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Schule in Zeiten von Corona
Gefährdet die Schule die Eindämmung des Virus?
Ob die Schulen wieder öffnen, ist jetzt Ländersache. Die Infektionszahlen sinken aber nur langsam. Könnte ein normaler Schulalltag die Fallzahlen wieder in die Höhe treiben?
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Inhalt
- Ist bei Schülern das Risiko nicht ohnehin gering?
- Sind Schulen ein Hotspot?
- Werden Schüler und Lehrer regelmäßig getestet?
- Welche Erfahrungen gibt es im Ausland?
- Wie „normal“ kann Schulalltag stattfinden?
- Wie lässt sich das Infektionsrisiko verringern?
- Sollten Schüler im Unterricht Masken tragen?
- Was tun Schüler und Lehrer aus Risikogruppen?
- Ist eine Eindämmung des Virus trotz offener Schulen möglich?
- Ist bei Schülern das Risiko nicht ohnehin gering?
- Sind Schulen ein Hotspot?
- Werden Schüler und Lehrer regelmäßig getestet?
- Welche Erfahrungen gibt es im Ausland?
- Wie „normal“ kann Schulalltag stattfinden?
- Wie lässt sich das Infektionsrisiko verringern?
- Sollten Schüler im Unterricht Masken tragen?
- Was tun Schüler und Lehrer aus Risikogruppen?
- Ist eine Eindämmung des Virus trotz offener Schulen möglich?
Artikel Abschnitt:
Die aktuellen Corona-Maßnahmen gelten noch bis zum 1. März. Bislang schließt der „Lockdown“ mit ein, dass auch überall die Schulen geschlossen sind – mit einigen Ausnahmen, die etwa für Abschlussklassen gelten.
Vereinzelt planen Länder aber bereits, zumindest die Grundschulen wieder zu öffnen – in einigen Ländern ist ein Wechselmodell für den Unterricht geplant. Nach neuesten Beschlüssen ist es nun die Entscheidung der einzelnen Länder, wann wieder Präsenzunterricht stattfinden soll. Die Frage ist: Ist es gefährlich, die Schulen wieder zu öffnen, wenn die Inzidenzen an vielen Orten immer noch hoch sind und die neuen Mutationen die Lage verschärfen könnten? Was wir wissen, und was nicht.
Artikel Abschnitt: Wie hoch ist das Risiko, dass Schüler das Virus verbreiten?
Wie hoch ist das Risiko, dass Schüler das Virus verbreiten?
In vielen Fällen verläuft die Infektion mild oder sogar asymptomatisch. Betroffene Kinder und Jugendliche wissen dann gar nicht, dass sie das Virus in sich tragen. Bislang sollen gemäß der gemeldeten und vom Robert Koch-Institut gesammelten Fallzahlen rund sieben Prozent der Infizierten unter 15 Jahren alt sein. Die Dunkelziffer könnte aber höher sein, das deuten zumindest ältere Untersuchungen an. Im April waren beispielsweise sechsmal so viele Kinder mit SARS-CoV-2 infiziert, als aus offiziell berichteten Fallzahlen bekannt waren, hat eine bayerische Antikörper-Studie ergeben.
Weniger Todesfälle, aber genauso häufig infiziert?
Die Gefahr besteht bei Schülern weniger darin, dass sie selbst schwer an Covid-19 erkranken, sondern dass sie das Virus weiterverbreiten. Dann wären auch solche Menschen gefährdet, die ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben — egal ob Lehrer, Freunde, Großeltern, Nachbarn oder Menschen, denen sie im Alltag begegnen.
Nach aktueller Datenlage gelten Kinder und Jugendliche nicht als größter Anheizer der Pandemie. Trotzdem spiegelt sich auch in ihren Altersgruppen das Infektionsgeschehen wider. Sie scheinen diesem Geschehen aber „nachzulaufen“. Fest steht bislang: Ein größeres Infektionsrisiko gibt es dort in der Praxis nicht.
„Auch in anderen Ländern, beispielsweise in Schweden, sind keine vermehrten Infektionen und Antikörperraten in dieser Altersgruppe nachgewiesen worden, obwohl die Schulen nie geschlossen wurden und die Kinder viele ungeschützte Kontakte hatten“ sagt Dr. Folke Brinkmann, Oberärztin für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie am Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.
Kinder scheinen seltener sich selbst und andere zu infizieren
Aus den Zahlen vieler Untersuchungen geht hervor: Kinder sind seltener infiziert und stecken seltener andere an. Ob das tatsächlich stimmt, das zeigt nur ein genauer Blick in die Studien. Häufig wurden Infektionen bei Kindern schlicht übersehen. Da sie seltener Symptome entwickeln, wurden sie nicht getestet.
Ein Beispiel: je jünger die Kinder sind, desto weniger scheinen sie für das Virus empfänglich zu sein, das zeigt eine Analyse an deutschen Schulen von März bis August.
An Schulen hat es meist nur vereinzelte Ausbrüche mit wenigen Infizierten gegeben. Eine mögliche Erklärung: Der ACE2-Rezeptor, an den SARS-CoV-2 andockt, ist bei kleineren Kindern weniger vorhanden. Es muss also auch unterschieden werden, über wen genau gesprochen wird. Kinder unter 12 Jahren und Kinder bzw. Jugendliche ab 12 Jahren und älter sind physiologisch und immunologisch nicht dasselbe.
Wie gut Kinder und Jugendliche das Coronavirus übertragen, ist aktuell nur sehr schwer zu erforschen. Wissenschaftler ermitteln das über die Ansteckungsraten. Das Problem ist, dass sie diese Raten nicht in kontrollierten Experimenten erforschen können, weil man dafür Menschen bewusst infizieren müsste. Das wäre ethisch nicht vertretbar. Deshalb bleibt nur die Möglichkeit, geschehene Ausbruchsgeschehen rückwirkend zu analysieren und darüber Ansteckungsraten ermitteln. Weil die Ergebnisse jedoch nicht unter kontrollierten Bedingungen zustande gekommen sind, sind sie nur bedingt auf andere Situationen übertragbar.
Teenager mit engem Kontakt? Eine riskante Mischung
Es gibt vereinzelt Studien, die Ausbrüche betrachten, an denen Kinder auch beteiligt waren.
- Eine Studie stammt aus Australien und widmet sich mehreren Ausbrüchen in Schulen und Kinderbetreuungsstätten in New South Wales. Die Erkrankungsraten waren unter Erwachsenen am höchsten (4,4 Prozent) und unter Kindern (0,3 Prozent) am niedrigsten. Die Erkrankungsrate, wenn Erwachsene Kinder angesteckt haben, lag bei 1,5 Prozent. Brachte ein Kind das Virus mit, lag die Erkrankungsrate für Erwachsene bei einem Prozent.
- Zwei andere Studien aus Frankreich haben Ausbrüche an sechs Grundschulen und einem Gymnasium untersucht und auch die Kontaktpersonen in Haushalten eingeschlossen. Auch hier wiesen Kinder im Vergleich zu Erwachsenen eher niedrige Infektionsraten auf. Bei Jugendlichen ab 12 Jahren waren die beobachteten Infektionsraten jedoch höher als bei Erwachsenen.
In vielen Ländern der EU zeigt sich ein ähnliches Bild: Bei Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen sind die Fallzahlen am höchsten, bei kleinen Kindern am niedrigsten. Und auch zufällig erhobene Tests in Krankenhauseinweisungen von kleinen Kindern zeigten keine erhöhte Evidenz.
Wie infektiös Kinder sind oder wie leicht sie sich das Coronavirus einfangen können, scheint aber auch vom Setting und der Intensität des Kontakts abzuhängen. Forscher aus den USA haben sich beispielsweise einen Ausbruch in einem Ferienlager im Bundesstaat Georgia genauer angeschaut. Dort hatte sich ein Betreuer mit SARS-CoV-2 infiziert und innerhalb weniger Tage 44 Prozent der teilnehmenden Kinder angesteckt. Zwischen den Altergruppen war die Infektionsrate sehr ähnlich: Unter den 6- bis 10-Jährigen lag sie bei 51 Prozent, unter den 11- bis 17-Jährigen bei 44 Prozent. Nur bei den 18- bis 21-Jährigen lag sie bei 33 Prozent.
Die Ergebnisse aus den Schulen sowie dem Ferienlager sind zwar recht verschieden, sie zeigen sie aber: Auch unter Kindern können die Infektionsraten je nach Umgebung in die Höhe schnellen. Zwar sieht es generell so aus, dass sich das Virus zwischen Erwachsenen leichter überträgt. Klar wird aber auch: Je enger der Kontakt zwischen den Kindern, desto eher geht das Virus genauso um wie unter Erwachsenen.
Weitere Angaben zum Artikel:
Vorläufiges Fazit
- Das Risiko für schwere Krankheitsverläufe ist bei Kindern und Jugendlichen gering. Es steigt mit dem Alter.
- Jüngere Kinder scheinen sich seltener zu infizieren und auch seltener Erwachsene anzustecken.
- Das ist aber auch stark abhängig von der Art des Kontaktes – je enger der Kontakt, desto eher verbreiten auch jüngere Kinder das Virus stark.
- Ältere Kinder, ab etwa 12 oder 14 Jahren, stecken sich in etwa so häufig an wie Erwachsene und geben das Virus zum Teil sogar in ähnlichem Maß weiter.
Artikel Abschnitt: Sind Schulen ein Hotspot?
Sind Schulen ein Hotspot?
Erste Untersuchungen aus Deutschland
Inzwischen gibt es dazu erste Erhebungen aus einzelnen Regionen Deutschlands. Den Ergebnisse zufolge zählten Schulen und Kitas zumindest im Corona-Sommer 2020 nicht zu den Hotspots der Pandemie. Außerdem gab es in Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern unterschiedliche Untersuchungen an Schulen sowie in Kindergärten, in denen die Forschenden keine erhöhte Infektionsgefahr feststellen konnten. Zumindest solange „geeignete Maßnahmen zur Infektionskontrolle“ getroffen wurden, wie etwa ein Forscherteam aus München in seinem Preprint schreibt.
Um zu überprüfen, ob sich Viren in Schulen unentdeckt verbreiten, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwischen Mai und Oktober 13 weiterführende Schulen in Sachsen analysiert. Während des Untersuchungszeitraums ist den Ergebnissen zufolge keine Infektion unentdeckt geblieben und laut Bluttests sind auch keine neuen Fälle unter den 2.000 untersuchten Schülern und Lehrern hinzugekommen. Und das, obwohl sich die Infektionszahlen in Sachsens Gesamtbevölkerung in dieser Zeit verdoppelten. Eine weitere Studie aus Mecklenburg-Vorpommern unterstreicht diese Ergebnisse. Hier kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Schüler sich vor allem bei Treffen mit Freunden außerhalb des Haushaltes und der Schule infizierten.
Die Studien sind jedoch methodisch unterschiedlich und lassen sich nicht in einen Topf werfen.
Studien aus dem Ausland gehen in unterschiedliche Richtungen
- Aus Ländern wie Schweden, Dänemark und aus Teilen der Schweiz kam im Sommer bereits die Erkenntnis, dass offene Schulen, Kindergärten und Kitas keinen großen Effekt auf die Zahl der Neuinfektionen hatten. Dort waren diese Einrichtungen damals teils gar nicht geschlossen. Oder zumindest früher wieder offen als bei uns.
- Andere Untersuchungen zeigen: Auch in Schulen können sich viele Menschen anstecken. Forscher haben etwa in Frankreich gezeigt, dass bis zu 40 Prozent aller Schüler und ein noch größerer Teil der Lehrer und Angestellten dort im Frühling infiziert war – oftmals, ohne es zu wissen. Eltern und Verwandte hatten sich aber mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit angesteckt.
- Ähnliches galt auch für Israel. Nach einem sehr erfolgreichen, strikten Lockdown öffneten die Schulen. Während einer Hitzewelle wurden Fenster geschlossen, Masken abgesetzt und nach weniger als zwei Wochen waren viele Schulen wieder dicht und teilweise mehr als 100 Schüler infiziert.
- Auch in Australien hat es bereits Ausbrüche in Schulen gegeben. Und Studien aus Wuhan kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Schulschließung dort sehr wohl einen mindernden Einfluss bei der Ausbreitung des Coronavirus hatte.
Was können wir daraus ableiten?
Leider wenig. Zum einen lassen sich Ergebnisse aus anderen Ländern nicht 1:1 übertragen, denn je nach Kultur ist der Kontakt zwischen Kindern, Lehrern und Familien mehr oder weniger intensiv. Zum anderen wurden die Studien durchgeführt, , bevor die ansteckenderen Virusmutanten aus Großbritannien und Südafrika auftraten.
Was sich aber sagen lässt: Selbst wenn Studien zeigen, dass es an den untersuchten Schulen zuletzt keine Probleme mit unentdeckten Ausbrüchen gab, so ist trotzdem nicht ausgeschlossen, dass sich das künftig ändern kann. „Es scheint vor allem dann ein Risiko für Schulausbrüche zu geben, wenn das Gesamt-Infektionsgeschehen in der Bevölkerung zunimmt“, sagt Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe emerging viruses an der Universität Genf. Ein hohes Infektionsgeschehen in der Bevölkerung haben wir seit Monaten.
Artikel Abschnitt: Werden Schüler und Lehrer regelmäßig getestet?
Werden Schüler und Lehrer regelmäßig getestet?
Ein paar Beispiele:
- Nordrhein-Westfalen: Bisher gab es kein breites Testangebot, das soll sich zumindest für Lehrer nun ändern. Sie sollen sich zwei Mal pro Woche auf Corona testen lassen können. Für Schüler gibt es kein spezielles Testangebot.
- Berlin: Der Senat hat am 9. Februar angekündigt, flächendeckend Corona-Schnelltests an Schulen und in Kitas zur Verfügung zu stellen. Schüler, Lehrer, Erzieher und andere Beschäftigte sollen sich freiwillig zweimal pro Woche auf Corona testen lassen können.
- Sachsen: Seit dem Frühjahr können sich Lehrkräfte dort einmal pro Woche beim Hausarzt testen lassen, wenn sie möchten. Schülerinnen und Schüler der Abschlussklassen gehen dort seit dem 18. Januar wieder zur Schule. Zuvor konnten sie sich kostenlos testen lassen. Das Land will die Tests auch anderen Schülern zur Verfügung stellen, sobald die Schulen wieder für alle öffnen. Ob es dann regelmäßig Tests für alle gibt, geht aus offiziellen Mitteilungen nicht hervor.
- Bayern: Hier hat im Grunde jeder über Hausärztinnen und -ärzte Zugang zu Coronatests, auch ohne dass Symptome vorliegen. Reihentestungen an Schulen für Lehrkräfte und Schüler gibt es jedoch nicht.
Wann flächendeckend und verpflichtend an einer Schule getestet wird, entscheiden die Gesundheitsämter im Einzelfall. Treten positive Tests im Schulumfeld auf, gibt es weitere Optionen:
- Umfangreiche Tests für ganze Klassen und Lehrverbände
- Gezielte Testung von Kontaktpersonen (insbesondere ersten Grades)
- Umfangreiche Quarantäne ganzer Klassen und Lehrverbände
- Gezielte Quarantäne der Kontaktpersonen
Das Robert-Koch-Institut empfiehlt Tests, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- Jemand entwickelt schwere Krankheitssymptome der Atemwege (Husten, Atemnot, Fieber).
- Geruchs- und Geschmackssinn sind gestört.
- Jemand leidet unter Symptomen einer Atemwegserkrankung, die nach 5 Tagen nicht abklingen – egal wie schwer sie sind – oder sich verschlechtern
- Jemand entwickelt ungeklärte Symptome nach Kontakt mit einem bestätigten Covid-19-Fall.
- Jemand leidet unter Symptomen einer Atemwegserkrankung und gehört zu einer vulnerablen Gruppe, war Teil eines Ausbruchsgeschehens oder zählt zum Schulpersonal mit weiterhin engem Kontakt zu vielen Menschen.
Tests bringen auch Probleme
Je mehr Tests gemacht werden, desto mehr falsche Testergebnisse fallen an. Das heißt: Schüler könnten als positiv gelten, aber eigentlich gesund sein.
Hinzu kommt: Das Testergebnis bezieht sich immer nur auf diesen Moment und das Virus ist nicht sofort nach der Ansteckung nachweisbar. Schnelltests, die mit ausreichender Sicherheit infektiöse Personen erkennen, könnten aber auf lange Sicht helfen, Schulen offen zu halten und Ausbrüche zu verhindern.
Artikel Abschnitt: Welche Erfahrungen gibt es im Ausland?
Welche Erfahrungen gibt es im Ausland?
- In Deutschland oder Israel werden größere Ausbrüche beschrieben, während andere Studien aus Australien, Irland und Frankreich nur wenige Ansteckungen nennen. In einer chilenischen Studie über einen Corona-Ausbruch an Schulen berichten die Autoren und Autorinnen vor allem von Übertragungen in Mittel- und Oberstufe, oft jedoch ausgehend von Lehrkräften und/oder Elternversammlungen.
- Untersuchungen aus den Niederlanden, Sachsen oder Australien etwa deuten an, dass Kinder sich seltener anstecken oder sich sogar fast gar nicht infizieren. In den meisten Fällen haben Erwachsene Kinder und Jugendliche infiziert, selten war es andersrum.
- Übersichtsstudien haben sich für andere Länder damit beschäftigt, welchen Einfluss die Schließung der Schulen auf die Ausbreitung von Virusinfektionen hat. Demnach haben die Schulschließungen in Asien etwa nur zwei bis vier Prozent der Todesfälle verhindert und damit deutlich weniger als etwa die Alltagsmaßnahmen wie Social Distancing.
„Auch in anderen Ländern, beispielsweise in Schweden, sind keine vermehrten Infektionen und Antikörperraten in dieser Altersgruppe nachgewiesen worden, obwohl die Schulen nie geschlossen wurden und die Kinder viele ungeschützte Kontakte hatten“ sagt Dr. Folke Brinkmann, Oberärztin für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie am Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.
Abstand halten vermutlich wichtiger als generelle Schulschließungen
Für Hongkong ging man etwa davon aus, dass Abstandhalten die Verbreitung um 44 Prozent verringerte, Schulschließungen um bis zu 15 Prozent. Das lässt sich nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen, veranschaulicht aber erste Größenordnungen.
Erfahrungen während der laufenden Pandemie zeigen aber auch, dass sich in Schulen Infektionscluster bilden können. An einer Schule in Israel haben sich beispielsweise mehrere Hundert Lehrer und Schüler infiziert. Viele Schulen wurden daraufhin sofort wieder geschlossen.
Artikel Abschnitt: Wie 'normal' kann Schulalltag stattfinden?
Wie 'normal' kann Schulalltag stattfinden?
Einheitliche Regeln gibt es allerdings nicht.
Maßnahmen und Abläufe unterscheiden sich von Schule zu Schule
Inwiefern ein möglichst normaler Schulbetrieb möglich ist, ist von Schule zu Schule unterschiedlich und hängt mit der Personal- und räumlichen Ausstattung vor Ort zusammen. In der Regel tragen die Schulen selbst die Verantwortung für die Einhaltung und Durchführung der Hygienevorschriften.
In einen durchschnittlichen Klassenraum von 60 Quadratmetern passen mit einem Mindestabstand von 1,5 Metern in alle Richtungen wahrscheinlich nicht mehr alle der durchschnittlich 25 Schüler pro Raum (zum Beispiel für Nordrhein-Westfalen). Das würde für mehr Gruppen sprechen als noch zuvor – oder der Unterricht müsste teilweise auch in anderen Räumen stattfinden, etwa Aula oder Turnhalle.
Knackpunkt der Organisation sind oft auch die Lehrer
Heißt: Für Unterricht in normalem Umfang bräuchte es daher mehr Lehrer — und für einen Teil der Schüler wechselt die Lehrkraft. Hinzu kommt: Lehrerinnen und Lehrer, die zur Risikogruppe zählen, fallen aus.
Wer aber Vorerkrankungen hat, durfte etwa während der Abiturvorbereitung nicht für den Unterricht eingesetzt werden, wer älter als 60 Jahre ist und nicht an einer Vorerkrankung leidet, darf selbst entscheiden. Das betrifft fast jeden achten Lehrer.
Artikel Abschnitt: Wie lässt sich das Infektionsrisiko verringern?
Wie lässt sich das Infektionsrisiko verringern?
- Kleine Gruppen, große Räume (Mindestabstand möglich)
- Regelmäßiges Lüften möglich (Aerosole)
- Testkapazitäten und Nachverfolgung (Infektionsherde erkennen, um Schulschließungen zu vermeiden)
Der Fokus liegt derzeit ganz klar darauf, Ansteckungen über Tröpfchen und Aerosole zu vermeiden (dem Hauptübertragungsweg für das neue Coronavirus). Dabei helfen können Masken, Abstand und ein regelmäßiger Luftaustausch in den Klassenzimmern. Für Schulen ohne Lüftungsanlagen empfiehlt das Umweltbundesamt: alle 20 Minuten für fünf Minuten die Fenster zu öffnen.
Doch Simulationen zeigen auch: Ist keine Querlüftung möglich, findet der Luftaustausch nur im Bereich vor den Fenstern statt, nicht aber weiter hinten im Raum. „Um das Übertragungsrisiko durch Aerosole tatsächlich zu reduzieren, ist ein hoher Luftaustausch notwendig, der bei größeren Räumen wie Klassenzimmern nur durch leistungsstarke und in der Regel eher hochpreisige Geräte erreicht wird“, sagt Prof. Dr. Jörg Timm, Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.
Hybridkonzepte sind umstritten, epidemiologisch aber sinnvoll
Ziel ist es außerdem, den Kontakt unter den Schülern so gering wie möglich zu halten. In Bayern etwa wurden die Klassen vor den Schulschließungen geteilt, der Unterricht fand meist gestaffelt statt. Abwechselnd in Präsenzphasen und Zuhause lernen. Durch Kreide-Kreise auf dem Boden versuchten manche Schulen, die Klassenverbände auch in den Pausen voneinander zu trennen.
Zusätzlich empfahlen manche Bundesländer, dass die Türen der Schule offenbleiben, damit weder Schüler noch Lehrer die Türklinken berühren und dass Prüfungs- und Unterrichtsplätze täglich gereinigt werden.
In der Theorie wirken die Maßnahmen
„Es gibt Hinweise darauf, dass die Übertragung innerhalb von Schulen gering ist – und man kann annehmen, dass die Hygienekonzepte deutlich zur Reduktion des Risikos beitragen können“, sagt Prof. Dr. Rafael Mikolajczyk, Direktor des Instituts für Medizinische Epidemiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Theoretisch. Ob die Umsetzung der Hygienekonzepte in der Praxis funktioniert, hängt stark von der Schule ab, vom Gebäude, den Lehrern und auch den Schülern. Virologen weisen außerdem daraufhin, den Infektionsschutz vor und nach der Schule konsequent fortzuführen.
Artikel Abschnitt: Sollten Schüler im Unterricht Masken tragen?
Sollten Schüler im Unterricht Masken tragen?
Studien belegen mittlerweile: Die Masken schützen andere vor einer Ansteckung, und zumindest auch teilweise den Träger selbst. Sie reduzieren die Anzahl der Viruspartikel, die an die Schleimhäute geraten und je weniger vorhanden sind, desto geringer ist das Infektionsrisiko. „So ist es zum Beispiel bei konsequentem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Klasse möglich, die Zahl der Kontaktpersonen 1. Grades mit hohem Infektionsrisiko und Quarantänenotwendigkeit auf die in direkter Umgebung sitzenden Schüler einzugrenzen“, sagt Dr. Folke Brinkmann, Oberärztin für Pädiatrische Pneumologie und Allergologie am Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.
Wenn es also allein um das Ansteckungsrisiko geht, insbesondere wenn Abstandsregeln, Gruppengrößen und regelmäßiges Lüften nicht eingehalten werden, könnten Masken einen wichtigen Beitrag leisten. Das gilt auch für den Schulweg im Bus, denn auch dort herrscht ein höheres Ansteckungs- und Verbreitungsrisiko.
Artikel Abschnitt: Was tun Schüler und Lehrer aus Risikogruppen?
Was tun Schüler und Lehrer aus Risikogruppen?
In manchen Fällen besteht laut Bundesregierung die Möglichkeit, an digitalem Schulunterricht teilzunehmen. Ein ähnliches Vorgehen wird empfohlen, wenn Angehörige aus dem Haushalt des Kindes, beispielsweise Eltern oder Geschwister, zu einer Risikogruppe gehören.
Vorerkrankungen sollen ernstgenommen werden
Die Eltern oder der Schüler müssen die vorliegende Erkrankung nicht nennen. Lehrer mit entsprechenden Vorerkrankungen wie Krebs oder Diabetes können sich ebenfalls bei Vorlage eines Attests vom Präsenzunterricht befreien lassen, zumal sie häufiger zur Risikogruppe zählen. Ob die Anträge stattgegeben werden, soll laut vielen Landesregierungen individuell nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts geprüft werden.
Artikel Abschnitt: Ist eine Eindämmung des Virus trotz offenen Schulen möglich?
Ist eine Eindämmung des Virus trotz offenen Schulen möglich?
Die Wahrscheinlichkeit steigt, je mehr Menschen grundsätzlich infiziert sind. Dann könnte es einen sich verstärkenden Effekt geben.
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Artikel Überschrift:
Ich arbeite als Schulbegleiter in einer Grundschule und finde, dass Studien wichtige Hinweise auf eine (Weiter-)Verbreitung des Corona-Virus liefern, aber die Schulwirklichkeit nur in geringem Maße wiederspiegeln. Ich erlebe tagtäglich, wie schwierig es war und ist, Kinder zum korrekten Tragen der Mund-Nasen-Maske zu bewegen. Es sind Wenige, denen es einfach… Weiterlesen »
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