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Alternativmedizin
Was man über die Wirksamkeit von Akupunktur wirklich weiß
Der Nutzen von Akupunktur ist umstritten. Und tatsächlich finden sich in den wissenschaftlichen Studien dazu methodische Schwierigkeiten.
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Akupunktur soll Energieblockaden lösen
Das reine "Nadeln" können Akupunkteure noch ergänzen, etwa durch eine Behandlung mit Wärme oder leichtem Reizstrom. Nach der Vorstellung der TCM sollen die Behandlungen Energieblockaden im Körper lösen und die Selbstheilungskräfte aktivieren.
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Theorien zu einer möglichen Wirkungsweise
Es existieren Theorien, die der Akupunktur neurobiologische Wirkmechanismen zuschreiben. So sollen die Stiche zum Beispiel örtlich die Durchblutung anregen oder den Körper stimulieren, verschiedene Stoffe wie Hormone oder Neurotransmitter – Botenstoffe der Nervenzellen wie etwa Serotonin und Dopamin – auszuschütten. Dies soll etwa die Schmerzweiterleitung über die Nerven zum Gehirn blockieren, dadurch Schmerzen lindern und den Körper wieder ins Gleichgewicht bringen.
Bis heute ist allerdings unklar, ob und wie genau Akupunktur auf den Körper wirkt. Deshalb ist auch die Suche nach einem biologischen Mechanismus schwierig. Denkbar ist auch eine Wirkweise, die rein auf dem Placebo-Effekt beruht.
Kein Nachweis über Energiebahnen im Körper
Auch konnten bislang keine Energiebahnen im Körper nachgewiesen werden. Deshalb ist die Methode umstritten. Trotzdem wenden viele Heilpraktiker und Ärzte Akupunktur an und Krankenkassen übernehmen teilweise sogar die Kosten der Behandlung.
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Akupunktur wird bei einer Vielzahl an Beschwerden angewendet, besonders häufig bei chronischen Schmerzen aber auch bei Schwangerschaftsbeschwerden oder Übelkeit oder nach Operationen. Ebenso sollen die feinen Nadeln helfen, abzunehmen oder sich das Rauchen abzugewöhnen. Wissenschaftlich belegt ist der Nutzen in den meisten Fällen nicht. Und die Studien, die einen Nutzen sehen, haben nur eine geringe Aussagekraft.
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Darum müssen wir drüber sprechen:
Die Wirkung von Akupunktur ist wissenschaftlich nicht ausreichend belegt
Die Studienanzahl allein reicht jedoch nicht aus, um klare Ergebnisse zu Wirkung oder Wirkungslosigkeit von Akupunktur zu erhalten. Wichtiger ist die Qualität der Untersuchungen, und hier hapert es bisweilen. Oft liegen methodische Fehler vor und es gibt auch prinzipielle methodische Grenzen für Studien, die eine Wirksamkeit der Akupunktur untersuchen.
Behandlung, Scheinbehandlung oder keine Behandlung
Viele Studien vergleichen zwei Gruppen von Teilnehmenden: Diejenigen, die wegen ihrer Beschwerden mit Akupunktur behandelt werden und die, die gar keine Behandlung erhalten. Es ist aber bekannt, dass sich allein die Zuwendung von Behandelnden zum Patienten oder der Patientin positiv auswirken kann. Dieses Phänomen nennt sich Placebo-Effekt.
Neuere Untersuchungen vergleichen deshalb die gezielte Akupunktur mit einer Scheinakupunktur. Dabei setzen Ärztinnen und Ärzte ebenfalls Nadeln, aber meist oberflächlicher und an Stellen, die nicht als Akupunkturpunkte bekannt sind.
Ebenso wäre es eigentlich nötig, Akupunktur oder Scheinakupunktur mit zum Beispiel einer medikamentösen Standardtherapie zu vergleichen. Auch dies findet aber in den meisten Studien nicht statt. Als Kontrollgruppe dienen meistens Menschen, die überhaupt nicht behandelt werden.
So funktioniert der Placebo-Effekt
Unvollständig verblindet
Im optimalen Fall sind klinische Studien doppelt verblindet. Das bedeutet, dass weder die Wissenschaftler:innen noch die Studienteilnehmenden wissen, wer den Wirkstoff oder ein Placebo erhält. Bei der Akupunktur ist das nicht möglich, denn zumindest der Arzt oder die Ärztin weiß, ob die Nadeln die Akupunkturpunkte treffen oder nicht. Unbewusst können Behandelnde so das Befinden der Patient:innen beeinflussen.
Antworttendenz und Bestätigungsfehler
Oft werden die Studienteilnehmenden in Gesprächen vor und nach der Behandlung zu ihrem Befinden befragt. Menschen tendieren in solchen Situationen dazu, Antworten zu geben, von denen sie annehmen, dass ihr Gegenüber sie erwartet. Ebenso erwarten die Teilnehmenden selbst eine Verbesserung ihrer Beschwerden und suchen unbewusst nach der Bestätigung. Patienten und Patientinnen schätzen ihre Lage deshalb unter Umständen positiver ein, als sie tatsächlich ist. Damit verzerren sie unbewusst die Ergebnisse in Richtung einer Wirksamkeit.
Um diese beiden Fehler zu vermeiden, helfen standardisierte Messungen, die zu objektiven Messwerten führen. Gerade bei chronischen Schmerzen oder Faktoren wie Wohlbefinden ist das aber nicht möglich.
Interpretation der Studien
In zahlreichen, hauptsächlich aktuelleren Veröffentlichungen sprechen diejenigen, die die Studie verfasst haben, selbst Unsicherheiten oder das Risiko für Verzerrungen an, etwa wegen geringer Probandenzahlen. Sie schreiben zum Beispiel, dass weitere Untersuchungen nötig seien, um valide Ergebnisse zu erhalten.
Solche Einschränkungen der Studien werden bei einer weiteren Auswertung oder Berichterstattung aber oft nicht weiter beachtet. Stattdessen werden Schlussfolgerungen verkürzt und unreflektiert wiedergegeben. Auch das kann zu einer Verzerrung von Studienergebnissen führen, die unter Umständen das öffentliche Bild von der Wirksamkeit der Akupunktur beeinflusst.
Keine Verbesserung oder unklare Aussage
Angesichts der vielen Unsicherheiten und möglichen Verzerrungen ist es wenig verwunderlich, dass die zahlreichen Untersuchungen keine klaren Antworten geben. Eine große Metastudie aus dem Jahr 2020 verglich 33 Einzelstudien, die den Effekt von Akupunktur auf chronische Rückenschmerzen untersuchten. Sie fanden keine Verbesserung nach einer Akupunktur-Behandlung im Vergleich zu einer Scheinbehandlung. Es zeigte sich, dass es keine Rolle spielt, an welchen Punkten die Nadeln gesetzt werden.
Eine andere Auswertung mehrerer Einzelstudien hingegen zeigte im Jahr 2018 Effekte bei chronischen Schmerzen in Rücken, Schulter und Knien sowie bei chronischen Kopfschmerzen, auch im Vergleich zur Scheinakupunktur. Allerdings waren diese Effekte sehr gering und ließen sich unter Umständen durch andere Verzerrungen erklären (Placebo-Effekt, Befragung der Studienteilnehmenden …).
Für andere Beschwerden ergaben einzelne Studien, dass Akupunktur keine Wirkung hat oder die Ergebnisse unklar sind, zum Beispiel bei Hüftarthrose, chronischem Spannungskopfschmerz und Migräne, Übelkeit und Depressionen oder bei der Schwangerschaftsrate nach einer künstlichen Befruchtung.
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Akupunktur hat Nebenwirkungen
Heutzutage verwenden Akupunkteure meist sterile Einmalnadeln. Damit sinkt das Risiko von Infektionen oder Entzündungen an der Einstichstelle. Gelegentlich kommt es zu kleinen Blutungen, Blutergüssen oder Schmerzen nach der Behandlung.
Deutlich seltener beobachteten Forschende in Untersuchungen Schwindel und Bewusstlosigkeit, Nervenreizungen oder Verletzungen an Organen. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind aber sehr selten. Wenn sie aber auftreten, müssen sie schnell behandelt werden.
Je besser eine Ärztin oder ein Arzt in der Anwendung von Akupunktur ausgebildet ist und je mehr Erfahrung sie oder er hat, umso sicherer ist die Methode.
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Krankenkassen zahlen einige Akupunkturleistungen
Voraussetzung: qualifiziertes Personal
Einige Krankenkassen decken zudem freiwillig Behandlungen auch anderer Erkrankungen oder bei der Geburtsvorbereitung ab. Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist, dass qualifizierte Ärztinnen und Ärzte die Akupunktur durchführen. Dafür müssen diese eine Akupunkturweiterbildung absolvieren. Behandlungen bei etwa einem Heilpraktiker oder einer Heilpraktikerin hingegen werden in der Regel nicht erstattet.
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Studienlage weiter beobachten
Es ist deshalb zu erwarten, dass die Aussagen zur Akupunktur mit der Zeit noch deutlich sicherer werden.
Anm. d. Redaktion: Es handelt sich um eine überarbeitete Version des Artikels aufgrund neuer Daten.
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Ist Akupunktur bei Tinnitus erfolgreich.
Das müssten wir genauer recherchieren. Diese Meta-Studie kam z.B. zu dem Schluss: „Weitere strenge und hochwertige Studien mit größeren Stichprobengrößen sollten durchgeführt werden, um die Wirksamkeit/Effektivität der Akupunktur bei Tinnitus zu bestätigen.“ https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32772848/
Nach meiner 4. Akupunkturbehandlung fing mein Tinnitus an abzuheilen. Seit der 7. Behandlung bin ich tinnitusfrei. Zudem keine Nacken- und Kopfschmerzen mehr, die ich zuvor zwei Jahre lang versuchte mit Hilfe unserer Ärzte loszuwerden, aber nur von Spezialist zu Spezialist geschickt wurde und keiner helfen konnte.
In der Akupunktur-Community hält man sich übrigens längst nicht mehr allen Ernstes mit der Frage auf, ob Akupunktur (bei einer bestimmten Reihe von Erkrankungen) überhaupt funktioniert. Wer einmal selbst erfahren oder bei anderen mitbekommen hat, dass bei richtiger Anwendung der Akupunktur bestimmte chronische Erkrankungen, die teils über viele Jahre anhielten,… Weiterlesen »
Interessante Studie:
https://www.uniklinikum-jena.de/Uniklinikum+Jena/Aktuelles/Archiv/PM_Archiv+2004/Nachweis+erbracht_+Akupunktur+ist+mehr+als+ein+_Placebo_-p-16322.html
Dort wurde bei narkotisierten Probanden gemessen, dass die Akupunktur einen leichten schmerzlindernden Effekt hat. Placebo sollte so ausgeschlossen sein.
Meinung des IGel-Monitors (igel-monitor.de) zum Ensatz der Akupunktur zur Migräneprophylaxe: „Tendenziell positiv“. Ausschnitt aus der Evidenzsynthese auf https://www.igel-monitor.de/igel-a-z/igel/show/akupunktur-zur-migraeneprophylaxe.html: „Im Vergleich zu einer als wirksam nachgewiesenen medikamentösen Standardtherapie ist die Akupunktur mindestens gleichwertig. Auch wenn der Bedarf an Schmerzmitteln unter der Akupunktur im Vergleich zur medikamentösen prophylaktischen Behandlung nicht signifikant sank,… Weiterlesen »