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Klimagerechtigkeit – so wird Klimaschutz sozialer und effektiver
Die Klimakrise betrifft uns alle. Aber gerade die Ärmsten leiden unter den Folgen am meisten, während sie am wenigsten CO2 verursachen.
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Was ist Klimagerechtigkeit?
"CLIMATE JUSTICE NOW!" – das liest man auf Transparenten von Klimaaktivist:innen, aber auch die Wissenschaft beschäftigt sich immer mehr mit dem Thema Klimagerechtigkeit. Nur - was heißt das eigentlich? Im Kern geht es darum, dass diejenigen am meisten unter den Folgen der Klimakatastrophe leiden, die am wenigsten dazu beigetragen haben, während die größten Verursacher über Ressourcen verfügen, den Folgen zu entfliehen, sich daran anzupassen oder davor zu schützen. Das gilt sowohl für unterschiedliche Länder als auch innerhalb der Bevölkerung Deutschlands. Es werden Lösungsansätze diskutiert, die nicht nur für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen könnten, sondern viel effektiver das Klima schützen und damit auch große wirtschaftliche Schäden durch die Klimakatastrophe abwenden könnten.
Arme Länder trifft es besonders hart
In der Klimakrise steigt die Wahrscheinlichkeit für Extremwettereignisse. Mit jedem Grad Erwärmung nimmt die Luft mehr Wasser auf, es kommt zu Überflutungen, gleichzeitig nehmen Dürren zu. Diese Folgen treffen nicht alle Länder gleichermaßen. Menschen in ärmeren Ländern, vor allem im globalen Süden, haben weniger Ressourcen, um sich im Katastrophenfall zu schützen, und sind oft besonders stark auf eine intakte Natur angewiesen, etwa weil sie von Ackerbau und Viehzucht leben.
Schuldenerlass fürs Klima?
Dass die Industrie in diesen Ländern noch nicht so entwickelt ist wie im globalen Norden, ist vor allem die Folge von Kolonialisierung und jahrhundertelanger Ausbeutung. Ein Schuldenerlass für den Klimaschutz ist daher eine Forderung für mehr Klimagerechtigkeit. In der Theorie bestünde dadurch die Möglichkeit, dass die verschuldeten Länder des globalen Südens mehr Geld in Klimaanpassung investieren könnten. Eine Forderung, die von Aktivist:innen immer wieder vorgetragen wird, aber auch bei verschiedenen Wirtschaftswissenschaftler:innen als eines der notwendigen Werkzeuge für mehr Klimagerechtigkeit und nachhaltigen Klimaschutz gilt.
Umweltkatastrophen treffen Frauen härter
Auch innerhalb der Bevölkerung treffen die Folgen Menschen unterschiedlich hart. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Frauen in den Ländern des globalen Südens bei Unwettern oder Überschwemmungen ein größeres Sterberisiko haben. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Warnungen finden häufig im öffentlichen Raum statt, Frauen sind aber oft zu Hause oder auf dem Feld. Sie kümmern sich auch meistens um ältere Familienmitglieder und Kinder - das macht es für sie schwerer, sich in Sicherheit zu bringen. Frauen sind auch unmittelbar nach solchen Ereignissen besonders vulnerabel: Nach Katastrophen herrschen oft Chaos und Unsicherheit und dann steigt die Zahl gewaltsamer Übergriffe auf Frauen. Das zeigen Untersuchungen für Bangladesch, Vietnam, aber auch für die USA. In den sechs Monaten, nachdem der Hurrikan Katrina New Orleans verwüstet hatte, verdoppelte sich die Zahl der Gewalttaten von Männern gegen Frauen. Die Ursachen dafür sind noch nicht gut erforscht, aber ein Faktor dürfte sein, dass es bei Stromausfall schlicht dunkler ist und die Polizei durch Schäden in der Infrastruktur in ihrer Arbeit behindert ist. Wenn Hitze und starke Regenfälle mehr Malariainfektionen hervorrufen, kümmern sich vor allem Frauen um die Kranken. Ihr Risiko, sich selbst zu infizieren, liegt damit deutlich höher.
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Gendergerechtigkeit schützt das Klima
Frauenrechte und Bildung zu fördern, birgt dagegen ein großes Potenizal, das Klima zu schützen, etwa in der Landwirtschaft. Denn oft sind es Frauen, die sich um Nahrungsmittel kümmern und Felder bestellen. Geschulte und gut informierte Frauen nutzen effizientere Anbaumethoden, die deutlich weniger Treibhausgase verursachen – etwa beim Reisanbau, bei dem Methan in großen Mengen freigesetzt wird. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen könnten Landwirtinnen ihre Ernteerträge um 20 bis 30 Prozent steigern, wenn sie den gleichen Zugang zu denselben Ressourcen hätten wie ihre männlichen Kollegen – also Schulungen, Finanzierung und Eigentumsrechte. Mehr Bildung und Chancengleichheit bedeutet aber auch, dass Frauen nur so viele Kinder bekommen, wie sie selbst wollen und ernähren können. Auch das trägt zu Klimagerechtigkeit und Klimaschutz bei. Nicht zuletzt zeigen Studien, dass mit der Anzahl von Frauen in Parlamenten weltweit die Wahrscheinlichkeit zunimmt, die Klimaziele einzuhalten. Eine Rangliste der wirksamsten Klimaschutzmaßnahmen nennt Bildung für Mädchen und Familienplanung als wirksamste Maßnahmen. Die Investitionen für diese hochwirksamen Maßnahmen sind überschaubar: Die Unesco schätzt, dass sich mit einer zusätzlichen Investition von nur 39 Milliarden US-Dollar pro Jahr schon sicherstellen ließe, dass alle Mädchen weltweit in die Schule gehen.
Klimaungerechtigkeit in Deutschland
Eine Schieflage zwischen Verursachern und Opfern der Klimakrise besteht auch in Deutschland. Ärmere Haushalte haben einen geringeren CO2-Abdruck, verfügen gleichzeitig über weniger Ressourcen, um sich etwa vor Extremhitze zu schützen - gerade im Alter ein erhebliches Risiko, wie die große Zahl an Hitzetoten hierzulande zeigt.
Eine Forderung: Klimageld für alle
Um beim Klimaschutz mehr soziale Gerechtigkeit zu erlangen, schlagen Forschende des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC und vieler anderer Institutionen ein Klimageld in Form einer Pro-Kopf-Pauschale vor, die alle Bürger:innen erhalten. Sie finanziert sich aus einer realistischen CO2-Bepreisung: Pro Tonne CO2 werden 150 Euro veranschlagt – ein Preis, der nach Berechnungen der Forschenden den Schaden widerspiegelt, den eine Tonne CO2 in der Atmosphäre verursacht. Produkte, die mit besonders hohen CO2-Emissionen verbunden sind, werden höher besteuert, der Staat nimmt dadurch mehr Geld ein, gibt dieses Geld aber mit dem Klimageld wieder an seine Bürger:innen ab. Dabei erhalten alle den gleichen Betrag. Die Klimawissenschaftlerin Dr. Brigitte Knopf vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC und stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats für Klimafragen für die Bundesregierung empfiehlt eine solche Pauschale ausdrücklich: "Das ist deshalb gerecht, weil ärmere Haushalte oft einen geringeren CO2-Fußabdruck haben. Wenn man die Einnahmen pro Kopf zurückverteilt, profitieren die ärmeren Haushalte. Wir haben ausgerechnet, dass die ärmeren Haushalte insgesamt nicht nur weniger Kosten haben, sondern über die CO2-Bepreisung wirklich Geld rausbekämen."
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