der Anwendung am Menschen ausführlich in Tierversuchen auf ihre Risiken geprüft. Die typischen Gefahren sind uns bekannt und wir untersuchen die Tiere im Hinblick darauf sehr genau und über einen langen Zeitraum."
Artikel Abschnitt: Ethikrat befasst sich mit Gentherapie
Ethikrat befasst sich mit Gentherapie
Jennifer Doudna, eine der Entdeckerinnen der bekannten CRISPR/Cas-Methode hat es auf den Punkt gebracht: Sie sagte, es laufe alles darauf hinaus, wer wir als Menschen sind und ob der Mensch diese Art von Macht ausüben sollte. Zum einen kratzt es also an unserem Selbstverständnis, unsere Gene verändern zu können.
Alternative Methoden nicht außer Acht lassen
Zum anderen dürfen wir aber auch die alternativen Behandlungsmethoden nicht außer Acht lassen. Bei der Stammzelltherapie beispielsweise transplantiert man ein gesundes Blutbildungssystem und schaltet das kranke durch Chemotherapie aus. Ist das im Vergleich dazu, ein Gen zu übertragen, eine bessere Behandlung? Oder ist es ethisch vertretbarer, einen Embryo, den man mit künstlicher Befruchtung erzeugt hat, zu vernichten, wenn er einen schweren genetischen Defekt hat, anstatt den Defekt zu reparieren?
Artikel Abschnitt: Werden veränderte Gene weitervererbt?
Werden veränderte Gene weitervererbt?
Zusätzliche ethische Fragen werden aufgeworfen
Mit Vererbung ist aber meist gemeint, dass man die Erbinformation an Nachkommen weitergibt. Dafür müsste man jedoch die Keimzellen, also Eizellen und Spermien, verändern. Die Veränderung der Keimzellen wirft aber zusätzliche ethische Fragen auf. Derzeit ist es in der EU nicht erlaubt, Keimzellen gentechnisch zu behandeln. Auch die Forschung daran ist verboten und Eltern können daher veränderte Gene nicht an ihre Kinder vererben.
Artikel Abschnitt: Sind mRNA-Impfstoffe Gentherapeutika?
Sind mRNA-Impfstoffe Gentherapeutika?
Diese können Ärztinnen und Ärzte bei manchen Infektionskrankheiten, aber auch zur Immuntherapie von Krebs einsetzen. Sie ergänzen andere Therapien und können den Krankheitsverlauf abmildern, indem sie das Immunsystem von Erkrankten trainieren, die Tumorzellen zu erkennen. Die Therapie kommt bei bestimmten Formen von Haut- und Lungenkrebs zum Einsatz.
Artikel Abschnitt: Sind Gentherapeutika die Arzneimittel der Zukunft?
Sind Gentherapeutika die Arzneimittel der Zukunft?
Vielversprechende Ansätze gibt es auch bei einigen Krebsarten. Weil eine Chemotherapie auch andere sich schnell teilenden Zellen schädigt, könnte hier eine Gentherapie, die spezifischer auf Krebszellen wirkt, eine Behandlungsalternative sein. Mittlerweile gibt es Ansätze, Tumorzellen gentherapeutisch zu behandeln. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Therapie, die man pauschal gegen alle Arten von Krebs einsetzen kann. Denn anders als man vielleicht denken könnte, sind Krebserkrankungen sehr vielfältig und es liegen – je nach Art der Erkrankung – viele unterschiedliche Ursachen und Fehlfunktionen zugrunde.
CAR-T- oder TCR-T-Zelltherapie
Eine andere gentherapeutische Strategie gegen Krebs ist, dem Immunsystem dabei zu helfen, Tumorzellen zu erkennen und sie zu bekämpfen. Solche Strategien sind unter dem Namen CAR-T-Zelltherapie oder TCR-T-Zelltherapie bekannt geworden. In den vergangenen Jahren wurden hier wichtige Fortschritte gemacht. Es ist aber so, dass Ärztinnen und Ärzte zuerst einmal eine konventionelle Therapie wie die Chemo- oder Strahlentherapie versuchen.
Erst wenn diese nicht erfolgreich sind, kommt eine Gentherapie zum Einsatz. Sind die neuartigen gentechnischen Behandlungsmethoden also die Arzneimittel der Zukunft? Der Wissenschaftler Christian Buchholz fasst zusammen: "Für bestimmte Erkrankungen sind sie das vielleicht schon. Schließlich ist das Prinzip deutlich ursächlicher, als nur die Symptome zu behandeln. Standardtherapien mit breiter Anwendung sind sie aber noch nicht."
Nachhaltigkeit kann erst in den nächsten Jahrzehnten beurteilt werden
Wie nachhaltig die neuartigen Therapien tatsächlich sind, können Forschende erst in den nächsten Jahrzehnten zeigen. Denn man muss Patient:innen jahrelang begleiten und ihren Krankheitsverlauf beobachten, um das beurteilen zu können. Da es sich bei Gentherapien fast immer um Behandlungen seltener Erkrankungen handelt, dauert es lange, bis man eine ausreichende Datenmenge gesammelt hat.
Christian Buchholz erklärt dazu: "Wir haben mit bestimmten Gentherapien zwar schon fast dreißig Jahre Erfahrung, aber bezogen auf die Zahl der Patientinnen und Patienten sowie die Beobachtungszeiten handelt es sich immer noch um eine neue Therapieform."
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In unserer Verwandschaft besteht eine Erbkrankheit.Die wird definitive NICHT weitergehen.Wir zwei Frauen,meine Cousine und ich sind sterilisiert.Frau muss das Glück nicht heraus fordern.Erbkrankheit geht auf männliche Nachkommen über.