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Demenz
Was du über Alzheimer wissen solltest
Alzheimer ist mehr, als mal einen Namen zu vergessen: Der Mensch verändert sich – und mit ihm seine Wahrnehmung von sich und der Welt.
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Inhalt
- Vergesslich – muss ich mich sorgen?
- Was ist eine Demenz? Wie häufig ist sie?
- Demenz und Alzheimer – was ist der Unterschied?
- Was passiert bei Alzheimer im Gehirn?
- Wie zeigt sich Alzheimer im Verhalten?
- Was löst das Vergessen aus? Welche Hypothesen gibt es?
- Wie wird Alzheimer diagnostiziert?
- Wie lässt sich Alzheimer behandeln?
- Welche Risikofaktoren sind bekannt? Wie lässt sich vorbeugen?
- Wo finden Betroffene und Angehörige Hilfe, Unterstützung und Information?
- Vergesslich – muss ich mich sorgen?
- Was ist eine Demenz? Wie häufig ist sie?
- Demenz und Alzheimer – was ist der Unterschied?
- Was passiert bei Alzheimer im Gehirn?
- Wie zeigt sich Alzheimer im Verhalten?
- Was löst das Vergessen aus? Welche Hypothesen gibt es?
- Wie wird Alzheimer diagnostiziert?
- Wie lässt sich Alzheimer behandeln?
- Welche Risikofaktoren sind bekannt? Wie lässt sich vorbeugen?
- Wo finden Betroffene und Angehörige Hilfe, Unterstützung und Information?
Artikel Abschnitt: Vergesslich – muss ich mich sorgen?
Vergesslich – muss ich mich sorgen?
"Die Gehirnleistung lässt im Alter genauso nach wie die Leistung aller Organe", sagt Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln und einer der Hauptautoren der Leitlinie "Demenzen", einer Art Behandlungsempfehlung für Ärzt:innen.
Schon so ab 50 Jahren merken es eigentlich alle: Der Abruf von Namen oder Begriffen fällt mitunter schwer, neue Dinge zu lernen bereitet mehr Mühe, genauso wie Multitasking. Das geht aber nur bis zu einem gewissen Punkt: Beim normalen Älterwerden bleibt man voll orientiert, man kann sich Dinge merken, wenn man sich konzentriert, und komplexe Alltagsaktivitäten umsetzen – etwa den Schreibtisch organisieren und Rechnungen begleichen. Ist jemand dement, ist das anders.
Frühe Warnsignale
Wenn das Vergessen einsetzt, erinnern sich Betroffene regelmäßig nicht an besprochene Sachen. Im Urlaub finden sie sich im Hotel nicht zurecht, im Supermarkt verlaufen sie sich. "Solche Störungen der Orientierung sind oft ein frühes Zeichen", sagt Jessen. Komplexe Aufgaben gelingen nicht mehr. In Gesprächen fehlen die Worte oder es fällt schwer, einer Unterhaltung zu folgen.
Die Deutsche Alzheimergesellschaft listet solche frühen Warnsignale in einer Infografik auf – dazu zählen auch Veränderungen in der Stimmung (Wutausbrüche, Antriebslosigkeit), der Rückzug von sozialen Aktivitäten oder Probleme mit dem räumlichen Sehen (die Parklücke war zu klein, es kracht). Wer sie an sich oder bei Angehörigen wahrnimmt, sollte sie ernst nehmen. Denn eine frühe Diagnose hilft, das Voranschreiten der Erkrankung zu verzögern.
Auch Riechstörungen können ein Hinweis sein. "Diese treten aber auch bei etlichen anderen Erkrankungen, etwa Parkinson, auf", sagt Jessen.
Artikel Abschnitt: Was ist eine Demenz? Wie häufig ist sie?
Was ist eine Demenz? Wie häufig ist sie?
Mit dem Alter nimmt das Risiko zu, an einer Demenz zu erkranken. Bei den über 65- bis 69-Jährigen sind ein bis zwei Prozent betroffen, bei den 75- bis 79-Jährigen sind es gut sieben Prozent und bei den 85- bis 89-Jährigen über 20 Prozent – also bereits fast jeder Vierte.
Geschätzt gibt es zwischen 1,6 und 1,7 Millionen Demenzkranke in Deutschland. Dabei sind zwei gegenläufige Entwicklungen zu beobachten: Da wir immer älter werden, steigt auch die Anzahl an Demenzen. "Bis 2030 werden geschätzt mehr als zwei Millionen Menschen in Deutschland davon betroffen sein", sagt Jochen René Thyrian, Versorgungsforscher am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Vorstandsmitglied der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, der dazu eine Prognose veröffentlicht hat.
Generell passiert dieser Anstieg aber nicht ganz so schnell, wie man es aufgrund der demografischen Entwicklung erwarten würde. Die Demenzwahrscheinlichkeit sinkt auch leicht in den einzelnen Altersgruppen. "Heute entwickeln weniger 80-Jährige eine Demenz als noch vor 20 bis 30 Jahren", so Jessen. Warum das so ist, wird kontrovers diskutiert: Bildung und ein gesünderer Lebensstil spielen dabei anscheinend eine Rolle.
Artikel Abschnitt: Demenz und Alzheimer – was ist der Unterschied?
Demenz und Alzheimer – was ist der Unterschied?
Etwa 60 Prozent aller Demenzen sind Alzheimerdemenzen. Es gibt aber auch noch andere Arten, etwa die vaskuläre Demenz, bei der das Gehirn schlecht durchblutet ist, und Mischformen. Dieser Artikel behandelt die häufigste Demenzform: Alzheimer. Sie tritt überwiegend nach dem 65. Lebensjahr auf, selten auch früher. Dann ist sie erblich bedingt.
Der Name der Krankheit geht zurück auf den Psychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer. "Ich habe mich sozusagen verloren." Das sagte die erste Alzheimerpatientin Auguste Deter zu Alzheimer, der sie als Arzt betreute.
Dieser vermutet eine biologische Ursache hinter der Verwirrtheit seiner Patientin, ihren zeitweiligen Aggressionen und dem geistigen Verfall. Als sie stirbt, untersucht er ihr Gehirn und entdeckt, dass die Hirnrinde geschrumpft ist. Eiweiße haben sich in und zwischen den Nervenzellen abgelagert, die Zellen sind gestorben.
1906 beschreibt Alzheimer seinen Fund zum ersten Mal. Ernst genommen wird er damit nicht, denn damals vermutete man, dass ein unzüchtiger Lebenswandel die Ursache für den "Altersblödsinn" ist. Mehr als 100 Jahre ist das mittlerweile her. Und auch wenn es viele kleine Erfolge gibt: Hinsichtlich der genauen Auslöser für die Krankheit tappen Forschende noch immer im Dunkeln.
Artikel Abschnitt: Was passiert bei Alzheimer im Gehirn?
Was passiert bei Alzheimer im Gehirn?
Diese Ablagerungen wiederum haben Folgen: Die Gehirnzellen verlieren so wohl ihre Funktionsfähigkeit. "Was Alzheimer wirklich verursacht, ist aber noch nicht verstanden und auch sehr komplex", sagt Jessen. Wahrscheinlich gibt es mehrere Ursachen für den geistigen Verfall, Forschende beobachten zahlreiche Veränderungen im Gehirn von Patient:innen.
Gehen die Gehirnzellen nach und nach verloren, schrumpft das Gehirn. "Ein gesundes Gehirn sieht wie ein Blumenkohl aus", sagt Thyrian. Bei einem Alzheimerpatient:innen sind die Röschen sehr lückenhaft und ausgedünnt, die mit Gehirnflüssigkeit gefüllten Zwischenräume größer.
Abbau im Gehirn beginnt bereits früher
Das Tückische: Der Prozess im Gehirn beginnt Jahrzehnte, bevor sich erste Einschränkungen zeigen. Wer mit 70 oder 80 Jahren erkrankt, bei dem haben sich die schädlichen Eiweiße wahrscheinlich schon mit etwa 50, 60 Jahren langsam angefangen abzulagern. "Unser Gehirn kann die Schädigung sehr lange kompensieren", sagt Jessen. Irgendwann hält es aber nicht mehr Stand – der Mensch zeigt Symptome.
Tatsächlich folgt der Abbau im Gehirn bei Alzheimer einem bestimmten Muster. "Gedächtnis- und Orientierungszentren sind typischerweise sehr früh betroffen", sagt Jessen.
Eine solche Region ist der Hippocampus, aber auch die mit dem Hippocampus eng verschaltete entorhinale Rinde. Dabei handelt es sich um einen Bereich am mittleren Rand des Schläfenlappens, in dem ebenfalls schon früh Nervenzellen absterben. Das passiert auch in Hirnbereichen, die für Gefühle und die emotionale Bewertung von Situationen zuständig sind, wie der Amygdala, einem Teil des limbischen Systems.
Im weiteren Verlauf breitet sich die Erkrankung über das Gehirn aus. Im mittleren Stadium sind Regionen in der Großhirnrinde und im Gehirninneren betroffen, die für exekutive Funktionen verantwortlich sind – also für Planen und Umsetzen.
Motorik erst später betroffen
Komplexe Handlungsabläufe bereiten Schwierigkeiten, etwa die Steuererklärung zu machen oder einen Kuchen zu backen. Es fällt auch schwer, Sprache zu verstehen und die richtigen Worte zu finden. "Im späten Stadium sind sämtliche koordinierende Funktionen des Gehirns und das Gedächtnis vollständig erloschen", sagt Jessen. Der Mensch verlernt nicht nur, wie die Welt und er in ihr funktioniert. Er vergisst sich selbst.
Gehirnregionen, die relativ lange unbeeinträchtigt bleiben, sind entwicklungsgeschichtlich alte, primäre Zentren des Gehirns, etwa für Sehen oder Hören. Aber auch der Motorkortex, verantwortlich für Bewegungen – und der Hirnstamm, der etwa Herzschlag und Atmung steuert. "Patienten haben sehr lange keine starken motorischen Störungen", sagt Jessen. "Und sie werden auch nicht blind oder taub."
Artikel Abschnitt: Wie zeigt sich Alzheimer im Verhalten?
Wie zeigt sich Alzheimer im Verhalten?
Grundsätzlich lassen sich aber drei Stadien bei Alzheimer unterscheiden – je nachdem, wie selbstständig die betroffene Person noch ist und wie viel Unterstützung sie braucht. Die Stadien gehen fließend ineinander über.
- Leichte Demenz
- Mittelschwere Demenz
- Schwere Demenz
Leichte Demenz
Alzheimer beginnt schleichend. Vor allem das Kurzzeitgedächtnis bereitet am Anfang Probleme, Stimmungsschwankungen treten auf. Es fällt schwer, Neues zu lernen und schnell zu reagieren. Alltägliche Tätigkeiten sind zwar beeinträchtigt, der Alltag kann aber noch weitestgehend unabhängig gemeistert werden.
Bei anspruchsvollen Sachen wie finanziellen Angelegenheiten oder der Organisation des Haushalts braucht es eventuell Hilfe. Auch die zeitliche und örtliche Orientierung gelingt im Stadium der leichten Demenz nicht mehr sicher, Betroffene verlaufen sich auf dem eigentlich bekannten Weg zum Supermarkt.
Hinzu kommen erste Auffälligkeiten in der Sprache – etwa ein Stocken mitten im Satz oder ein Suchen nach Wörtern. Betroffene ziehen sich zurück, werden antriebslos. Die Stimmung kann stark schwanken, manche Menschen sind depressiv verstimmt, leicht reizbar, ängstlich oder sie brechen unvermittelt in Tränen aus.
"Im Rückblick sagen Patienten oft, dass ihnen die Veränderungen natürlich aufgefallen sind", sagt Thyrian. Aber aus Scham, Wut oder Angst versuchen sie, sie zu überspielen und zu verheimlichen.
Mittelschwere Demenz
Spätestens im Stadium der mittelschweren Demenz muss der Beruf meist aufgegeben werden. Auch Autofahren ist dann nicht mehr möglich. Betroffene brauchen Hilfe bei einfachen alltäglichen Sachen – etwa beim Kochen, Einkaufen, Anziehen und Wohnung sauber halten.
Sie können sich vielleicht noch selbstständig waschen, essen und trinken, es braucht aber Erinnerungen. Die Gedächtnisstörungen nehmen zu, auch das Langzeitgedächtnis verblasst. Alte Lieder oder Gedichte werden aber oft noch gut erinnert.
Die Fähigkeit, sich zeitlich und örtlich zu orientieren, geht allerdings verloren: Betroffene verlaufen sich und finden nicht mehr nach Hause. Sie lassen die Herdplatte an und packen die Brille in den Kühlschrank. Oder sie bringen Gegenwart und Vergangenheit durcheinander.
Auch die Raumwahrnehmung und der Wirklichkeitsbezug können gestört sein. Die sprachliche Verständigung ist schwierig, die Sprache inhaltsleer. Das Leben selbstständig zu meistern, ist nicht mehr möglich. Die Patient:innen sind reizbar, unruhig, aggressiv oder auch antriebslos. Sie haben einen hohen Bewegungsdrang, nesteln an der Kleidung oder kramen sinnlos in Schubladen. Infolge der Krankheit kann es zu Wutausbrüchen und Misstrauen kommen.
Schwere Demenz
Im Stadium der schweren Demenz sind die Patient:innen vollständig pflegebedürftig und auf Betreuung angewiesen. Sie können sich sprachlich nicht verständigen, erkennen Familienmitglieder nicht mehr. Das Gehen fällt schwer, auch Schluckstörungen und Ernährungsprobleme können auftreten, die Kontrolle über Blase und Darm nimmt ab. Die Kranken werden bettlägerig. Sie sterben an Komplikationen wie Thrombosen oder einer Lungenentzündung.
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Leichte kognitive Beeinträchtigung
Über das Konzept wird allerdings debattiert: Zwar erhöht MCI das Risiko auch für Alzheimer. Aber nur ein Bruchteil der Patient:innen mit MCI entwickelt wirklich eine Demenz. Hier mangelt es an guten Daten, um die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. Zudem fehlt etwa eine einheitliche Definition.
Studien zeigen aber auch: Mit der richtigen Diagnostik kann es möglich sein, typische Veränderungen von Alzheimer schon im MCI-Stadium zu identifizieren. Allerdings sollten das dann Fachleute machen, die sich mit den Verfahren, ihren Möglichkeiten und Grenzen auskennen, das betont auch die aktuelle Leitlinie.
Für Thyrian ist die MCI daher "ein Risikofaktor und sollte als Warnhinweis dienen, die Entwicklung der Kognition engmaschiger und systematischer zu begleiten". Allerdings sei unklar, ob ein MCI einer Demenz vorausgeht. "Den Begriff 'Vorstufe‘ kann man diskutieren", sagt er.
Artikel Abschnitt: Was löst das Vergessen aus? Welche Hypothesen gibt es?
Was löst das Vergessen aus? Welche Hypothesen gibt es?
- rundliche Ablagerungen außerhalb der Nervenzellen, sogenannte senile Plaques aus Eiweißbruchstücken (Beta-Amyloid)
- faserförmige, längliche Ablagerungen im Zellinneren, sogenannte Neurofibrillenbündel oder Tangles, bestehend aus verklumptem Eiweiß (Tau-Protein, das über einen abnormen Phosphorisierungsprozess verklumpt)
Zudem mehren sich in den vergangenen Jahren die Hinweise, dass auch eine Neuroinflammation, also Entzündungen im Nervensystem, eine Rolle bei der Hirnschädigung bei Alzheimer spielen. Auch Träger eines bestimmten Gens mit dem Namen Apolipoprotein E4 (ApoE4) haben ein höheres Risiko, Alzheimer zu entwickeln.
Nicht zuletzt sind bestimmte Botenstoffe in ihrer Konzentration im Gehirn von Alzheimerpatient:innen verändert. So ist die Menge von Acetylcholin, einem wichtigen Botenstoff, verringert. Glutamat hingegen, ein anderer Botenstoff, wird vermehrt ausgeschüttet. Beide Neurotransmitter sind wichtig für die Funktion der Nervenzellen und die Übertragung und Kommunikation zwischen ihnen. So geht man davon aus, dass Acetylcholin unter anderem beim Lernen und beim Abruf von Gedächtnisinhalten wichtig ist.
Baustein 1: Beta-Amyloid
Manche Forschende nehmen an, dass beim Entstehen der Alzheimerdemenz das sogenannte Beta-Amyloid die zentrale Rolle spielt. Es entsteht durch Spaltung aus einem größeren Eiweißmolekül, dem sogenannten Amyloid-Vorläuferprotein (APP), dessen Funktion bislang nicht gänzlich bekannt ist.
APP kommt in der Zellmembran von Nervenzellen vor und wird mithilfe von Enzymen immer wieder aufgespalten. Beta-Amyloid wird gebildet, indem APP zuerst mit dem Enzym Beta-Sekretase außerhalb der Zellmembran geschnitten wird. Der in der Membran verbliebene Rest wird mit einer anderen Schere, der Gamma-Sekretase, getrennt. Dabei entsteht Beta-Amyloid, ein Eiweißbruchstück.
"Solche Amyloid-Moleküle scheinen durchaus eine biologische Funktion zu haben, die vielleicht mit der Kommunikation zwischen den Nervenzellen zu tun hat, aber noch nicht vollständig geklärt ist", sagt Jessen. Beta-Amyloid kann aber auch neurotoxisch wirken, wenn es sich außerhalb der Nervenzelle ansammelt. Dort verklumpt es zu den klassischen Plaques und, so die ursprüngliche Theorie, stört auf diese Art die Kommunikation zwischen den Nervenzellen.
Beta-Amyloid wird allerdings zeitlebens gebildet, auch bei Gesunden. "Normalerweise wird es aus dem Gehirn rausgewaschen", sagt Jessen. Diese Säuberungsmechanismen scheinen bei Alzheimer nicht mehr gut zu funktionieren. Warum, ist unklar. "Die meisten Wissenschaftler:innen nehmen heute an, dass diese sogenannte verminderte Clearance des Gehirns ein Grund ist, warum sich Beta-Amyloid im Gehirn ansammelt", so der Alzheimerexperte.
Eine Hypothese ist auch, dass weniger die Plaques, sondern Fehlfaltungen von Beta-Amyloid oder sogenannte Oligomere (kleinere, lösliche Aggregate) zu den neurotoxischen Prozessen beitragen – dass es also, vereinfacht gesagt, darauf ankommt, was sich aus den Beta-Amyloid-Bausteinen bildet.
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Saubermachen im Gehirn
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Manche Forschende glauben hingegen, dass die Ablagerungen eher eine Begleiterscheinung der Krankheit sind als deren Ursache. Zweifel an der Amyloid-Hypothese ließ auch die sogenannte Nonnen-Studie aufkommen, für die ein US-amerikanischer Neurologe die geistige Gesundheit von 687 katholischen Nonnen dokumentierte und nach deren Tod auch ihre Gehirne sezieren durfte.
Dabei zeigte sich: Die Ablagerung der Plaques lässt wenig Rückschlüsse auf die geistige Gesundheit zu. Bei manchen Nonnen war das Gehirn deutlich davon befallen – und sie waren dennoch geistig gesund. Andere waren dement – hatten aber keine dieser krankhaften Ablagerungen im Hirn.
Zudem korrespondieren die Ablagerungen nicht mit den Krankheitssymptomen. Anders gesagt: "Die Plaques scheinen erst einmal noch gar nicht primär die Hirnzellen zu schädigen", sagt Jessen. "Aber über einen Mechanismus, der noch nicht geklärt ist, aktiviert das Beta-Amyloid im Gehirn wohl einen anderen zentralen Mechanismus für Alzheimer: die Tau-Pathologie."
Baustein 2: Tau-Protein
Im Gehirn von Alzheimerpatient:innen sind auch sogenannte Neurofibrillenbündel nachweisbar. Sie bestehen aus Tau-Protein, das verklumpt, da es mit zu vielen Phosphatgruppen beladen wird. Die so entstehenden Faserknäuel lassen sich in vielen Nervenzellen finden.
Tau-Eiweiße sind ein normaler Bestandteil des Zellskeletts. Tau bindet an röhrenförmige Strukturen (sogenannte Mikrotubuli) und stabilisiert diese. Mikrotubuli helfen beim Transport etwa von Nährstoffen in der Zelle. Aber auch Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, werden so in die Nervenfortsätze gebracht, um Energie für den Austausch mit Nachbarzellen zu liefern.
Bei Alzheimer kann das Tau-Protein von den Mikrotubuli abfallen und sich zu Neurofibrillenbündeln ablagern. Die Transportbahnen werden instabil, zerfallen und verlieren ihre Funktion. Der Zelltransport bricht zusammen, die Kommunikation zwischen den Neuronen bricht ab. Es herrscht Funkstille, schließlich stirbt die Zelle ab.
"Die Tau-Pathologie ist es eigentlich, die wirklich zum neuronalen Untergang führt", sagt Jessen. "Wie sie sich übers Gehirn ausbreitet, bestimmt letztlich, welche Symptome sich zeigen." Fatal dabei ist: Der Zerfall der Mikrotubuli, der Zusammenbruch des Zellskeletts und der Zelltod befeuern wiederum die Entstehung von Beta-Amyloid.
Baustein 3: Neuroinflammation
In den vergangenen Jahren ist noch ein weiterer Ansatz in den Blick gerückt: So zeigen sich im Gehirn von Alzheimerpatient:innen starke Entzündungsprozesse. "Wahrscheinlich aktivieren die Amyloide das gehirneigene Immunsystem, was wiederum zu einer gewissen chronisch-entzündlichen Begleitreaktion im Gehirn führt", sagt Jessen. Auch das, nehmen die Forschenden an, könnte zur Zerstörung der Hirnzellen beitragen.
Interessant auch: Rheumapatient:innen haben ein geringeres Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Die Entzündungshemmer, die sie einnehmen müssen, scheinen sie auch vor Alzheimer zu schützen. In das Bild passt zudem: Schädel-Hirn-Traumata, die eine lokale Entzündungsreaktion hervorrufen, gelten als ein Risikofaktor für Alzheimer.
"Letztlich greifen wahrscheinlich alle drei Mechanismen – Amyloid-Beta, Tau und die Entzündung – ineinander", sagt Jessen. "Die Inflammation wirkt dabei wohl wie ein Beschleuniger." Und sie könnte ein Bindeglied zwischen Beta-Amyloid- und Tau-Pathologie sein.
Auch der Experte Thyrian nimmt an, dass alle drei Hypothesen irgendwie beteiligt sind. "Es wird allerdings darüber gestritten, welche vorrangig wichtig ist", sagt er. Welche also mehr zum neuronalen Untergang beiträgt. Oder sind es vielleicht auch drei unterschiedliche Formen von Demenz, die so entstehen? "Auch das wäre möglich", so Thyrian.
Forschende entdecken immer neue molekulare Mechanismen
So sammelt sich etwa auch ein Protein namens TDP-43 im Gehirn von Alzheimerpatient:innen. "Welche Rolle dieses Protein in der Pathologie der Krankheit spielt, ist noch völlig unklar", sagt Jessen. "Und wahrscheinlich gibt es noch weitere Mechanismen, die wir heute noch gar nicht kennen." Diskutiert wird in den vergangenen Jahren auch vermehrt, ob Infektionen mit Viren und Bakterien die Neuroinflammation und damit auch Alzheimer auslösen können.
Artikel Abschnitt: Wie wird Alzheimer diagnostiziert?
Wie wird Alzheimer diagnostiziert?
Bei einem Verdacht führt der erste Weg meist zum Hausarzt oder zur Hausärztin. Kommen die nicht weiter, sollten Fachleute hinzugezogen werden, etwa eine Psychiaterin oder ein Neurologe. Auch sogenannte Gedächtnisambulanzen sind sehr gute Anlaufstellen.
Zuerst wird in einem Gespräch erfragt, ob der Patient oder die Patientin zum Beispiel Wortfindungsstörungen hat und wie gut er oder sie sich Dinge merken kann. Ob sich Stimmung oder Wesen der Person geändert haben und welche Vorerkrankungen es gibt. Dafür findet auch eine körperliche Untersuchung statt und es wird Blut abgenommen.
Es ist wichtig, andere mögliche Ursachen auszuschließen, denn auch Erkrankungen wie eine Depression, eine Störung der Schilddrüse, Medikamente oder ein Vitaminmangel können kognitive Einbußen hervorrufen. Überprüft werden sollte auch, ob Hören und Sehen eingeschränkt sind – auch das kann den Alltag erschweren.
Solche Ursachen lassen sich gut beheben. Das gilt auch für eine häufige Ursache für Verwirrtheit bei älteren Menschen: Dehydrierung. "Hier hilft schon ein Hautfaltentest zu schauen, ob derjenige zu wenig getrunken hat", sagt Thyrian. Dafür die Haut zwischen zwei Fingern zusammenzwicken – normalerweise verschwindet die so entstandene Falte schnell wieder.
Meist befragt die Ärztin auch Angehörige, ihnen fallen die Veränderungen oft eher auf. Zudem versuchen Betroffene gerade am Anfang, ihre Defizite zu verbergen.
Um den Eindruck zu objektivieren, macht der Arzt dann Gedächtnistests. Hier gibt es eine Reihe an Verfahren, der sogenannte Uhrentest zählt dazu. Der Patient oder die Patientin soll dabei in einen Kreis die Zahlen einer Uhr einzeichnen – sodass ein Ziffernblatt daraus wird. Im Anschluss sollen die Zeiger eingetragen werden, und zwar so, dass sie auf zehn nach elf stehen. Je unkenntlicher die Uhr, desto fortgeschrittener die kognitiven Einschränkungen.
Alleine ist er allerdings nicht aussagekräftig. Er sollte daher nur begleitend zu einem anderen Test eingesetzt werden.
Bilder vom Gehirn
Mit einer Magnetresonanztomografie (MRT) oder einer Computertomografie (CT) lässt sich ein Bild vom Hirn anfertigen. So schaut der Arzt: Gibt es Durchblutungsstörungen oder ist das Hirnvolumen verkleinert? Oder erklärt eine andere Ursache, etwa ein Gehirntumor, den geistigen Abbau?
"Allerdings sind MRT und CT in der frühen Phase oft unauffällig", sagt Jessen. Und eine Hirnvolumenverkleinerung etwa ist nicht spezifisch für Alzheimer. "Ein solches Bild muss man daher immer in den Zusammenhang mit anderen Befunden setzen", so der Experte.
Umstritten ist, ob immer ein solches Bild vom Hirn angefertigt werden sollte, das betont auch die Leitlinie. Besonders bei älteren, sehr kranken Menschen kann dies nicht mehr sinnvoll sein – weil es sie etwa belastet und sich schlicht auch keine Konsequenzen mehr für die Therapie daraus ergeben.
Manche Anbieter werben damit, die radiologische Diagnostik als Alzheimer-Screening einzusetzen – ohne dass Gedächtnisstörungen vorliegen. Auch hier gilt: Finger weg, das ist sinnlos, die Aussagekraft zu gering.
Im Hirnwasser lässt sich nach sogenannten Biomarkern suchen. "So lassen sich sehr verlässlich und robust Amyloid- und Tauveränderungen nachweisen", sagt Jessen. "Allerdings sollte solche Tests ein erfahrener Behandler durchführen, der die Ergebnisse auch richtig interpretieren kann." In Zukunft könnten Bluttests die aufwendigen Untersuchungen des Hirnwassers ersetzen – noch ist es aber nicht so weit.
Onlinetests: teuer und verunsichernd
Wenig zielführend ist es, Demenztests im Internet zu machen. "Auch genetische Tests, die kommerziell angeboten werden, sind nicht ratsam", sagt Thyrian. "Da schicken sie Blut hin, bekommen dann für mehrere Hundert Euro ein Ergebnis zurück, das vollkommen nichtssagend ist, aber verunsichert. Ohne Beratung, ohne Einordnung. Das ist schon fast gemeingefährlich."
Wer ein genetisches Risiko für eine Alzheimerdemenz abklären lassen will, sollte dies in einem Humangenetikzentrum tun. Und sich vorab ausführlich über die Möglichkeiten und Grenzen und die Bedeutung des Befundes aufklären lassen. Nicht zuletzt ist es ratsam, sich zu überlegen, wie man mit einem positiven Befund umgehen würde.
Im Zweifel muss man mit der Belastung leben, dass die Krankheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ausbrechen könnte – es aber vielleicht nie tut. "Es gibt auch ein Recht auf Nichtwissen", sagt Thyrian.
Artikel Abschnitt: Wie lässt sich Alzheimer behandeln?
Wie lässt sich Alzheimer behandeln?
Große Hoffnungen und ebenso große Enttäuschungen – so fasst Jessen die letzten 20 Jahre der Alzheimerforschung zusammen. Seit 2003 hat es kein Alzheimermedikament mehr auf den Markt geschafft – bis zum Jahr 2021.
Kürzlich wurde ein Wirkstoff zumindest in den USA zugelassen. Das Medikament ist das erste, das sich direkt gegen einen der Krankheit zugrunde liegenden Mechanismus richtet.
Zu Beginn konzentrierte sich die Suche nach einem Wirkstoff für eine Alzheimertherapie vor allem darauf, die Amyloid-Last im Gehirn zu mindern. "Und zwar mit der Gabe von Antikörpern oder einer Impfung", sagt Jessen. Hier konnten Forschende auch tatsächlich kleine Erfolge erzielen. So gelang es in Studien, Amyloid im Gehirn zu reduzieren. Nur: Der erhoffte Effekt auf den Krankheitsverlauf blieb aus. Die Amyloid-Last war geringer, aber die Symptome schritten ähnlich schnell fort. "Die Wirkung ist also viel schwächer als erhofft", sagt Jessen. "Man dachte eigentlich, wenn man Amyloid abräumt, hat man die Erkrankung gestoppt." Könnte es daran liegen, dass man die richtige Dosis noch nicht gefunden hat? Oder diese Wirkstoffe zu spät gibt? "An diesen Fragen feilen Forschende und Unternehmen momentan", sagt Jessen.
Ein kleiner, aber höchst umstrittener Erfolg: Die US-Zulassungsbehörde FDA hat kürzlich den Wirkstoff Aducanumab des US-Unternehmens Biogen zugelassen, ein Antikörper, der sich ebenfalls gegen das Beta-Amyloid-Eiweiß richtet. Für viele Wissenschaftler:innen kam das extrem überraschend.
Denn eigentlich mussten die Studien zu Aducanumab abgebrochen werden, das Mittel konnte den geistigen Verfall nicht stoppen. Doch das Unternehmen führte die Behandlung mit einem Teil der Patient:innen weiter, wertete Daten erneut aus und präsentierte doch eine Wirkung, zumindest auf die Reduktion von Amyloid im Gehirn – wenn man den Antikörper sehr früh und hochdosiert gibt.
Der vermeintliche Nutzen ist allerdings umstritten, ebenso wie die Zulassung. So bezweifeln Wissenschaftler:innen, dass sich eine kognitive Verbesserung tatsächlich im Alltag der Patient:innen zeigt. Und sie kritisieren, dass eine höhere Dosierung auch mehr Risiken mit sich bringt.
Etwa jede:r dritte Patient:in entwickelt den Daten zufolge Gehirnschwellungen. Die verliefen zwar meist symptomlos, können aber auch gefährlich werden. Wird das Medikament verabreicht, muss daher das Gehirn mit bildgebenden Verfahren beobachtet werden, auch das kostet. Viel Aufwand für einen – wenn überhaupt – wahrscheinlich geringen Nutzen.
Die FDA hat bei der Zulassung daher gefordert, dass Biogen die klinische Wirksamkeit von Aducanumab in einer weiteren Studie nachweisen muss. Gelingt das nicht, kann das Medikament wieder vom Markt genommen werden. Der Zulassungsprozess steckt jedenfalls voller überraschender Wendungen und Ungereimtheiten.
Mittlerweile hat die FDA sogar eine unabhängige Untersuchungskommission aufgefordert, ihre eigene Entscheidung zu überprüfen. Der Verdacht, dass Behördenmitarbeiter:innen zu nahe Kontakte zu dem Unternehmen pflegten, steht im Raum.
Und in Europa?
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat den Antrag auf Zulassung von Aducanumab zur Behandlung von Alzheimerdemenz in der EU im Dezember 2021 abgelehnt. Die Wirksamkeit sei nicht nachgewiesen, schwere Nebenwirkungen möglich. Biogen trat daraufhin in der EU den Rückzug an.
Auch Beta-Sekretase-Hemmer, die die Produktion von Beta-Amyloid im Gehirn reduzieren sollen, brachten in Studien bislang nicht den erhofften Erfolg. Im Moment laufen Therapiestudien, die sich gegen die Ansammlung von Tau richten. "Bis wir da robuste Ergebnisse haben, dauert es aber sicher noch ein paar Jahre", sagt Jessen. Ähnlich sieht es bei Therapien aus, die sich gegen die Entzündungsprozesse richten.
Dass sich mit einer einzigen Substanz eine so komplexe Erkrankung wie Alzheimer zum Stillstand bringen lässt, ist wahrscheinlich ohnehin eine unrealistische Annahme. "Vielleicht wird es so ähnlich sein wie bei anderen chronischen Erkrankungen, etwa Rheuma, dass man Kombitherapien andenken muss, die sich gegen verschiedene molekulare Mechanismen richten", sagt Jessen.
Medikation bei leichter bis mittelschwerer Demenz
Die Suche nach einem oder mehreren Medikamenten, die Alzheimer stoppen, wird also noch dauern. Was es allerdings schon seit etwa 20 Jahren gibt: Medikamente, die die Symptome einer Demenz zeitweilig verbessern können. "Antidementiva haben einen schlechten Ruf", sagt Thyrian. "Dabei gibt es ein gutes Zeitfenster für die Anwendung. Insbesondere im frühen Stadium sollte damit ein Therapieversuch gemacht und geschaut werden, ob sie helfen."
In Deutschland sind zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Demenz drei Arzneistoffe (Donepezil, Rivastigmin und Galantamin) zugelassen, die den bei Demenz vermindert vorkommenden Botenstoff Acetylcholin erhöhen. Dies tun sie, indem sie ein Enzym hemmen, das diesen Botenstoff abbaut.
"So werden die gesunden Anteile des Gehirns stimuliert. Bei manchen Patienten kommt es zu einer leichten Verbesserung, bei den meisten stabilisieren sich Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung zumindest für einen Zeitraum von drei bis zwölf Monaten", sagt Jessen. Einen Effekt auf die neuropathologischen Mechanismen und damit das Fortschreiten der Krankheit haben Antidementiva nicht.
Medikation bei mittelschwerer bis schwerer Demenz
Für die Behandlung der mittelschweren bis schweren Demenz ist der Wirkstoff Memantin erhältlich. Er soll verhindern, dass das Zuviel des Botenstoffes Glutamat das Gehirn schädigt. Memantin kann Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung zeitweilig stabilisieren.
Wobei umstritten ist, ob es alltagpraktische Fähigkeiten wirklich verbessert. Bei leichter Demenz ist er nicht sinnvoll, bei der mittelschweren bis schweren ist auch eine Kombination mit den anderen Mitteln möglich. Antidementiva können Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen verursachen.
Begleiterkrankungen wie Depressionen können mit geeigneten Antidepressiva behandelt werden. Das gilt auch für Schlafstörungen. Benzodiazepine sollten allerdings vermieden werden – sie verschlechtern die kognitive Leistung, erhöhen die Sturzgefahr und machen abhängig. Auch Melatonin zeigte keinen Effekt.
Antipsychotika sollten, wenn überhaupt, nur wenige Wochen eingesetzt werden – sie erhöhen das Sterblichkeitsrisiko und können ebenfalls dazu beitragen, dass Patient:innen schneller abbauen. Laut Demenzreport 2020 kommen sie immer noch zu oft zum Einsatz.
Generell gilt: Bevor gegen die Begleiterscheinungen Medikamente gegeben werden, sollte erst einmal geschaut werden, ob psychosoziale Interventionen helfen. Medikamente, die für ältere Menschen nicht geeignet sind, sind in der sogenannten Priscus-Liste aufgeführt.
Ein beliebtes Präparat ist auch Ginko. Hier sind die Daten nicht ganz klar, es gibt aber zumindest Hinweise, dass es sich bei leichter bis mittelschwerer Demenz in hoher Dosierung positiv auf die Kognition auswirken kann. Doch Vorsicht: Vermutlich kann es mit anderen Medikamenten wie Gerinnungshemmern wechselwirken. Die Einnahme sollte daher mit einem Arzt oder einer Ärztin besprochen werden. Ginko vorbeugend einzunehmen, ist nicht sinnvoll.
Vitamin E, eine Hormonersatztherapie oder nicht steroidale Antirheumatika wie Diclofenac empfehlen Expert:innen nicht.
Nicht medikamentöse Therapien
Angehörigenarbeit und nicht medikamentöse, psychosoziale Interventionen sind ein tragender Pfeiler in der Alzheimertherapie. Sie sollen dabei helfen, das Gedächtnis zu trainieren, Alltagsfähigkeiten zu erhalten und das Umfeld so zu gestalten, dass es den Erkrankten Sicherheit und Geborgenheit gibt.
"Insbesondere in der frühen Phase ist es sinnvoll, kognitive Stimulation anzubieten", sagt Jessen. Auch Verfahren, die die Erinnerung wecken, sind geeignet, genauso wie Ergotherapie für alltagspraktische Übungen und körperliche Aktivität. "Bewegung ist für den Geist sehr wichtig, geistig und körperlich", sagt Jessen.
Passivität, sozialer Rückzug und wenig Input beschleunigen den Abbau. Hier brauche es viel Aufklärung, damit es Betroffenen einfacher gemacht wird, an alltäglichen Dingen weiter teilzuhaben, so Thyrian. Auch das Vorhandensein von Depressionen im Vorfeld der Erkrankung ist ungünstig.
"Ganz wichtig ist, dass die Angehörigen mitgenommen werden", so Jessen. "Die Angehörigenarbeit trägt wesentlich zur Lebensqualität der Betroffenen bei." Wie gehe ich mit einer Person mit Demenz um? Auf was stelle ich mich ein? Bei solchen Fragen brauchen pflegende Angehörige Hilfe und Information. "Hier ist es wichtig, sich frühzeitig beraten zu lassen, etwa bei lokalen Alzheimergesellschaften", sagt Thyrian.
Lebensqualität für Betroffene erhalten
"Wenn die Demenz fortschreitet, geht es stark darum, die Lebensqualität aufrechtzuerhalten und Angst, Aggressivität und Unruhe zu vermeiden", sagt Jessen. "Ich sage meinen Patienten dann immer: Wir können an der schweren kognitiven Beeinträchtigung nichts ändern, aber es gibt einen Spielraum, wie die emotionale Seite dabei ist."
Wichtig ist es, die Umwelt und die Kommunikation an die Bedürfnisse der Erkrankten anzupassen – das verringert belastendes Verhalten oft deutlich, ohne Medikamente. So kann es etwa sinnvoll sein, an den Räumen Schilder wie "Küche", "Bad" et cetera. anzubringen, damit die Orientierung leichter fällt.
Demenzkranke nehmen die Umwelt mitunter auch anders wahr, sie ängstigen sich vielleicht vor Schatten oder verwirrenden Tapetenmustern – helle, freundliche Räume können hier entspannen, genauso wie ein strukturierter Tagesablauf. Zur Sicherheit können eine Herdsicherung oder ein GPS-Ortungssystem beitragen.
In der Kommunikation kann es hilfreich sein, weniger an unverrückbaren Wahrheiten festzuhalten, sondern sich in die Ängste und Sorgen der Betroffenen einzufühlen. Beispiel: Ein Demenzkranker findet seinen Geldbeutel nicht und denkt, dass er bestohlen wurde.
Hier kann es sinnvoll sein, auf die Ängste einzugehen und Verständnis zu zeigen, statt vehement an die Vernunft zu appellieren. Verständnisvolle, beruhigende Worte können helfen und den Stress lindern. Mit Biografiearbeit oder dem Spielen von vertrauter Musik lässt sich oft noch viel erreichen. Auch eine Aromatherapie kann beruhigen. So lange wie möglich sollte Demenzkranken auch etwas zugetraut werden, Angehörige sollten sie kleine Aufgaben erledigen lassen. Ob sie wertgeschätzt werden, spüren Demenzkranke bis zuletzt.
Da es wahrscheinlich noch lange keine Antialzheimerpille geben wird, gewinnen solche nicht medikamentösen Behandlungsansätze an Bedeutung. Genauso wie die Prävention.
Artikel Abschnitt: Welche Risikofaktoren sind bekannt? Wie lässt sich vorbeugen?
Welche Risikofaktoren sind bekannt? Wie lässt sich vorbeugen?
Ab 2013 nahmen Forschende in England, in europäischen und dann auch in nordamerikanischen Studien etwas Überraschendes wahr: Weniger Menschen erkrankten in verschiedenen Altersstufen an Demenz als erwartet – was wahrscheinlich auf einen gesünderen Lebensstil und eine bessere Bildung zurückzuführen ist.
Dem Thema Prävention verschaffte das einen enormen Schub. Eine aktuelle Übersichtsarbeit geht davon aus, dass immerhin etwa 40 Prozent des Demenzrisikos auf modifizierbare Risiken zurückgehen. Dazu zählen:
- eine geringe Bildung
- Bluthochdruck
- Schwerhörigkeit
- Rauchen
- Übergewicht
- Depression
- zu wenig Bewegung
- Diabetes
- zu wenig sozialer Kontakt
- zu viel Alkohol (mehr als 21 Standardeinheiten = in etwa 21 Standardgläser pro Woche)
- Schädel-Hirn-Trauma
- Luftverschmutzung
Hier gibt es noch viel Spielraum für jeden Einzelnen, sein Demenzrisiko zu senken oder den Ausbruch der Krankheit zumindest zu verzögern.
"Dabei kann man sich merken: Was gut fürs Herz ist, ist auch gut fürs Hirn", sagt Jessen. Sich bewegen also etwa, ein gut eingestellter Blutdruck und Blutfette, ein gesundes Gewicht und der Verzicht auf Zigaretten. Aber die Vorsorge fürs Hirn geht über die Senkung der sogenannten kardiovaskulären Risiken noch hinaus.
"Und wir lernen immer mehr dazu", sagt Jessen. Auch ein gesunder Schlaf, wissen die Forschenden mittlerweile, ist wichtig fürs Hirn. Genauso wie eine gesunde Umgebung. "Wo die Luftverschmutzung hoch ist, ist wahrscheinlich auch das Demenzrisiko erhöht", sagt Jessen. Ein Zusammenhang, der aber noch weitgehend unerforscht sei. Auch beim Thema gutes Hören könne man noch viel stärker vorbeugen, wenn Hörgeräte wirklich genutzt würden. Als ein möglicher Risikofaktor gelten auch posttraumatische Belastungsstörungen.
Wer hingegen gesund lebt, sich ausgewogen mit viel Gemüse und Obst, gesunden Fetten, Hülsenfrüchten und Nüssen sowie mehr Fisch als Fleisch ernährt, kognitiv aktiv bleibt, sich ausreichend bewegt und sozial eingebunden ist, also Kontakte pflegt, tut damit auch seinem Hirn etwas Gutes.
Studien zeigen auch: Menschen mit einem hohen Demenzrisiko könnten von solchen vorbeugenden Maßnahmen besonders profitieren.
Wichtig ist dabei generell: frühzeitig starten. Da der molekulare Krankheitsprozess bei Demenz Jahrzehnte vor dem Auftreten von Symptomen beginnt, ist die Prävention schon im mittleren Lebensalter relevant.
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Wo finden Betroffene und Angehörige Hilfe, Unterstützung und Information?
Viele Informationen zur Krankheit, zur Diagnose, zur Therapie, aber auch zu Anlaufstellen und Hilfen sowie zu rechtlichen Fragen finden sich auch in dem Ratgeber "Demenz. Das Wichtigste" der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Wie gehe ich mit der Diagnose um? Welche Vorsorge sollte ich treffen? Was ist im Alltag wichtig? Wo finde ich Unterstützung? Antworten auf diese Fragen gibt die Broschüre "Informationen für Menschen mit Demenz. Was kann ich tun?".
Aktuelle Informationen zum Thema bietet auch die Seite "Gesundheitsinformation.de" vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Das Bundesgesundheitsministerium hat ebenfalls einen Onlineratgeber zum Thema "Demenz" erstellt. Er enthält ebenfalls Listen mit Kontaktadressen von Selbsthilfegruppen und Vereinen.
Die aktuelle Behandlungsleitlinie findet sich hier. Dort sind auch Kurzinformationen für Patient:innen und Angehörige erhältlich. Eine Übersicht über Gedächtnisambulanzen bietet auch das Kompetenznetz Demenzen.
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