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Thrombosen
Das sollte man über Blutgerinnsel wissen
Wenn Menschen plötzlich sterben, sind Blutgerinnsel oft die Ursache. Sie verstopfen Lunge, Herz oder Gehirn, ohne deutliche Symptome zu verursachen.
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Blutgerinnsel sind lebensgefährlich
Sie verstopfen die Gefäße von Beinen, Herz, Lunge oder Gehirn und sorgen dafür, dass Organe nicht mehr ausreichend mit Blut und dem darin transportierten Sauerstoff versorgt werden. Jedes Jahr sterben allein in Deutschland rund 100.000 Menschen an den Folgen einer Lungenembolie - also dem Verschluss von Lungenarterien durch Blutgerinnsel. Auch Beinvenenthrombosen, Schlaganfälle und Herzinfarkte können die Folge von Blutgerinnseln sein.
Gerinnsel durch Corona?
Auch in der Diskussion um Covid-19 rücken Blutgerinnsel in den Fokus: Fachleute gehen davon aus, dass jeder fünfte Corona-Patient Gerinnungsstörungen hat. Dadurch kann es bei Covid-19 zu Komplikationen wie einer Lungenembolie oder einem Herzinfarkt kommen.
"Zudem gibt es Daten, dass bei Covid-19-Erkrankungen gehäuft Schlaganfälle auftreten können", sagt Professor Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), gegenüber dem Science Media Center (SMC). "Unter diesen Schlaganfällen kommen auch Sinusvenenthrombosen vor.“
Sinusvenenthrombosen sind eine spezielle Art von Thrombosen in Venen, die Blut aus dem Gehirn zurück zum Herzen leiten. Diese Hirnvenenthrombosen, die im Vergleich zu Beinvenenthrombosen in der Regel gefährlicher sind, können also auch eine Komplikation der Covid-19-Erkrankung sein.
Sehr selten treten solche Sinusvenenthrombosen auch nach Impfungen mit Astrazeneca oder Johnson&Johnson auf. Mehr zu diesem Thema erklären wir hier.
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Was passiert bei der Blutgerinnung?
Als Erstes wird das Gefäß enger, um den Blutfluss zu verlangsamen. Die vorbeischwimmenden Blutplättchen bleiben an der Wunde kleben und sammeln sich dort. Das geht nur an der verletzten Stelle – an der gesunden Gefäßwand finden sie keinen Halt.
Durch den “Klebstoff” Fibrin wächst der Blutklumpen: Das fadenartige Fibrin spannt ein Netz, in dem sich Blutplättchen und Blutzellen verfangen. Zieht sich das Netz zusammen, entsteht ein festes Gerinnsel, ein Pfropf.
Sobald die Wunde verschlossen ist, wird die Gerinnung gestoppt. Es lagern sich keine Blutplättchen mehr an. Ist die Verletzung verheilt, wird das klebende Fibrin von speziellen Proteinen gespalten und das Gerinnsel zerfällt wieder.
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Lungenembolie, Herzinfarkt und Schlaganfall
Unsere Gerinnung ist ein Gleichgewichtssystem aus gerinnungshemmenden und gerinnungsfördernden Faktoren. Bestimmte Botenstoffe und Enzyme leiten die Gerinnung ein und sorgen dafür, dass ein Gerinnsel wächst. Andere Moleküle stoppen diesen Prozess und sind für die Spaltung des Gerinnsels zuständig, sobald es seinen Zweck erfüllt hat.
Überwiegen allerdings die gerinnungsfördernden Faktoren, wächst der Blutklumpen immer weiter, bis er das Gefäß verstopft. Eine solche Thrombose entsteht häufig im Bein, Fuß oder in der Hüfte.
Das tut nicht weh, viele Patienten und Patientinnen merken es nicht einmal. Doch genau darin liegt die Bedrohung, Ärzte und Ärztinnen sprechen von einer “lautlosen Gefahr”. Denn: Wenn sich ein Teil des Gerinnsels ablöst, strömt es mit dem Blutfluss in andere Organe und kann dort Schaden anrichten:
- In der Lunge (Lungenembolie): Oft bleibt der Klumpen in den engen Lungengefäßen hängen, wo er die Sauerstoffzufuhr blockiert. Das Herz pumpt dagegen an. Im schlimmsten Fall versagt es.
- Im Herz (Herzinfarkt): Bleibt der Blutpfropf einer Herzarterie stecken, stirbt Herzgewebe ab. Es besteht akute Lebensgefahr.
- Im Gehirn (Schlaganfall): Verstopft das Gerinnsel eine Gehirnarterie, wird die Nährstoffzufuhr der Nervenzellen unterbrochen. Das muss sofort behandelt werden, da Nerven noch schneller absterben als Herzmuskelgewebe.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Viele Menschen haben ein ungeahntes Risiko
Die Deutsche Gesellschaft für Angiologie (DGA) versucht deshalb, auf die Auslöser einer Thrombose aufmerksam zu machen:
Niedriger Blutdruck: Fließt das Blut langsamer, gerinnt es leichter. Das kann zum Beispiel passieren, wenn man wenig Bewegung hat oder lange liegt. Oder wenn etwas auf das Gefäß drückt, ein Geschwür oder Tumor.
Operationen und Verletzungen: Wenn die Gefäßwand beschädigt ist, lagern sich Blutplättchen schneller an. Zum Beispiel nach Operationen ist das Thromboserisiko erhöht. Deshalb bekommen Patienten auch Spritzen und Kompressionsstrümpfe dagegen.
Verkalkte Blutgefäße: Durch einen ungesunden Lebensstil und steigendes Alter werden die Blutgefäße härter. Es bilden sich Ablagerungen (sogenannte Plaques) aus Fett, Kalk und Eiweiß, die leicht aufbrechen. An diesen Bruchstellen entstehen Gerinnsel.
Veränderungen im Blut: Wenn sich die Zusammensetzung des Blutes ändert, kann es dazu führen, dass sich Blutgerinnsel bilden. Die Deutsche Gesellschaft für Angiologie listet folgende Faktoren, die Auslöser dafür sein können:
- Schwangerschaft
- östrogenhaltige Hormonpräparate
- vererbte Thromboseneigung
- Krebserkrankung
- schwere Allgemeinerkrankung mit Entzündung und Fieber
- Herzschwäche
- Verschlimmerung einer chronischen Atemwegserkrankung
Thrombose bei der Pille
Ein unterschätzter Thromboseauslöser ist die Antibabypille. Durch die Östrogene in der Pille werden die Gerinnungsfaktoren angeregt, die im schlimmsten Fall in einer unbemerkten Embolie enden. Allein in Deutschland haben jedes Jahr schätzungsweise 2700 Frauen eine Pillenthrombose – im Extremfall mit tödlicher Folge.
Ein besonders hohes Thromboserisiko haben die Inhaltsstoffe Drosperinon, Gestoden oder Nomegestol. Sie sind vor allem in den neueren Pillen, Vaginalringen oder Hormonpflastern enthalten.
Doch keine Angst: Wer seine Pille schon länger problemlos verträgt, braucht sich nicht zu sorgen. Denn nach den ersten drei bis sechs Monaten der Einnahme sinkt das Thromboserisiko deutlich. Nur durch Pillenpausen kann es wieder ansteigen. In der Regel reicht die Pille nicht als alleiniger Faktor, um eine Embolie auszulösen.
Wer trotzdem zu einem Verhütungsmittel ohne Thromboserisiko wechseln möchte, trifft mit östrogenfreien Pillen, Spiralen und Hormonstäbchen eine gute Wahl.
Wie schädlich ist die Pille? Dazu haben wir hier einen Artikel.
Blutgerinnsel bei Covid-19
Mit SARS-CoV-2 kommt ein neuer Risikofaktor hinzu, der die Bildung von Blutgerinnseln verstärkt. Bei vielen Covid-19-Patienten wurden Thrombosen festgestellt, sogar in den kleinsten Gefäßen des Körpers.
In der Wissenschaft gibt es eine Hypothese, woran das liegen könnte: "Im Rahmen der Covid-19-Erkrankung kann es zu einer massiven Hochregulation des Immunsystems kommen, einem sogenannten Zytokinsturm", sagt Neurologe Berlit.
Eine Studie von Tübinger Forschenden vom März 2021 erhärtet diesen Verdacht. Das Forschungsteam vermutet, dass Covid-19-Patienten durch den Zytokinsturm unkontrolliert Antikörper ausschütten. Diese wirken sich auch auf die Blutplättchen aus, die für die Blutgerinnung zuständig sind.
„Wir vermuten, dass Antikörper eine ähnliche Bindungsstelle an die Oberfläche von Blutplättchen wie an die Oberfläche von SARS-CoV-2-Viren haben“, berichtet Prof. Tamam Bakchoul, Ärztlicher Direktor des Instituts für Klinische und Experimentelle Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Tübingen.
Binden die Antikörper an die Blutplättchen, verändern sie einen Teil der Plättchen so, dass sie gerinnungsfördernde Faktoren freisetzen. In der Folge gerinnt das Blut leichter und Thrombosen können entstehen. "Je stärker also die Immunreaktion auf SARS-CoV-2 ausfällt, desto höher ist das Risiko der Blutplättchenaktivierung“, erklärt Bakchoul.
Mehr über die Gefahren von Covid-19 erfährst du hier.
Blutgefäße werden beschädigt
Außerdem ist es möglich, dass das Virus die Blutgefäße beschädigt – zumindest wurde es dort gefunden. "Es gibt Befunde von Covid-19-Patienten, die verstorben sind. Dort hat man neben Thromben in den kleinen Gefäßen auch Virus-Partikel in der Gefäßwand nachgewiesen", so Neurologe Berlit. "Auf der anderen Seite gibt es auch Befunde, dass man durchaus Virus-Partikel nachweisen kann in der Gefäßwand, ohne dass dort eine Entzündung oder lokale Thrombosen vorliegen." Wegen dieser Diskrepanz ließe sich die Frage, ob und wie die Viren die Gefäße schädigen, noch nicht beantworten.
"Im Moment spricht mehr dafür, dass es als Reaktion auf den viralen Infekt durch das SARS-CoV-2-Virus zu einer massiven Entzündungsreaktion mit verstärkter Gerinnungsneigung kommt und dadurch die Thrombosen entstehen“, fasst Berlit zusammen.
Falls du mehr über Therapien und Medikamente gegen das Coronavirus erfahren möchtest, klick hier.
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Aber:
Gerinnungsstörungen können behandelt werden
In vielen Fällen ist auch eine langfristige Therapie sinnvoll, damit sich keine neuen Thrombosen bilden. Es gibt verschiedene Medikamente, die je nach Patient individuell empfohlen werden. Häufig werden auch wadenlange Kompressionsstrümpfe verschrieben, die der Patient ein paar Jahre tragen muss.
Neue Studien zur Behandlung von Gerinnseln bei Covid-19
Wie Blutgerinnsel bei Covid-19 am besten behandelt werden, ist noch nicht klar. Es gibt erste Hinweise, dass Patienten bessere Überlebenschancen haben, wenn sie stationär mit Gerinnungshemmern behandelt wurden. Umstritten ist jedoch, wie hoch die optimale Dosis ist.
Es laufen verschiedene Studien, um Therapien zu testen. Ziel ist es, Wirksamkeit und Risiko höherer Dosen zu überprüfen, neue blutverdünnende Medikamente auszuprobieren und Erkenntnisse über Gerinnsel bei Covid-19 zu sammeln.
Die Ergebnisse der Tübinger Studie geben Hinweise darauf, wie die Therapie aussehen könnte. Bakchoul und sein Team prüfen, welche Substanzen die Freisetzung von Blutplättchen und dadurch die Gerinnungsaktivierung unterbinden. "Unser Ziel ist es, Covid-19-Patienten bereits auf der Normalstation auf Gerinnungsparameter und Thrombozytenmarker zu untersuchen und mit entsprechender Dosierung vorbeugend mit gerinnungshemmenden Medikamenten zu behandeln“, so Bakchoul.
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Und jetzt?
Eigenes Risiko überprüfen, Symptome kennen
Die Deutsche Gesellschaft für Angiologie hat sechs Risikofaktoren für Gefäßkrankheiten definiert:
- Übergewicht
- Bluthochdruck
- zu hohe Blutfette (Cholesterin)
- Diabetes mellitus
- Rauchen
- zu wenig Bewegung
Und noch wichtiger ist es, möglichst schnell die Symptome wahrzunehmen und zum Arzt zu gehen. Wenn das Bein, der Knöchel oder die Wade anschwillt oder beim Auftreten wehtut, kann das auf eine Thrombose hinweisen. Häufig kommt es auch vor, dass die Stelle heiß wird. Anzeichen einer Lungenembolie sind Kurzatmigkeit, Schmerzen im Brustkorb und ein schneller Herzschlag zusätzlich zu den Beinbeschwerden.
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Ich habe eine Frage: vor etwa 5 Monaten wurden bei einer MRT-Untersuchung kleinere Blutgerknsel in der li. Kopfhälfte festgestellt. Seit dem nehme ich tägl. 1 Tablette Godamed 100. Seit einigen Tagen werden meine Kopfschmerzen mehrmals tägl. heftiger . Was hat das für eine Bedeutung? Mein nächster Termin beim Neurologen ist… Weiterlesen »
Hallo und vielen Dank für dein Vertrauen, dennoch müssen wir hier klar sagen: Leider können wir dir diese Frage nicht beantworten, wir sind keine Ärzte, sondern Journalisten, haben zwar einen naturwissenschaftlichen Hintergrund, aber keine Ausbildung in Diagnose oder Therapie. Außerdem kommt noch dazu: Selbst wenn wir Ärzte wären, dürften wir… Weiterlesen »
Ich habe, glaube ich, ein Fehler im roten Kasten entdeckt. Wenn sich ein Gefäß verengt, dann steigt die Geschwindigkeit des Blutstroms (bei dem gleichen Volumenstrom).
Danke für deinen Hinweis. Klingt wirklich nach einem Fehler. Wir schauen uns das Anfang der Woche nochmal in Ruhe an und werden den Satz dann gegebenenfalls entsprechend anpassen!
Der Artikel ist wie immer toll, aber diesmal enthält er einen Widerspruch: Unter „Darum müssen wir darüber sprechen“ wird niedriger Blutdruck als Risikofaktor genannt, gegen Ende, bei der Audlistung der Risikofaktoren hingegen hoher Blutdruck. Was ist richtig? Beste Grüße Birgit Brandau
Ich selbst kenne mich mit dem Thema nicht aus und habe auch den Artikel nicht komplett gelesen, aber ich sehe nicht, warum es widersprüchlich und nicht möglich sein sollte, dass sowohl zu hoher, als auch zu niedriger Blutdruck Risikofaktoren sind. Das wäre – auch im Medizinischen – sicher nicht der… Weiterlesen »