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Ökobilanz
Welche Windeln sind am besten für die Umwelt?
Wegwerfwindeln, kompostierbare Windeln, Stoffwindeln – für was sollten sich Eltern entscheiden, wenn sie etwas für die Umwelt tun wollen?
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Inhalt
- Welche Windelsysteme gibt es?
- Welches Windelsystem hat die beste Ökobilanz?
- Mit welcher Windel schade ich der Umwelt am wenigsten und worauf muss ich dabei achten?
- Wie hygienisch ist das Waschen von Stoffwindeln?
- Wie hoch sind die Kosten für Windeln pro Kind?
- Wie sehen Windelsysteme und Geschäftsmodelle der Zukunft aus?
- Welche Windelsysteme gibt es?
- Welches Windelsystem hat die beste Ökobilanz?
- Mit welcher Windel schade ich der Umwelt am wenigsten und worauf muss ich dabei achten?
- Wie hygienisch ist das Waschen von Stoffwindeln?
- Wie hoch sind die Kosten für Windeln pro Kind?
- Wie sehen Windelsysteme und Geschäftsmodelle der Zukunft aus?
Artikel Abschnitt: Welche Windelsysteme gibt es?
Welche Windelsysteme gibt es?
1. Herkömmliche Wegwerfwindeln
Einwegwindeln, so werden Wegwerfwindeln in der Fachwelt genannt, bestehen salopp ausgedrückt aus sehr viel Plastik und Zellulose. Das Besondere: Ihr Saugkern ist ein Superabsorber, der das 30-Fache seines Eigengewichts an Flüssigkeit aufnehmen kann.
Klingt super, hat aber einen großen Nachteil: Er basiert so gut wie immer auf Erdöl, was aus verschiedenen Gründen problematisch für die Umwelt ist. Es trägt unter anderem zur Klimaerwärmung bei, denn wenn man Erdöl verbrennt, wird Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt. CO2 reichert sich in der Atmosphäre an – und das hat einen direkten Einfluss auf die Oberflächentemperaturen unserer Erde.
Der Vorteil des Superabsorbers: Da die Babypopos auf diese Weise recht trocken bleiben, kann das einen wunden Po (Windeldermatitis) verhindern – was für die Gesundheit der Kinder ein enormer Vorteil ist. Außerdem sind sie sehr praktisch und einfach handhabbar. Wenn Familien viel unterwegs sind, kann das ein entscheidender Faktor sein. Ein weiterer großer Nachteil: Sie verursachen enorme Müllberge.
2. Kompostierbare Windeln
Vereinfacht ausgedrückt sind kompostierbare Windeln nichts anderes als Wegwerfwindeln, die bis zu 85 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Das ist schon mal besser, weil weniger Treibhausgase entstehen. Die in Deutschland entwickelte Fairwindel ist bislang die einzige, die einen Saugkern hat, der nicht auf Erdöl, sondern auf Kartoffelstärke basiert.
Die Außenhülle besteht aus einer Biofolie auf Maisbasis. Alle anderen Ökowindeln haben zwar auch eine bessere Ökobilanz als normale Wegwerfwindeln – ihr Kern besteht aber immer aus Erdöl. Ein Nachteil ist der hohe Preis: Kompostierbare Windeln kosten oft drei- bis viermal so viel wie normale Windeln.
3. Stoffwindeln
Bei Stoffwindeln können Eltern sich zwischen einer ganzen Reihe von Mehrwegwindelsystemen entscheiden. In der Regel bestehen sie aus einem wasserdichten Außenstoff, einer Sauganlage und einem Windelverschluss mit Druckknöpfen oder Klettverschluss. Stoffwindeln sind entweder ein- oder mehrteilig: Bei den einteiligen wäscht man nach Gebrauch die komplette Windel, bei den mehrteiligen nur die Einlage, wenn der Außenstoff nicht verschmutzt ist.
Ein Vorteil von Stoffwindeln: Sie lassen sich zu Hause waschen und das kann Kosten sparen. Außerdem spart man eine Menge Müll. Ein Nachteil: Sie haben eine geringere Saugkraft als die Saugkerne der Einwegwindeln und können schneller auslaufen. Und sie bedeuten mehr Arbeit für die Eltern, die die Windeln nicht einfach wegwerfen, sondern waschen müssen.
Artikel Abschnitt: Welches Windelsystem hat die beste Ökobilanz?
Welches Windelsystem hat die beste Ökobilanz?
Herkömmliche Einwegwindeln:
Nach Aussagen des Blauen Engels tragen 95 Prozent der Kinder in ihren ersten Lebensjahren Einwegwindeln. Das Erste, was hier ins Auge fällt: Sie verursachen riesige Müllberge.
Bis ein Kind trocken ist, verbraucht es ungefähr 5000 bis 6000 Wegwerfwindeln. Pro Kind entsteht dabei circa eine Tonne Windelmüll. 10 bis 20 Prozent des deutschen Restmüllaufkommens gehen auf das Konto von Einwegwindeln. Wegwerfwindeln gehen damit nicht nur für junge Familien doppelt ins Geld, sondern belasten auch die Müllentsorgung von Kommunen.
Rohstoffe bleiben das Problem
Das war aber noch nicht alles: Der Abfall macht lediglich zehn Prozent der Ökobilanz aus. Die Beschaffung und Produktion von Rohstoffen machen mit 63 bis 92 Prozent den Löwenanteil der Ökobilanz aus und zeigen damit den stärksten Einfluss auf die Umwelt. Hier sieht es immerhin schon besser aus als noch vor ein paar Jahrzehnten: Nach Angaben des Unternehmens Procter & Gamble (P&G), dem Marktführer im Windelgeschäft, das unter anderem die Marke "Pampers" produziert, werden heute 50 Prozent weniger Rohstoffe verbraucht als noch vor 25 bis 30 Jahren.
Das hat die Windel nicht nur leichter gemacht, sondern insgesamt auch zu einer besseren Umweltbilanz geführt. Hauptsächlich hat man dazu die Zellulose im Zellkern reduziert und durch einen Superabsorber ersetzt. Dieser hat wesentlich mehr Masse – und trotzdem entsteht weiterhin jede Menge Müll. "Die Frage ist: Wie weit können Einwegwindeln weiter optimiert werden oder ist das Limit hier schon erreicht?", gibt Prof. Susanne Hoffmann zu bedenken. Sie ist Professorin für Technologie und Innovation an der Universität von Rio de Janeiro und gilt als weltweit führende Expertin für Ökobilanzen von Windelsystemen.
Gefällte Bäume und Treibhausgase
Bis ein Kind trocken ist, müssen für seine Windeln hochgerechnet rund vier bis sechs Bäume gefällt werden. Bei Einwegwindeln, auf denen "öko","eco" oder "nature" steht, ist das nicht anders. Bei Einwegwindeln mit dem Siegel "Blauer Engel" stammt der Zellstoff zumindest aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
Einwegwindeln haben zusätzlich ein weiteres Problem: Sie erzeugen Treibhausgase. Das liegt vor allem daran, dass sie im Wesentlichen aus erdölhaltigen Materialien erzeugt werden, die am Ende ihrer Lebensdauer in der Müllverbrennung landen. Zwar werden viele Treibhausgase in modernen Anlagen bei der Verbrennung rausgefiltert, einige gelangen trotzdem in die Atmosphäre.
Und das heizt den menschengemachten Klimawandel weiter an. Laut einer viel zitierten Studie von 2008 entstehen innerhalb der durchschnittlichen 2,5 Jahre Windelzeit auf diese Weise 550 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Kind. Also ungefähr so viel wie einmal mit dem Flug von Frankfurt nach Palma de Mallorca und zurück. Da das Treibhausgaspotenzial der Einwegwindeln von vielen variablen Parametern abhängt, sollten diese Zahlen sehr vorsichtig betrachtet werden.
Hier findet ihr unseren CO2-Rechner.
Und hier erfahrt ihr, ob eine CO2-Kompensation sinnvoll ist.
Geografische Unterschiede
Eines der Probleme, die CO2-Äquivalente nur schwer greifbar machen: Nicht überall auf der Welt ist die Infrastruktur so gut, dass es Müllverbrennungsanlagen gibt. Besonders trifft das auf Länder des Globalen Südens zu, wie zum Beispiel Brasilien. Hier enden Windeln oftmals auf Mülldeponien. Einmal dort gestrandet, brauchen Windeln in der Regel 500 Jahre, bis sie vollständig zersetzt sind. Auf diese Weise gelangen wesentlich mehr klimaschädliche Treibhausgase in die Atmosphäre, allen voran Methan. Für Forscherin Susanne Hoffmann ist deshalb klar: "Die Ökobilanz von Einwegwindeln hängt sehr stark vom geografischen Kontext ab. Also, wo auf der Welt werden Windeln wie entsorgt."
Kompostierbare Einwegwindeln:
Tatsächlich könnten kompostierbare Einwegwindeln bei uns in Deutschland schon längst zum Erfolgsmodell geworden sein, wenn es da nicht ein paar Probleme gäbe:
- Biologisch sind die Windeln nur bis zu 85 Prozent abbaubar. Das liegt daran, dass die Klettverschlüsse und Klebestreifen derzeit aus fossilen Brennstoffen hergestellt werden. Die Marke Fairwindel hat zurzeit die größten biologisch abbaubaren Anteile in ihrer Windel. Dr. Dominic Franck, Chemiker und Gründer von Fairwindel, erklärt: "Zwar könnten Klebestreifen und Klettverschlüsse ebenfalls aus biologisch abbaubaren Materialien produziert werden, würden dann allerdings schneller altern und verschleißen. Unseren Kunden ist es wichtig, dass sie lange halten." Gemeint ist damit der Zeitraum zwischen der Windelproduktion und dem Benutzen der Windel.
- Die deutsche Düngemittelverordnung verbietet, dass biologisch abbaubare Einwegwindeln in die Biotonne geworfen werden dürfen. Der Grund: Man will vermeiden, dass Menschen mit unerwünschten Bakterien und Pilzen in Berührung kommen. Will man die Windeln auf den heimischen Komposthaufen werfen, muss man schon einen sehr großen Garten mit einem entsprechenden Komposthaufen haben. Bereits nach Kurzem würde der Haufen anfangen, unangenehm zu riechen. Dominic Franck wünscht sich stattdessen eine industrielle Kompostierung. Allerdings fehlen dafür bis heute Sammelsysteme und die richtige Infrastruktur, sodass im Moment auch die kompostierbaren Einwegwindeln am Ende in der Müllverbrennungsanlage landen.
- Derzeit kostet eine kompostierbare Einwegwindel bis zu 69 Cent – ein Preis, der viele Verbraucher:innen abschreckt. Zum Vergleich: Eine normale No-Name-Windel in der Drogerie kostet in einer vergleichbaren Größe um die 16 Cent. Das liegt unter anderem daran, dass die Nachfrage für kompostierbare Windeln derzeit nicht groß genug ist, um sie über die produzierte Menge preiswerter zu machen. Je höher die Stückzahl, desto preiswerter wäre die Produktion.
- Bei Anbietern von kompostierbaren Windelsystemen solle man sich vor Unternehmen in Acht nehmen, die Greenwashing betreiben, warnt Dominic Franck. Das sei immer dann der Fall, wenn große Bestandteile der Windel, wie zum Beispiel der Saugkern, aus fossilen Brennstoffen hergestellt werden, obwohl die Windel als kompostierbar verkauft wird. Wer Ökowindeln kaufen möchte, sollte unbedingt darauf achten, welche Anteile der Windel tatsächlich kompostierbar sind. Oft findet man diese Informationen auf der Homepage der Unternehmen. Falls man sich trotzdem nicht sicher ist, kann man den Kundenservice der jeweiligen Unternehmen kontaktieren.
Und dennoch könnten kompostierbare Windel zu einem erfolgreichen Zukunftsmodell werden. Dazu müsste zuerst ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden, denn eins ist sicher: Selbst in einer Müllverbrennungsanlage stehen kompostierbare Windel besser als herkömmliche Einwegwindeln dar, denn sie verbrennen klimaneutral.
Stoffwindeln:
Im Gegensatz zu herkömmlichen Einwegwindeln erzeugen Stoffwindeln deutlich weniger Müll. Den 5000 bis 6000 Einwegwindeln pro Kind stehen zwischen 24 bis 28 Stoffwindeln gegenüber. Der Vorteil: Sie können je nach Qualität sogar an bis zu vier Kinder weitergegeben werden. Einige Modelle sollen sogar kompostierbar sein.
Haben Stoffwindeln deshalb die bessere Ökobilanz? Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn: "Die Umweltprobleme der Stoffwindeln entstehen hauptsächlich bei den Energie- und Wasserverbräuchen während des Waschens", sagt die Windelexpertin Susanne Hoffmann. Das bedeutet: Reinigt man sie ineffizient, also bei hohen Temperaturen über 60 Grad Celsius, schneiden sie in ihrer Ökobilanz schlechter ab als Wegwerfwindeln.
Eine Frage der Temperatur
Im Umkehrschluss heißt das: Wer die Ökobilanz seiner Stoffwindeln verbessern möchte, sollte zum Beispiel beim Waschen darauf achten, dass die Windeln bei niedrigen Temperaturen gewaschen werden. Laut einer Studie der Vereinten Nationen von 2021 am besten unter 60 Grad Celsius. Das ist logisch, denn die hohen Energieverbräuche entstehen hauptsächlich durch das Aufheizen des Wassers. Aber Achtung: Wäscht man bei niedrigen Temperaturen, wird die Windel eventuell nicht ganz sauber und die Kinder können an Windeldermatitis erkranken. Mehr dazu in der Frage: Wie hygienisch ist das Waschen von Stoffwindeln?
Eine neue Studie von 2021, die sich mit dem Thema beschäftigt, stammt von den Vereinten Nationen. In ihrem Auftrag haben Forschende Studien der Ökobilanzen von Windelsystemen innerhalb der letzten 20 Jahre analysiert. Sie kommen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Einsatz von Stoffwindeln ökologisch sinnvoller ist.
Artikel Abschnitt: Mit welcher Windel schade ich der Umwelt am wenigsten und worauf muss ich dabei achten?
Mit welcher Windel schade ich der Umwelt am wenigsten und worauf muss ich dabei achten?
- Sie sollten möglichst lange benutzt und idealerweise an andere
Kinder weitergegeben werden. Ist die Qualität der Windeln gut, können sie von bis zu vier Kindern genutzt werden. - Damit nicht unnötig Wasser und Strom verschwendet wird, ist es wichtig, die Waschmaschine voll zu beladen. Bei Stoffwindeln muss mit einer zusätzlichen Waschladung pro Woche gerechnet werden.
- Beim Waschen möglichst Ökowaschmittel verwenden.
- Die Windeln sollten an der Luft getrocknet werden. Wer dennoch einen Trockner nutzt, zieht seine Ökobilanz auf das schlechtere Niveau der Einwegwindeln – vorausgesetzt alles andere wird richtig gemacht. Sonst fällt die Ökobilanz sogar schlechter aus.
- Beim Kauf der Überhöschen sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass diese dehnbar sind und sich an die Größe des wachsenden Kindes anpassen.
- Zu Hause sollten sie in Waschmaschinen unterhalb von 60 Grad Celsius gewaschen werden. Bei vielen Waschmaschinen würde das also 40 Grad bedeuten. Aber: Das bedeutet einen Konflikt zu dem Hygieneanspruch vieler Menschen, den auch wir leider nicht aufklären können. Denn, ökologisch sinnvoll bedeutet nicht unbedingt hygienisch sinnvoll. Mehr dazu in der Frage: Wie hygienisch ist das Waschen von Stoffwindeln?
Zugegeben, es ist nicht unbedingt einfach, diese Regeln konsequent zu befolgen. Die Vereinten Nationen sprechen sich trotzdem ausdrücklich für Stoffwindeln aus und empfehlen den Regierungen dieser Welt, sie in ihren Ländern zu fördern. Auf lokaler Ebene gibt es in Deutschland bereits zahlreiche Kommunen, die den Kauf von Stoffwindeln subventionieren.
Entscheidend sind regional unterschiedliche Lösungen
Ob Stoffwindeln tatsächlich die globale Antwort auf das Windelproblem sind, bleibt fraglich. Die Windelexpertin Susanne Hoffmann hält regional angepasste Lösungen für sinnvoller: "Aus meiner Sicht ist der Gebrauch von Stoffwindeln für Länder des Globalen Südens eine ökologisch gute Lösung, während es für Länder des industrialisierten Nordens interessanter sein sollte, sich auf biologisch abbaubare Windeln zu konzentrieren."
Der Grund: In Ländern des Globalen Südens fehlen hochmoderne Verbrennungsanlagen. Aufgrund der fehlenden Infrastruktur sind sie zudem nicht in der Lage, biologisch abbaubare Windeln selbst zu produzieren. Damit sind Wegwerfwindeln für diese Länder ein noch größeres Umweltproblem. Zusammengefasst: Komplexe Fragen fordern also flexible Lösungen und diese hängen wiederum sehr stark vom geografischen Kontext ab.
Artikel Abschnitt: Wie hygienisch ist das Waschen von Stoffwindeln?
Wie hygienisch ist das Waschen von Stoffwindeln?
Dirk Bockmühl betrachtet den Einsatz häuslicher Waschmaschinen zum Reinigen von Stoffwindeln aus hygienischer Sicht eher skeptisch und gibt nüchtern zu bedenken: "Jeder sollte wissen, dass es hygienische Anforderungen gibt, die häusliche Waschmaschinen nicht erfüllen können." Das bedeutet: Beim Einsatz heimischer Maschinen kann beim Waschen viel falsch gemacht werden – und dabei setzt man im Zweifel die Gesundheit des Kindes aufs Spiel. Bockmühl bezweifelt deshalb, dass die bakterielle Verschmutzung zu Hause in den Griff zu bekommen ist. Im schlimmsten Fall droht eine Windeldermatitis.
Candida – Auslöser für Windeldermatitis
Ausgelöst wird die Windeldermatitis durch Candida – einen Pilz, der normalerweise im menschlichen Darm siedelt, dort völlig harmlos ist und mit dem menschlichen Stuhl ausgeschieden wird. Kommt er bei Kleinkindern für einen längeren Zeitraum mit feuchter Haut in Kontakt, kann sich diese im Windelbereich durch die Windeldermatitis entzünden. Heißt also: Wenn Mehrwegwindeln nicht hygienisch genug gewaschen werden, besteht die Gefahr, dass sich die Kinder mit Windeldermatitis anstecken. Das Gute: Diese bleibt meist lokal begrenzt und ist nicht lebensbedrohlich. Zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin sollte man trotzdem.
Wichtig zu wissen: Windeldermatitis kommt bei Säuglingen und Kleinkindern oft vor – auch bei solchen, die mit Wegwerfwindeln gewickelt werden.
Will man die häusliche Waschmaschine trotzdem für Stoffwindeln benutzen, sollte man Folgendes beachten:
- Es sollten höher dosierte bleichehaltige Vollwaschmittel eingesetzt werden, damit die Windel auch vollständig von organischen Materialien gesäubert wird.
- Die Windeln sollten bei höheren Temperaturen, das heißt mindestens 60 Grad Celsius, gewaschen werden, denn nur so lassen sich Pilze, wie zum Beispiel Candida, vollständig entfernen.
Das Waschmaschinenproblem
Letzteres kann von zu Hause kaum mehr geleistet werden denn: "Wir wissen, dass Waschmaschinenprogramme, auf denen 60 Grad Celsius draufsteht, keine 60 Grad Celsius mehr erreichen. Das heißt, man kann gefühlt alles richtig machen und trotzdem keine Sicherheit haben, dass die Windeln tatsächlich hygienisch rein sind", sagt der Professor.
Begehen die Hersteller von Haushaltswaschmaschinen damit keinen Etikettenschwindel? Dirk Bockmühl räumt ein: "Das ist in der Tat eine Diskussion, die wir derzeit in der Wissenschaft sehr stark führen."
Er erklärt, dass die Entwickler von Haushaltswaschmaschinen dabei auf das Prinzip des "sinnerschen Kreises" gesetzt hätten. Das bedeutet, dass, wenn eine Komponente bei der Reinigung reduziert wird, diese durch eine andere Komponente ersetzt werden kann. Damit Waschmaschinen ökologischer sind, wird die Temperatur runtergesetzt und dafür die Waschzeit verlängert. "Bei Mikroorganismen und Pilzen funktioniert dieses Prinzip nur sehr limitiert, denn nur über die Temperatur kann sichergestellt werden, dass diese vollständig abgetötet werden. Und das ist meines Erachtens bei der Entwicklung dieser Waschprogramme nicht berücksichtigt worden." Ein Problem, bei dem Verbraucher:innen leicht den Überblick verlieren können. Das neue europäische Energielabel verkompliziert es für die Verbraucher:innen noch stärker.
Bockmühl: "Früher konnte man davon ausgehen, dass die angegebenen Temperaturen nur in den Ökoprogrammen nicht erreicht werden. Da sich jetzt die Berechnungsgrundlage für das Energielabel geändert hat, kann man davon ausgehen, dass in fast keinem Waschprogramm die vom Hersteller angegebenen Temperaturen erreicht werden."
Lösungen hierfür gibt es trotzdem: Erstens haben manche Waschmaschinen spezielle Hygieneprogramme, auf die dann zurückgegriffen werden sollte. Zweitens kann man die Stoffwindeln industriell reinigen lassen – das kann das sogar viel ökologischer sein. Denn in einer industriellen Reinigungsanlage sind Wassermenge, -temperatur und Waschmitteldosierung effizient, ressourcenschonend und unter strengsten Hygienevorschriften aufeinander abgestimmt.
Artikel Abschnitt: Wie hoch sind die Kosten für Windeln pro Kind?
Wie hoch sind die Kosten für Windeln pro Kind?
Um die Preisunterschiede zu verdeutlichen, rechnen wir hier ein Beispiel durch:
In diesem beträgt der Stückpreis der Einwegwindel 20 Cent. Damit unser Kind glücklich ist, muss es über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren sechsmal am Tag gewickelt werden. So bezahlen wir allein für die Einwegwindeln 1095 Euro. Es fehlt allerdings noch die Müllgebühr, die zu diesem Betrag addiert werden muss. Eine volle Windel wiegt 255 Gramm und die Müllgebühr pro Kilogramm Abfall beträgt 30 Cent. Wir rechnen das kurz zusammen und wissen nun, dass uns Einwegwindeln insgesamt 1514 Euro kosten. Die Kosten für die Müllgebühr können je nach Kommune abweichen. Wer also korrekt nachrechnen möchte, sollte zuerst die Abfallgebühren bei seiner eigenen Kommune erfragen.
Was kostet es uns im selben Zeitraum, wenn wir mit Stoffwindeln wickeln? Wir entscheiden uns für ein All-in-one-Windelsystem, bei dem Außenhülle und Saugeinlage miteinander vernäht sind. Dazu brauchen wir 24 Windeln, die 25 Euro pro Stück kosten. Zusätzlich müssen fünf Nachteinlagen für je 4,50 Euro und 20 Rollen Windelvlies für je fünf Euro besorgt werden. So kosten uns Stoffwindeln 723 Euro. Hinzu kommen die Waschkosten von 70 Cent pro Waschgang und etwa eine extra Waschladung pro Woche mit Stoffwindeln. Die beiden Ergebnisse addiert ergeben insgesamt 814 Euro für das Mehrwegwindelsystem. Wir sparen in diesem Beispiel mit den Stoffwindeln also 700 Euro in zweieinhalb Jahren.
Artikel Abschnitt: Wie sehen Windelsysteme und Geschäftsmodelle der Zukunft aus?
Wie sehen Windelsysteme und Geschäftsmodelle der Zukunft aus?
Stoffwindelservice
Ein Businessmodell der Zukunft könnte zum Beispiel der Stoffwindel-Leihservice werden. Hier kauft man die Windeln nicht, sondern leiht sie sich von einem Unternehmen. Die verschmutzten Windeln holt der Leihservice dann ab, reinigt sie industriell und liefert die Windeln schließlich frisch gewaschen wieder an die Kunden aus. Das ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern es kann auch sichergestellt werden, dass die sie hygienisch rein sind. In einigen deutschen Städten, wie beispielsweise in München oder Berlin, gibt es auf lokaler Ebene bereits einige Dienstleister, die so etwas anbieten. Zwar sind diese Geschäftsmodelle vielversprechend – durchgesetzt haben sie sich bisher nicht.
Windelrecycling
Ein anderes Businessmodell der Zukunft ist das industrielle Windelrecycling, um die Rohstoffe der Einwegwindel wiederzuverwerten – Kreislaufwirtschaft also.
Ein entsprechendes Pilotprojekt von FaterSmart, einem Joint Venture von Windel-Marktführer P&G und Angeli, steht im italienischen Treviso. Hier suchen Forschende nach einem geschlossenen Windelkreislauf, bei dem man die Windel zuerst in ihre Bestandteile zerlegen und schließlich wieder in eine Windel zurückführen kann. Derzeit gibt es diesen geschlossenen Kreislauf nicht. Das heißt, aus rund 10.000 Tonnen gebrauchter Windeln, die jährlich in die Anlage kommen, entsteht ein Plastikgemisch, aus dem zum Beispiel Tische, Bänke oder Katzenstreu werden. Anders als ursprünglich geplant, sieht P&G davon ab, zehn weitere Projekte dieser Art in europäischen Metropolen aufzubauen. Als Grund nennt das Unternehmen eine mangelnde Wirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells. Man habe sich stattdessen dafür entschieden, die Windeln weiter zu optimieren.
Vergleicht man die Effizienz am italienischen Standort mit den 33 Milliarden Wegwerfwindeln, die allein in einem Jahr in der Europäischen Union als Müll anfallen, geht diese gegen null. Da die Idee der Kreislaufwirtschaft in unserer Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle einnimmt, lohnt es sich hier definitiv, weiterzuforschen.
Hybridsysteme
Es scheint, als käme P&G bei der Nachhaltigkeit langsam in Schwung. Erst im Oktober dieses Jahres ist die Pampers Hybrid, zunächst einmal in Österreich, auf dem Markt gekommen. Ein System, das Mehrwegwindeln näherkommt. Zwar muss ein Teil weggeworfen werden – doch wenigstens lässt sich die Windelüberhose waschen, sodass nicht mehr die ganze Windel in den Müll muss. Ein wichtiger Schritt, um Plastikmüll einzudämmen.
Fossile Brennstoffe ersetzen
Wie das Unternehmen P&G mitteilt, wird derzeit an einem aus Milchsäure basierenden Superabsorber geforscht, der fossile Rohstoffe ersetzen soll und damit klimafreundlicher wird. Wann dieser auf dem Markt erscheint, kann das Unternehmen derzeit nicht sagen.
Kompostierbare Windeln könnten ebenfalls zu einem neuen vielversprechenden Businessmodell werden. Die industrielle Kompostierung wäre hier sicherlich ein Schlüssel zum Erfolg. Zurzeit sind die Windeln nicht zu 100 Prozent kompostierbar und dazu recht teuer. Das könnte sich ändern, wenn die Windeln tatsächlich vollständig kompostierbar werden, die Nachfrage steigt und zum Beispiel durch spezielle "Windelsammelsäcke" die Infrastruktur verbessert wird.
Fazit: Auch wenn zurzeit kein Windelsystem ökologisch perfekt ist, haben viele Anbieter die ökologischen Probleme erkannt und arbeiten an Lösungen.
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Artikel Überschrift:
Dass die windeldermatitis/ roter po nicht von stoffwindeln sondern eigentlich vorwiegend von Wegwerfwindeln und dem feuchten Milieu kommen wäre richtig recherchiert!
Schade, dass im Artikel bei den Einsparmöglichkeiten nicht fertig gerechnet wurde. Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass Windeln für bis zu vier Kinder genutzt werden können. Die Anschaffungskosten reduzieren sich somit gewaltig. Noch dazu haben Sie das teuerste Mehrwegsystem zur Berechnung herangezogen. Bei mehrteiligen Systemen brauchen Sie deutlich weniger Überhosen… Weiterlesen »
Im Artikel wird leider nicht thematisiert, dass Stoffwindelkinder schneller trocken werden als Kinder mit Wegwerfwindeln. Insbesondere wenn man die Stoffwindeln mit Abhalten kombiniert (wozu die Motivation wesentlich größer ist als bei „bequemen“ WWW). Außerdem würde ich behaupten, dass man Stoffwindeln häufiger wechselt als Wegwerfwindeln und das dem vermeintlich höheren Risiko… Weiterlesen »
machen scheiße
Selbstverständlich ist keine Kinder zu bekommen eine Lösung. Es gibt nichts, was dagegen spricht. Es ist sogar die mit Abstand nachhaltigste Lösung für das globale Ökosystem überhaupt. Man braucht dazu nur von seinem verblendeten anthropozentrischen Standpunkt abkommen. Dann erkennt man das problemlos.
Der Beitrag enthält wertvolle Informationen über die Umwelt-Windelproblematik und stellt sehr gründlich pro und contra der verschiedenen Möglichkeiten gegenüber. Der Artikel eignet sich sehr gut jungen Eltern einen Denkanstoß zu geben, so dass eine Entscheidung leichter getroffen werden kann. Was den Kostenzuschuss zu Stoffwindeln betrifft, so beobachte auch ich, dass… Weiterlesen »
Bei uns werden die Eingwegwindeln bezuschusst.
Wir bekommen für den Hausmüll kostenlos Windelsäcke die nicht gewogen werden