Artikel Kopfzeile:
Coronavirus
Sollten sich Schwangere impfen lassen?
Lange gab es in Deutschland für Schwangere keine Impfempfehlung. Jetzt schon. Denn es häufen sich die Belege, die für eine Impfung sprechen.
Sprungmarken des Artikels:
Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
Für Schwangere gibt es jetzt eine Impfempfehlung
In vielen Ländern zögerten die Impfkommissionen aber zunächst vor einer Impfempfehlung für Schwangere, obwohl diese ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben. Mittlerweile aber empfiehlt auch die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland eine Covid-19-Impfung für:
- für Schwangere und Stillende ab dem 2. Trimester (mit zwei Dosen mRNA-Impfstoff)
- Frauen mit Kinderwunsch,
damit bereits vor der Schwangerschaft Antikörper gegen das Coronavirus gebildet werden, die bei einer Schwangerschaft auf das Kind übertragen werden und es so vor der Krankheit schützen.
Die Empfehlung basiere darauf, dass zuletzt neue Daten zum Risiko von schweren COVID-19 Verläufen in der Schwangerschaft sowie zur Effektivität und Sicherheit einer COVID-19-Impfung bei Schwangeren und Stillenden hinzugekommen sind.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Schwangere haben häufiger einen schweren Verlauf
- auf der Intensivstation zu landen
- invasiv beatmet zu werden.
Daten der britischen Gesundheitsbehörde NHS zeigen, dass ungeimpfte Schwangere stark überdurchschnittlich betroffen sind. Sie machen ein Fünftel (20%) aller Intensivpatienten mit Covid-19 aus, stellen aber nur ein Prozent der Bevölkerung dar.
Je nach Fortschritt oder Stadium der Schwangerschaft kann eine Infektion mit Viren wie dem Coronavirus auch Einfluss auf die Schwangerschaft und die Entwicklung des Kindes nehmen. Das ist auch für andere Erreger bekannt.
Solange keine Antikörper gegen die Erreger im Blut der werdenden Mutter vorhanden sind, können die Viren über die Nabelschnur bis zum Fötus vordringen. Gerade in den ersten Schwangerschaftsmonaten führen solche Infektionen immer wieder zu Fehlgeburten.
Bei Covid-19 ist das ebenso der Fall, wie eine Untersuchung an 64 Totgeburten zeigte. Das Virus führt zu einer Entzündung der Plazenta und Schädigungen des Gewebes.
Genauere Untersuchungen
Für infizierte Schwangere, die sich gerade in den ersten Schwangerschaftswochen befinden, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe eine besonders engmaschige und umfangreiche Kontrolle, um den Entwicklungs- und Gesundheitszustand von Mutter und Kind zu beobachten. Schon klassische Symptome wie Fieber können in einer Schwangerschaft zu Komplikationen führen.
Das Risiko dafür ist laut einer Übersicht aus mehr als 42 internationalen Studien bei Schwangeren mit Covid-19 erhöht. Auch ein milder Verlauf kann zu Komplikationen führen. Sollte die Infektion schwer verlaufen, steigt das Risiko zusätzlich an.
Vier Risikofaktoren beachten
Eine generelle Sorge für Schwangere besteht jedoch nicht. Explizite Vorsicht ist allerdings geboten, wenn folgende Vorerkrankungen und Risikofaktoren vorliegen:
- Fettleibigkeit
- chronischer Bluthochdruck
- ein bestehender Diabetes
- Alter 35 und älter
Wie in der übrigen Bevölkerung erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit eines schweren Krankheitsverlaufs von Covid-19, gerade wenn mehrere Risikofaktoren zusammen vorliegen.
Für Deutschland liegen die Daten von 157 Kliniken und bislang mehr als 3052 Schwangeren mit einer Coronainfektion vor, die in der sogenannten Cronos-Studie gesammelt werden. Von diesen verlief die Erkrankung bei 128 Personen schwer – durchschnittlich waren demnach rund vier von 100 Schwangeren betroffen (Stand: Oktober 2021).
Schwangere häufiger von Komplikationen betroffen
Die Mortalität der Schwangeren ist weiterhin niedrig. Dennoch war in einer umfangreichen US-Studie mit mehr als 400.000 Frauen und mehr als 6300 Schwangeren eine Infektion mit einem bis zu 26-mal höheren Sterberisiko verbunden. Statistisch starben von 100.000 Frauen fünf Schwangere ohne Infektion und 141 mit einer Corona-Infektion. Im Durchschnitt sterben in Europa weniger als acht Frauen pro 100.000 während der Schwangerschaft.
Die Schwangeren waren auch häufiger von thromboembolischen Ereignissen betroffen, fast doppelt so viele entwickelten Diabetes und eine spezielle Blutdruckerkrankung (Präeklampsie), bei der es unter anderem zu Bluthochdruck, Nierenfunktionsstörungen und neurologischen Symptomen kommen kann. Tritt diese Erkrankung auf, werden oftmals vorzeitige Entbindungen eingeleitet – als Sicherheitsmaßnahme.
Kritischere erste Lebensmonate für Neugeborene
Auch für einige Kinder hatte die Infektion der Schwangeren Folgen. Die Wissenschaftler:innen verzeichneten nach einer Corona-Infektion fast doppelt so häufig Frühgeburten und ein geringes Geburtsgewicht bei den Kindern. Dreimal so viele Neugeborene mussten direkt nach der Geburt auf den Intensivstationen betreut werden, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Eine andere Studie aus den USA zeigte keine signifikanten Unterschiede bezüglich Frühgeburt oder Kaiserschnitt zwischen COVID-positiven und nicht-infizierten Studienteilnehmerinnen. Hierbei wurden allerdings kaum schwere Fälle untersucht.
Neugeborene nur selten infiziert
Eine Corona-Infektion der Mutter geht in der Regel jedoch nicht auf das Kind über. In der Cronos-Studie in Deutschland waren mit etwa ein Prozent die wenigsten Kinder bei der Geburt Corona-positiv.
Man geht davon aus, dass dafür unterschiedliche Bedingungen vorliegen müssen, nämlich eine hohe Viruslast im Blut der Mutter, eine gewisse Menge an Zellrezeptoren für das Virus und vermutlich auch eine gewisse Genkombination.
Da die Produktion der Zellrezeptoren mit dem Entwicklungsverlauf des Kindes zusammenhängt, würde das bedeuten, dass die Übertragung des Virus auf den Nachwuchs nur in einem bestimmten Zeitfenster möglich ist.
Falls du mehr über die Übertragung bei Kindern wissen möchtest, klick hier.
Weitere Angaben zum Artikel:
Das Immunsystem von Schwangeren und Föten
Grundsätzlich ist ein Embryo auf zwei Arten vor Erregern geschützt. Erstens gibt es die Plazentaschranke, die wie eine Art Filter fungiert und die meisten Fremdstoffe abfangen kann.
Zweitens fängt das Immunsystem der Mutter die meisten Bakterien und Viren ab und macht sie unschädlich. Bereits durchgemachte Infektionen, beispielsweise mit Grippeviren, führen zu neutralisierenden Antikörpern.
Diese Langzeit-Antikörper passieren ab der 12. Schwangerschaftswoche sogar die Nabelschnur. Im Grunde verleiht die Mutter ihr Immunsystem und ihre trainierte Abwehr auch an das Kind.
Bei Erstinfektionen kein Schutz durch Antikörper
Vom vierten bis zum Ende des achten Monats zirkulieren Antikörper zwischen Mutter und Fötus. Damit wird eine Grundimmunität erworben, die das Neugeborene anschließend auf die Erreger der Außenwelt vorbereitet.
Infiziert sich aber die Mutter erstmals mit einem neuen Erreger, ist das Immunsystem noch nicht darauf trainiert. Die neutralisierenden Antikörper sind noch nicht gebildet und andere, frühe Antikörper zirkulieren nur im Blutkreislauf der Mutter und gelangen nicht bis in die Gebärmutter, um dort die Viren zu bekämpfen.
Erst ab dem neunten Monat entwickelt das Kind sein eigenes Immunsystem.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Erste Daten sprechen für sichere Impfungen
Vorsorglich werden Schwangeren nur sogenannte Totimpfstoffe verabreicht, also keine aktiven Viren. Für diese Impfstoffgruppe sind bislang keine Risiken bekannt. Die derzeit verfügbaren mRNA-Impfstoffe zählen zu dieser Gruppe an Impfstoffen.
Hersteller starten spezielle Zulassungsstudien
In den Zulassungsstudien der Impfstoffe im vorherigen Jahr waren Schwangere ausgeschlossen. Die Hersteller haben zusätzliche Studien erst gestartet, nachdem sich die einzelnen Vakzine als sicher herausgestellt haben und zugelassen waren. Bedingung war etwa für die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) auch, dass die Hersteller die Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe an Tieren untersuchen. Diese Studien haben weder Effekte auf die Fruchtbarkeit noch auf Schwangerschaft und Nachkommen gezeigt.
Auch biochemisch gibt es keine Gründe, warum eine Impfung die Fruchtbarkeit beeinträchtigen sollte, schreibt etwa die Klinik für Geburtsmedizin am Uniklinikum Jena. Darüber hinaus müsste auch eine natürliche Infektion mit SARS-CoV-2 diese Auswirkungen haben – diese sind aber ebenfalls nicht beobachtet oder belegt.
So konnten etwa Pfizer und Biontech im Februar 2021 eine spezielle Studie mit Schwangeren beginnen. Für den Vektorimpfstoff von Astrazeneca liegen derzeit nur wenige Zahlen für Schwangere vor und es laufen derzeit auch keine zusätzlichen Studien.
Wie gut wirkt der Impfstoff bei Schwangeren?
Aus klinischer Erfahrung gibt es nun erste Hinweise darauf, dass eine Covid-19-Impfung Schwangere ähnlich gut wie andere vor einer Infektion mit dem Coronavirus und einer Covid-19-Erkrankung schützt, schreibt das Science Media Center Germany. Auch eine aktuelle Kohortenstudie aus Israel zeigt: Mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 geimpfte Schwangere erzielen
- eine allgemeine Schutzwirkung von 96%
- eine Schutzwirkung gegen symptomatische Infektionen von 97%
- eine Schutzwirkung vor Hospitalisierung von 89%
Verglichen wurden in der Studie jeweils 10.861 geimpfte Schwangere und ungeimpfte Schwangere. Laut diesen Daten, die allerdings nicht auf kontrollierten klinischen Studien basieren, gilt der Impfstoff auch bei Schwangeren als hochwirksam.
Wie sicher ist der Impfstoff für Schwangere?
Auch zu möglichen Nebenwirkungen und Impfreaktionen von Schwangeren auf die Corona-Impfung gibt es nur begrenzte Evidenz. Die vorliegenden Studien geben jedoch Hinweise, dass keine ernsten Nebenwirkungen ausgelöst werden.
Die bisherigen Daten beruhen vor allem darauf, dass in den Studien Frauen ungeplant schwanger geworden sind, und auf den bisherigen Beobachtungen aus den Impfkampagnen in Ländern wie den USA oder Israel, wo auch junge, schwangere Frauen geimpft werden.
In einer Studie mit Daten von mehr als 35.000 Frauen, von denen die meisten während der Schwangerschaft mit einem mRNA-Impfstoff geimpft wurden, konnten die Wissenschaftler:innen keine Auffälligkeiten sehen. Allerdings haben nahezu alle Frauen die Schutzimpfungen im letzten Schwangerschaftsdrittel bekommen. Dann ist der Fötus schon weit entwickelt, die kritische Organbildung abgeschlossen und das generelle Risiko für Komplikationen geringer – auch unabhängig von einer Impfung.
Für gewöhnlich betreffen Fehlgeburten bis zu 15 Prozent aller Schwangerschaften. Bei den geimpften Frauen waren es 13,9 Prozent. Etwa sieben Prozent der Neugeborenen kommen üblicherweise als Frühgeburt zur Welt, bei den Geimpften waren es 9,4 Prozent. Todesfälle gab es keine.
Wie gut sind Neugeborene geschützt?
Auch das Neugeborene scheint bei der COVID-19-Impfung vom Immunschutz der Mutter zu profitieren: Forschende fanden neutralisierende Antikörper in Nabelschnurblut und Muttermilch von geimpften Frauen: Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass die Konzentration der Antikörper bei Neugeborenen geringer waren als im Serum der Mutter, eine weitere Studie gibt diese Konzentration als vergleichbar zu der der Mutter an.
Dass das Kind vom Immunschutz der Mutter profitiert, ist auch schon von anderen Impfungen bekannt, etwa von der Pertussis-Impfung.
Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Vieles spricht für die Corona-Impfung für Schwangere
Nach wie vor wird ein individuelles Gespräch mit den behandelnden Ärztinnen oder Ärzten empfohlen.
Schwangere vor dem 2. Trimester sollten weiterhin strikt auf Hygiene- und Schutzmaßnahmen achten, um eine Infektion zu vermeiden. Und: Sind nahestehende Personen und Parter:innen geimpft, schützt das die Schwangere kurzfristig auch indirekt.
Empfehlung für Frauen mit Kinderwunsch
Für Frauen mit Kinderwunsch wird übrigens eine mRNA-Impfung empfohlen, da so ein Immunschutz aufgebaut wird, der in der Schwangerschaft auf das Ungeborene übertragen wird. Anschließend sollten die Paare ein bis drei Monate mit der Empfängnis warten. Danach sind die theoretischen Komplikationen einer Impfung unwahrscheinlich, da Impfungen vor allem lokale und kurzzeitige Reaktionen auslösen.
Nach der Geburt sieht die STIKO, wie es auch bei allen anderen empfohlenen Impfungen der Fall ist, kein Risiko für den Säugling, wenn die stillende Mutter geimpft wird. Forscher:innen konnten dabei Antikörper gegen das Coronavirus in der Muttermilch nachweisen. Davon könnte auch der Säugling profitieren.
Über den/die AutorIn:
Quellenangaben zum Artikel:
Social Sharing:
Artikel Überschrift:
Nachtrag: @ „Nach der Geburt sieht die STIKO, wie es auch bei allen anderen empfohlenen Impfungen der Fall ist, kein Risiko für den Säugling, wenn die stillende Mutter geimpft wird. Forscher:innen konnten dabei Antikörper gegen das Coronavirus in der Muttermilch nachweisen. Davon könnte auch der Säugling profitieren.“ Ich verweise auf… Weiterlesen »
Im verlinkten Focus-Artikel steht: „Die Autoren halten es für „sicher“ nach einer Covid-19-Impfung zu stillen, schreiben aber ausdrücklich: „Es ist jedoch Vorsicht geboten, wenn Kinder unter sechs Monaten in den ersten 48 Stunden nach der Impfung der Mutter gestillt werden, bis weitere Sicherheitsstudien durchgeführt wurden.““ Das sollte man ebenfalls wissen.… Weiterlesen »
Diese pseudowissenschaftlich diskursive Darstellung ist eine Hommage an Big Pharma und stellt lediglich eine Werbung für die „experimentelle Gentherapie“ dar. Hierbei werden sämtlich berechtigte und im Kontrast zu den hier aufgeführten Hypothesen, welche fälschlicherweise als vermeintliche Tatsachen umgekehrt werden, Kritiken ausgeblendet und in – mittlerweile bekannter – MSM-Manier geframed und,… Weiterlesen »
Mich haben die Schwangerschaftsbilder/Geburtsbilder immer geschockt.Habe/hatte nie einen Kinderwunsch und bin seit drei Jahren unfruchtbar/steril.
Danke für den Artikel und die vielen Quellen für das eigene Einordnen der Aussagen. Was mich umtreibt ist die folgende Aussage rund um Kinderwunsch: „Anschließend sollten die Paare ein bis drei Monate mit der Empfängnis warten. “ Gibt es hierzu Quellen, Evidenz, dass die hier eine Zeitvorgabe erforderlich macht, etc.… Weiterlesen »
Wir schauen uns das an.
Der Satz zur Frühgeburt klingt ja durchaus besorgniserregend: „…Etwa sieben Prozent der Neugeborenen kommen üblicherweise als Frühgeburt zur Welt, bei den Geimpften waren es 9,4 Prozent.“ Das würde ja eine Zunahme der Frühgeburten um 2,4 % nach dem Vakzin bedeuten. Allerdings konnte ich die hier genannten 7% Frühgeburten-Rate nicht nachvollziehen.… Weiterlesen »