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Nordpol ohne Eis
Das passiert, wenn das Meereis der Arktis weg ist
Eine eisfreie Arktis hat dramatische Folgen für das Klima. Doch die Gewinner des Klimawandels stehen fest: Es sind die Arktis-Anrainerstaaten.
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Darum geht’s
Bald ist die Arktis eisfrei
2020 betrug dieses Meereis-Minimum nur 3,92 Milionen Quadratmeter. Lediglich im September 2012 war die Ausdehnung mit 3,57 Millionen Quadratmeter noch geringer. Zum Vergleich: Vor knapp 40 Jahren betrug das Minimum noch 7,05 Millionen Quadratmeter.
Zwischen 1981 und 2010 schmolzen pro Jahrzehnt etwa 13 Prozent des arktischen Meereises. Bisher sehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler keine Indizien für einen Gegentrend – im Gegenteil. Die berechtigte Frage lautet deshalb: Wann wird die Arktis komplett eisfrei sein?
Eisfreie Arktis bis Ende des Jahrhunderts?
Bisher kann man diese Frage nicht genau beantworten. An der University of Boulder, Colorado, beschäftigt sich Alexandra Jahn wissenschaftlich mit der Frage, unter welchen Szenarien die Arktis im Sommer am wahrscheinlichsten eisfrei sein wird. Dazu untersucht sie, wie sich das Meereis der Arktis verhält, abhängig davon, wie sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre entwickelt.
Die natürliche Klimaschwankung darf dabei nicht außer Acht gelassen werden. Jahn weist darauf hin, dass zukünftige menschengemachte Emissionen nicht entscheidend dafür seien, wann es zum ersten eisfreien September in der Arktis komme. Gestützt werden ihre Ergebnisse durch neue Klimamodelle. Sie zeigen, dass durch die natürliche Klimaschwankung spätestens im September 2050 die Arktis das erste Mal teilweise eisfrei sein wird. Teilweise eisfrei bedeutet in diesem Fall, dass sich die Meereisausdehnung auf eine Fläche von unter einer Million Quadratkilometer reduziert.
Arktis: Fünf eisfreie Monate möglich
Trotzdem würden zukünftige Emissionen in gravierender Weise mit darüber entscheiden, wie die Arktis am Ende des Jahrhunderts aussieht, so die Forscherin. Konkret bedeutet das: Entweder kommt es in der Arktis nur gelegentlich zu einem eisfreien September oder aber – im schlechtesten Fall – das Meereis der Arktis verschwindet bis zu fünf Monate im Jahr.
Nur wenn die Weltgemeinschaft es schafft, die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu halten, besteht eine Chance, das arktische Meereis bis zum Ende des Jahrhunderts zu erhalten. Eine Mammutaufgabe, bedenkt man, dass die Menschheit auf einem Emissionspfad ist, der bis 2100 zu einer Erderwärmung von bis zu 4 Grad Celsius führt.
Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass das arktische Meereis bis zum Ende des Jahrhunderts weitgehend verschwindet. Mit weitreichenden Konsequenzen.
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Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen
Darum müssen wir drüber sprechen
Viele Staaten wollen die Arktis wirtschaftlich nutzen
Denn wenn das Eis schmilzt, führt das für diese Länder in vielfacher Weise zu wirtschaftlichen und geostrategischen Vorteilen. Besonders im Fokus: bisher meist unzugängliche Seewege in den arktischen Gewässern. Dazu zählen: die Nordostpassage von Europa entlang der eurasischen Nordküste bis in den Pazifik, die Nordwestpassage im Norden Kanadas und die Transpolarroute.
Die Nordost- und die Nordwest-Passage werden heute schon für einige Monate im Jahr genutzt. Alle Routen könnten allerdings bis Ende des Jahrhunderts für die meiste Zeit des Jahres befahrbar sind. Schon heute erspart der Seeweg über die Nordostpassage zwischen Rotterdam und dem japanischen Yokohama 7800 Kilometer pro Strecke. Dies entspricht einer Zeitersparnis von circa sechs Tagen.
Arktis: Auch China hat Interesse
Geostrategische Vorteile hat die Arktis als Knotenpunkt zwischen Asien, Europa und Nordamerika. Diese Situation führt allerdings unweigerlich zu Interessenskonflikten, zumal sich China seit 2018 als "arktisnaher Staat" bezeichnet. Dabei versucht China auch mit einer erhöhten Militärpräsenz, seinen politischen und wirtschaftlichen Anspruch auf die Region zu untermauern.
Nach Schätzungen des Geologischen Dienstes der USA lagern etwa 16 Prozent der weltweiten Erdöl- und 30 Prozent der weltweiten Erdgasreserven in der Arktis. Als wäre das noch nicht genug, birgt die Region enorme Vorkommen mineralischer Rohstoffe. Von Metallen über Diamanten, Edelsteinen, Gold, Platin, Kupfer, Zink, seltenen Erden bis hin zu Uranvorkommen: Die Region um den Nordpol bietet alles, was wirtschaftlichen Wohlstand verspricht.
Je schneller das Eis schmilzt, desto leichter sind diese Schätze abbaubar. Dabei muss das Meereis der Arktis noch nicht einmal vollständig abgeschmolzen sein, um mit dem Abbau fossiler Brenn- und mineralischer Rohstoffe zu beginnen und um die Arktis zeitweise schiffbar zu machen. Kein Wunder, dass die Arktisanrainer sich argwöhnisch beobachten.
Staaten streiten sich um Nutzung der Arktis
Um Konflikte zu entschärfen, hat das UN-Seerechtsübereinkommen von 1982 den fünf Arktisstaaten eine 200 Seemeilen Zone entlang ihren Küsten zugebilligt. Innerhalb dieser sogenannten "ausschließlichen Wirtschaftszone" hat der jeweilige Staat, das Exklusivrecht, diese wirtschaftlich auszubeuten.
Beruhigt hat dies die Situation aber nicht. Sollte einer der Staaten nachweisen, dass einer der drei untermeerischen Rücken, die sich quer durch die Arktis ziehen, zur Erweiterung ihres eigenen Festlandsockels gehört, könnte der jeweilige Staat sein territoriales Staatsgebiet auf 1,2 Millionen Quadratkilometer erweitern.
Genau das versuchen die Staaten mit geologischen Gutachten, die aber jeweils von den anderen Anrainern nicht anerkannt werden. Vor allem der Lomonossow-Rücken (siehe Karte) steht dabei im Fokus der Streitigkeiten. Ungeachtet dessen baut Russland seit Jahren seine ohnehin schon starke Militärpräsenz in der Region aus.
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Aber
Eine eisfreie Arktis hat katastrophale Auswirkungen auf das Klima- und Ökosystem
Dass es jederzeit und sehr schnell zu Unfällen dieser Art kommen kann, hat im Sommer 2020 die Dieselkatastrophe von Norilsk gezeigt, bei der 21.000 Tonnen Diesel in die sibirische Tundra und in den Fluss Ambarnaja gelangten. Katastrophen wie diese haben gravierende Folgen für die arktische Tierwelt und das gesamte Ökosystem.
Das Leben der Tiere wird aber auch durch menschliche Aktivitäten beeinträchtigt. Ein Beispiel: Schiffe, seismische Untersuchungen und militärische Manöver produzieren Lärm, der die Navigation und Kommunikation von Belugawalen stört. Neue Studien belegen, dass darüber hinaus viele Tierarten vom Aussterben akut bedroht sind, sollte sich das Meereis weiter zurückziehen.
Schmelzendes Eis beschleunigt Temperaturanstieg
Auf den ersten Blick paradox: Der Rückgang des Meereises beschleunigt den Klimawandel sogar noch. Diesen sogenannten Rückkopplungseffekt kann man sich so vorstellen: Während helle Eisflächen einen großen Teil der von der Sonne kommenden Strahlung zurück ins All reflektieren, absorbieren dunkle Meeresoberflächen die kurzwellige Strahlung der Sonne und wandeln sie in langwellige Wärmestrahlung um. Dadurch wird der Treibhauseffekt in der Arktis verstärkt. Die Folge: Noch mehr arktisches Meereis schmilzt weg.
Dies ist einer der Gründe, warum die Temperaturen in der Arktis doppelt so schnell ansteigen wie in der restlichen Welt. Auf Longyearbyen, dem größten Ort auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen beispielsweise, sind die Temperaturen im Zeitraum zwischen 1899 und 2019 schon um 3,52 Gras Celsius gestiegen.
Das Klima der gesamten Nordhalbkugel kann sich ändern
Fatal ist dabei: Wenn sich irgendwo auf der Welt das Klima ändert, kann sich das andernorts auf der Erde direkt auswirken. Diese ferngesteuerten Prozesse nennen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen "Teleconnection". Der Klimawandel in der Arktis fungiert für bestimmte Wetterlagen auf der Nordhalbkugel als eine solche Fernsteuerung. Auch manche Wetterlagen in Deutschland werden durch sie beeinflusst.
Dieser Prozess funktioniert so: Die Troposphäre ist die unterste Schicht der Erdatmosphäre, in der das Wettergeschehen stattfindet. Sie wird in unseren geografischen Breiten in einer Höhe von etwa 12 Kilometern von der Tropopause begrenzt. Aufgrund der Lufttemperaturunterschiede zwischen dem kalten Nordpol und dem warmen Äquator hat sich hier der sogenannte West-Jetstream entwickelt.
Dieser Starkwind rast als Wellenband mit einer Geschwindigkeit von 200–500 km/h um die Erde und steuert dabei die sogenannte Westwinddrift. Die Westwinddrift ist für die Ausbildung und den Transport von Hochs und Tiefs mitverantwortlich. Durch den Klimawandel in der Arktis sind aber die Temperaturunterschiede zwischen den Luftmassen am Äquator und am Nordpol nicht mehr so groß. Die Folge: Die Geschwindigkeit des West-Jetstreams nimmt ab, seine Wellenbewegungen werden größer und stauen sich. Diese blockierenden Wetterlagen können durch den Klimawandel verstärkt werden.
Trockene Sommer und bitterkalte Winter
Im Sommer entstehen in solchen Fällen Wetterlagen über Mitteleuropa, die zu lang anhaltenden Hitzeperioden mit Trockenheit führen. Ein Beispiel dafür ist der Hitzesommer 2019 in Deutschland. Auf dem Satellitenbild sieht diese Wetterlage dann aus wie der griechische Buchstabe Omega. Ein Hochdruckgebiet ist von zwei Tiefdruckgebieten eingekeilt und bewegt sich quasi nicht vom Fleck.
Im Winter sieht die Situation völlig anders aus. Paradoxerweise kann ausgerechnet die Klimaerwärmung auf der Nordhemisphäre zu bitterkalten Wintern führen. In solchen Fällen beult sich das Hochgeschwindigkeitswindband von Norden nach Süden hin aus und bringt klirrend kalte Polarluft nach Mitteleuropa. Genau das erlebten wir im Februar 2021.
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Und jetzt?
Verträge aufsetzen und neue Technologien einsetzen
Zusätzlich könnte analog zum Antarktisvertrag ein Arktisvertrag aufgesetzt werden, der eine wirtschaftliche Ausbeutung der Nordpolregion verbietet. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem solchen Vertrag kommt, ist aber äußerst gering. Die Arktis steht einfach zu sehr im Mittelpunkt ökonomischer und geopolitischer Interessen.
CO2-Ausstoß muss runter, um Arktis zu schützen
Nur wenn wir unsere Anstrengungen im Klimaschutz enorm verstärken, ist das Meereis der Arktis noch zu retten. Die für das Pariser Klimaschutzabkommen vorgelegten Einzelziele aller Staaten reichen dazu in der Summe nicht aus.
Momentan liegt der CO2-Gehalt der Atmosphäre bei 415 parts per million, das sind 415 Teilchen pro eine Million Luftteilchen. Um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, darf der CO2-Gehalt der Atmosphäre bis 2100 höchstens 380 parts per million aufweisen. Zwei Dinge werden deutlich: Die Zeit drängt und sie rennt uns davon.
Dadurch wird der weltweite Einsatz technologischer Mittel, das CO2 aus der Atmosphäre zu holen, immer wahrscheinlicher. Eine dieser vielversprechenden Technologien ist das Carbon Capture Storage. Bei diesem Prozess wird CO2 im Kraftwerk technisch abgespaltet und dauerhaft in unterirdische Lagerstätten überführt.
Noch haben wir es in der Hand, ob solche Technologien in Zukunft dauerhaft eingesetzt werden müssen. Doch auch das ist ein Risiko, denn die "Nebenwirkungen" solcher Technologien sind noch nicht alle hinreichend erforscht. Gelingt auch das nicht, werden wir mit den vielfältigen Konsequenzen einer eisfreien Arktis leben müssen.
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Ich hab Grad bei Google earth kein Eis mehr gesehen
Hallo??? Gefärliches Halbwissen… das Wichtigste wird mit keinem Wort erwähnt: nach Blue Ocean Event –> sibirischer Permafrost am Meeresboden setzt gewaltige Mengen Methan frei –> Folge irreversibler galoppierender Treibhauseffekt!!! Junge, Junge…
Plötzlich ergibt alles Sinn 😉 😉 Nein, ernstaft: Der Artikel ging ja gar nicht darum die Ursachen aufzuzählen. Somit wurde auch nichts vergessen. Aber auch dieses Methan ist ein Rückopplungseffekt, da es ja erst durch die Erwärmung freigesetzt wird. 2021 hat so wie so ganz neue Qualitäten. Ich glaube dass… Weiterlesen »
Der Klimakiller aus dem Umspannwerk. Die Energiewende macht immer neue Umspannwerke notwendig. Ständig muss irgendwo ein Solar- oder Windpark angeschlossen werden. Ausgerechnet in diesen Anlagen, mit denen die Energiewende hin zu grünem Strom erreicht werden soll, kommt ein extrem klimafeindliches Isoliergas zum Einsatz: SF6 genannt Schwefelhexafluorid. Es ist 23500 mal… Weiterlesen »
Hoch- und Mittelspannungsschalter sind nicht das einzige Einsatzfeld von SF6, wie suggeriert. Der Verbrauch ist auch nicht dramatisch gestiegen, wie man aufgrund des Posts annehmen könnte. Leider gibt es den heiligen Gral der Klimawende nicht. Man muss alle Probleme der verfügbaren Technologien im Auge behalten und das geringste Übel wählen.… Weiterlesen »
Ich hab ja jetz nicht so die Ahnung aber wen das Co2 den Klimawandel unvorteilhaft beschleunigt dann muss das zeug eben raus bin ich voll dafür. Als nächstes sollte man sich gleich der anstehenden Öl/treibstoff Verseuchung zuwenden die durch tausenden gersunkene Schiffwracks ins haus steht. jetz lassen sich die meisten… Weiterlesen »
Ein Prophet wird er auch, wenn es dann eintreffen sollte. Ein für mich zu pessimistisch aufgesetzter Artikel. AlGores Prophezeiung ist nicht eingetreten. Man erinnere sich. Etwas mehr Realismus wäre m.E. angesagt. Als Wissenschaftler weiß er sehr wohl, dass das Klima /Wetter nicht monokausal – hier CO2 – beeinflusst wird. Hätte… Weiterlesen »